Ärger über Bürgerdienste – oder doch sich selber?

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Heute morgen beim Studium des Generalanzeigers war wieder einmal fremdschämen angesagt. Unter der Überschrift Ärger um Bürgerdienste hält an (nur wenige Seiten vor dem halbnackten Fliesenleger) erfahren wir von der geradezu haarsträubenden Geschichte der kleinen Maria, die viel zu lange auf Ihren Reisepass warten muss. Papa Willi – von dem wir erst im Laufe des Dramas erfahren, dass es eigentlich Dr. Papa Willi heißen muss – echauffiert sich über fehlende Bürgernähe im Bürgeramt. Das muss mal raus! So, und jetzt dröseln wir mal auf, was wir wissen.

Was geschah …

Alles beginnt, als – wie eigentlich immer – von heute auf morgen an Marias Schule eine Klassenfahrt geplant wird. Maria ist erst nicht dabei, hat aber zumindest die theoretische Chance, mitzufahren. Das ist natürlich nicht Grund genug, sich einfach mal mit den wichtigsten Fragen für den Fall-dass zu beschäftigen.

Und wie es dann so kommen muss, wird die Trulla aus der hinteren Reihe krank und Maria darf plötzlich doch mit. Diesen Montag erfährt sie – „Mist! hätten wir doch wenigstens etwas vorbereitet“ –, dass sie am kommenden Montag fliegen soll. Freude ist in diesem Fall Grund genug, weiterhin mit den Planungen zu schludern.

Also merkt Maria – oder Mama Maria oder Dr. Papa – erst einen Tag später, dass der Reisepass abgelaufen ist – dummerweise nicht am gleichen Tag oder den Montag vorher, sondern vor 11 Tagen. Hups! Da muss ein neuer her. Weil aber vermutlich – das ist jetzt mal meine Deutung – in der Familie Maria keiner Zeitung liest, weiss man dort auch nicht, dass seit Monaten bei den städtischen Bürgerdiensten Ausnahmezustand angesagt ist. Hat man einfach nicht mitbekommen. Da ist dann natürlich der Ärger groß, dass man Dr. Willi und seiner Tochter nicht den roten Teppich ausrollt und einen Schalter reserviert.

Das Ende vom Lied: Alles wird vermutlich gut und Maria kriegt ihren Pass vermutlich noch rechtzeitig vor der Reise. Zeit genug für Dr. Papa Willi, sich noch schnell bei der Lokalzeitung zu melden, die daraus tatsächlich einen 3/4-Seitenaufmacher zimmert.

… und wo die Eigenverantwortung steckt

Ich möchte unter dem Stichwort Eigenverantwortung – ich brauche dazu eine eigene Kategorie – ein paar Gedanken anbringen:

  1. Den Ablauf des Reisepasses habt ihr, liebe Familie Maria, selber verpennt.
    Wer sicht nicht darüber im Klaren ist, wann seine Identifikationspapiere ungültig werden, muss damit rechnen, dass er oder sie im Ernstfall ein Problem hat. Also: Planen! – Übrigens wusstet ihr gute 10 Jahre lang, wann das Ding abläuft.
  2. Die Klassenfahrt ist nicht gestern geplant worden.
    Wenn unsere/eure liebe Maria doch theoretisch mitfahren kann, warum kümmert ihr euch dann nicht zumindest gleich mal um die Dinge, die im Ernstfall Zeit brauchen? Den Reisepass zum Beispiel? Der kann ja auch sonst mal ganz nützlich sein.
  3. Die Engpässe im Bürgeramt sind stadtbekannt.
    Das müsst ihr euch leider auch ankreiden lassen. Wer sich nicht informiert, ist zur Not nicht informiert. Dann muss man eben mit den unangenehmen Folgen leben. Mal ganz unbenommen der Tatsache, dass etwas Sympathie mit den dort Schuftenden auch nicht weh tut.

Ich habe – nicht nur unter den gegebenen Umständen – eine Hochachtung vor den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bürgeramt. Was auch immer ich an Anliegen bisher hatte, wurde dort freundlich, kompetent und schnell erledigt. Falls mal etwas nicht ging oder fehlte, war ich dran schuld.

Für mich fühlt es sich wie eine Zumutung an, dass man sich einmal ärgert, nur weil das Fräulein Tochter u.U. nicht rechtzeitig auf ihren Spaßtrip kommt, und sofort hinrennt und über die Zeitung die Bürgerdienste in Mißkredit bringt. Dabei wäre es schön gewesen, wir hätten ein winziges Wort wie „war ja zum größten Teil auch unsere Schuld“ lesen dürfen. Nö, jammern und Schuldzuweisen ist einfacher. Ich plädiere ja dafür, sich zuerst gründlich an den eigenen Riechkolben zu fassen.

Mein perösnliches Gefühl ist ja, dass sich Familie Dr. Willi so über die eigene Dödeligkeit geärgert hat, dass einfach jemand anderes herhalten musste. So steht man ja auch besser vor Töchterchen Maria da („der Papa wird’s schon richten„).

Was sich mir nicht erschlossen hat – aber da kann Dr. Papa nichts für – ist, welche Relevanz für die Geschichte die Tatsache hat, dass Papa promovierter Ethnologe ist. Darüber denke ich jetzt noch einmal nach.

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