Kaum auszuhaltende Intensität – Theater Bonn zeigte "Schatten :: Frau"

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Ein Gast­bei­trag von Nina Herold über die Uraufführung von „Schatten :: Frau“ am Theater Bonn.

Mit Autor Lothar Kittstein entwickelte Bernhard Mikeska in der Vergangenheit verschiedene installative Theaterabende, so auch die Schatten :: Frau. Inspiriert vom tragischen Leben der Politikergattin Hannelore Kohl entstand eine Theaterinstallation, die den Zuschauer auf eine individuelle, assoziative Reise in die Zeit der Bonner Republik nimmt, in die Welt von Hannelore Kohl und letztlich auch zu sich selbst.

Schatten Frau Julia-KeilingEine Reise beginnt

Im viertel Stunden Takt, mit Kopfhörer ausgestattet, geht es für jeden Zuschauer einzeln los. Auf sich alleingestellt beginnt ein persönliches Theatererlebnis, ein neuer Blick auf Schauspiel und eigener Emotionalität.

Zunächst begibt man sich in einen Container, in dem ein Hotelzimmer eingerichtet ist, alleine lauscht man den ersten Selbstgesprächen Hannelore Kohls (Stimme: Esther Hausmann), deren Inhalt sich im Laufe der Aufführung öfters wiederholen wird. Die Einsamkeit, Verlorenheit und das Gefühl der Sinnlosigkeit einer Fremden drängt sich auf. Sie muss raus, raus aus der Stadt. Ein Chauffeur wartet am schwarzen Oldtimer Mercedes, er öffnet devot die Hintertür, der Geruch der Vergangenheit begleitet durch das Godesberger Villenviertel hinunter zum Rhein. Ungewöhnlich unnatürlich sind die Geräusche aus dem Kopfhörer, die den Zuschauer die ganzen 45 Minuten Schauspiel begleiten. Musik, Gespräch, Vogelgezwitscher entführen in eine andere Welt. Die Schritte im Ohr geht es hinunter zum Rhein, die junge Hannelore Kohl (Julia Keiling) lockt, erzählt, flirtet. Ihre mal fröhlich, mal zaudernden Worte werden durch ein Mikrofon übertragen. Der Zuschauer ist irritiert, soll er agieren, reagieren, wo ist er hier angekommen. Sehr nah ist man der Schauspielerin, man fühlt sich an Marina Abramovics Performance im New Yorker MoMa erinnert (dort saß sie 2010 stumm wechselnden Besuchern gegenüber), die Intensität der körperlichen Nähe zu einem fremden Menschen ist kaum auszuhalten.

SchattenfrauAm Rhein und schließlich im engen Raum

Schon wird man weggeschickt, dreh Dich nicht um… und trifft nach kurzem Weg auf Hannelore Kohl der 80er Jahre (Mareike Hein), gealtert, in ihrer Rolle als Politprominenz. Routiniert ergreift sie den Arm und führt ein Stück den Rhein entlang, plaudernd , fröhlich und immer wieder in sich abdriftend. Wieder schickt sie den Zuschauer weiter, dreh Dich nicht um… der Chauffeur wartet und zurück geht es auf nachdenklicher Fahrt zum Theatercontainer wo Birte Schrein als die Hannelore Kohl im engen Raum wartet, voller Verzweiflung und Depression.

Jeder Zuschauer erlebt dieses Stück sicherlich anders, unterschiedlich intensiv, je nachdem wie sehr er sich auf diese Reise einlässt. Zurück bleibt er mit Fragen nach der Person Hannelore Kohl, nach sich selbst und sicherlich auch danach, was die einzelnen Schauspielerinnen mit ihren einzelnen Zuschauern seit der Premiere im April erlebt haben. _SCHATTENFRAU_PlakatStatt Applaus werden ein paar Zeilen im Gästebuch erbeten, ein inzwischen mit begeisterten und emotionalen Kommentaren gefülltes Buch.

Alle Fotos ©: Thilo Beu

* Theater Bonn zeigte Schatten::Frau * Dar­stel­ler: Julia Keiling, Mareike Hein, Birte Schrein als Hannelore Kohl * Stimme: Esther Hausmann * Regie: Bernhard Mikeska * Text: Lothar Kittstein * Dramaturgie: Nina Steinhilber * Chauffeur: Michael Jasper / Harald Krupp / Dieter Nechterschen / Paul Rick / Gregor Seferens * Premiere war am 30.08.2014 * Mehr Infos auf der Homepage des Theater Bonn.

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