Ohne Vision und Strategie

Die Stadt Bonn braucht eine Vision und Strategie für den Verkehr in der Stadt.

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Unsere Stadt sieht sich großen Herausforderungen gegenüber. Die Verkehrssituation in der Stadt und um sie herum wird sich verschärfen. Nicht nur die stetig wachsende Einwohnerzahl spielt dabei eine Rolle, sondern auch die absehbaren Sanierungsprojekte. Die Stadt zeigt sich bei der Frage, wie man diesen Herausforderungen begegnen soll, kopflos. Es fehlt eine durchgängige Strategie.

In Bonn stressen wir gerne den Begriff Fahrradhauptstadt – die einen, weil sie romantisch davon träumen, die anderen, weil sie resigniert die Idee längst in die Ecke gestellt haben. Von einer wirklich Fahrrad-freundlichen Stadt ist Bonn noch einen langen Weg entfernt.

Gleichzeitig versteht sich Bonn als Verkehrskreuz zwischen Köln und Rheinland-Pfalz, dem Siegerland und der Eifel. Hunderttausende Fahrzeuge nutzen monatlich die Verkehrswege in der Stadt oder ihrer Peripherie. Während die einen für noch mehr Straßenbau kämpfen, um das bestehende System zu entlasten, fürchten die anderen, genau das würde noch mehr Verkehr anziehen.

Nicht weniger ambivalent zeigt sich das Bild im öffentlichen Personenverkehr. Die Anbindung an den Fernverkehr ist eher mäßig. Den maroden Hauptbahnhof mit seiner Abhängigkeit von der engen Rheinschiene kann man kaum als „Tor zur Welt“ bezeichnen. Schnelles Reisen nach Norden mag noch gehen, aber gen Süden geht es da schon deutlich gemütlicher zu. Der Nahverkehr erfreut sich zunehmenden Publikums, aber das Angebot hält dem nicht immer Stand: Überfüllte Busse und Bahnen sind, vor allem im Frühverkehr, ein gewohntes Bild. Am Wochenende dagegen werden ganze Stadtteile der Stadt vom ÖPNV abgeschnitten. Einziger Lichtblick ist da der humorvolle Twitter-Support der Stadtwerke Bus und Bahn.

Und so wabert das Verkehrssystem der Stadt im Nirvana der Visionen. – Ich betone, dass ich mit Stadt nicht die politisch Verantwortlichen alleine meine, sondern jeden Bürgerund jede Bürgerin dieser Stadt. – Was will man nun? Mehr Individualverkehr? Mehr Fahrrad? Mehr ÖPNV?

Dabei ist es eine Ammenweisheit, dass der Platz in der Stadt natürlich begrenzt ist. Nicht nur im Bonner Talweg wird klar, dass ich den Platz, den ich dem einen geben will, dem anderen wegnehmen muss. Wo mehr Platz für Fahrräder geschaffen wird, wird es für Autos enger – und man kann sicher sein, dass sich eine Lobby findet, die sofort protestiert. (Interessanterweise sind das nicht immer nur die Autofahrer selber, sondern häufig auch Gewerbetreibende, deren Objekte an betroffenen Verkehrswegen liegen). Kürzt man den Bewegungsraum der Fahrräder passiert das Gleiche, nur dass diesmal der ADFC der Hauptdarsteller ist. Da wird dann auch schonmal mit Klage gedroht, bevor man überhaupt mal sinnig miteinander gesprochen hat. Eines muss also deutlich sein: Man wird es niemals allen recht machen.

Dabei hat grundsätzlich jeder recht – und keiner. Was benötigt wird, ist ein klares Bekenntnis der Stadt zu ihrer zukünftigen Entwicklung. Was wollen wir? Wie soll das Verkehrs-Bonn der Zukunft aussehen? Ohne echte Positionierung und Vision werden wir nicht weiter kommen, werden sich die Verantwortlichen immer wieder in Einzeldiskussionen mit Gruppen verheddern (die zumeist über die Medien geführt werden) und zur Not die Segel streichen, weil sie Angst vor den Konsequenzen haben.

Ich sehe keinerlei Alternative zu einem lebenswerten Bonn. Was Lebenswert bedeutet, muss dabei wiederum jeder für sich selber definieren. Was dem Menschen generell gut tut, ist aber weniger streitig: Ruhe, Entspannung, frische, saubere Luft und Raum. Das allein spricht schon dagegen, den motorisierten Individualverkehr weiter zu fördern. Eine solche Strategie würde aber ganz neue Konzepte erfordern: z.B. eine deutlich verbesserte Verfügbarkeit von ÖPNV insbesondere in der und in die Umgebung der Kernstadt, sowie häufige verlässliche Verbindungen in die umliegenden Städte – und das zu erschwinglichen Preisen.

Solange aber die bundespolitische Strategie, die Autolobby permanent zu hofieren, auf lokaler Ebene in gleicher Weise Rechnung getragen wird, werden wir keine Durchbrüche erleben. Hier bedarf es eines generellen mutigen Umdenkens und einer klaren Vision für die Zukunft. Allein: Wer soll diese erzeugen, wenn nicht wir selber? Wer macht sich die Mühe, sich überall Beulen zu holen im Sinne und Auftrag eines größeren Ganzen? Vielleicht müssen am Ende dann doch die Verantwortlichen in der lokalen Politik die Vorreiterrolle übernehmen. Die Chancen darauf sehe ich aber – mit der Erfahrung der letzten Jahren in vielen anderen Fragen – eher pessimistisch.

3 Kommentare

    • … eine Frage bleibt für mich leider (wie so oft) zusätzlich unbeantwortet: sind die Bürger*innen nur zu faul, zu müde, zu kaputt, zu überfordert, zu frustriert, zu irgendwas…? Oder sind die, die dieses Fehlen an Vision und guten Lösungen anprangern wirklich auch in der Sache in der Minderheit? Ich bin mir langsam nicht mehr ganz sicher ;-)
      #wobleibtdiediskussion?

      • Hallo Peter,
        Ich würde tatsächlich gerne ein Follow-Up zu diesem Artikel mit konkreten Vorstellungen schreiben.
        Im Kern denke ich – ich abstrahiere mal von mir –, dass die Menschen einfach resigniert haben, weil der Einzelne das Gefühl hat „Ich kann ja eh nix bewegen“, gleichzeitig fehlt aber auch die Zeit/Energie zum Engagement im größeren Stil, z.B. in einer Arbeitsgruppe.
        Vielleicht braucht es mal ein Mobilitäts-BarCamp…

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