In einem offenen Brief appelliert Fridays for Future Bonn gemeinsam mit rund zwanzig zivilgesellschaftlichen Initiativen an wahlberechtigte Bürger:innen, bei der Stichwahl ums Oberbürgermeisteramt wählen zu gehen und ihre Stimme für Klimagerechtigkeit, Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu nutzen.
Bei der Wahl am Sonntag treten die amtierende Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) und Guido Déus (CDU, MdL) gegeneinander an. Im ersten Wahlgang am 14. September setzte sich Déus mit etwa 39 Prozent der Stimmen durch (siehe bundesstadt.com Interview mit ihm) . Auf dem zweiten Platz folgte Dörner mit rund 33 Prozent (Interview mit ihr hier).
Die Initiativen betonen in dem am Donnerstag veröffentlichten Brief, dass es hier nicht allein um eine Personalfrage gehe. Vielmehr bestimme diese Wahl eine grundlegende Richtung für die Stadt. Angesichts der Klimakrise, des gesellschaftlichen Rechtsrucks und zunehmender Spaltungen brauche Bonn eine klare Haltung für einen sozial gerechten Klimaschutz und Solidarität mit diskriminierten Gruppen.
„Wir haben als Stadt gezeigt, wie weit wir kommen können, und diesen Weg müssen wir weitergehen“, heißt es im Brief. Mit dem Klimaplan und der beschlossenen kommunalen Wärmeplanung habe die Stadt zentrale Schritte hin zur Klimaneutralität bis 2035 unternommen. Nun komme es darauf an, klimapolitische Vorhaben konsequent umzusetzen. Nur so könne Bonn ein Vorbild für andere deutsche Städte und Kommunen sein und zudem seiner Rolle als deutsche UNO-Stadt und Standort jährlicher UN-Klimakonferenzen gerecht werden.
Die unterzeichnenden Intitiativen fordern die Bonner:innen auf, bei der Stichwahl jene Person zu unterstützen, die sich klar zur Klimaneutralität bis 2035 bekennt. „Dieses Ziel ist ambitioniert, gemessen an der Realität der Klimakrise jedoch notwendig und nicht verhandelbar“, so die Gruppen. „Die Wahl kann sehr knapp werden, Sie können die entscheidende Stimme sein. Demokratie lebt durch jede:n einzelne:n.“
Zukunft geht nur zusammen – Bonner Zukunftsprogramm
Im Vorfeld NRW Kommunalwahlen legten Bonner Klima-Gruppen im August ihre Forderungen an die kandidierenden Parteien vor und mobilisierten mit einer Reihe von Veranstaltungen für eine konsequente parteiübergreifende Umsetzung des Ziels für eine klimaneutrale Stadt bis 2035. Dieses Ziel wurde bereits im November 2019 von der damaligen Jamaika-Koalition im Stadtrat unter dem CDU Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan beschlossen. Doch im Zuge der Kommunalwahl haben einige Parteien deutlich gemacht, dass sie dem Klimaschutz keine hohe Priorität mehr einräumen.
Der Auftakt war am 21. August mit der Vorstellung eines 40-seitigen Zukunftsprogramms mit acht Unterpunkten, das von mittlerweile 70 Organisationen sowie Wissenschaftler:innen und lokalen Unternehmen unterstützt wird. Die drei Kernforderungen sind:
- Der Schutz unserer Lebensgrundlagen muss bei allen Entscheidungen an erster Stelle stehen.
- Die Mobilitäts- und Wärmewende muss beschleunigt werden.
- Die Menschen müssen dabei unterstützt werden, sich gut zu organisieren, um ihre Viertel schön und klimafreundlich zu machen.
Mehrere Monate hatte ein Team unter Leitung von Bonn im Wandel und Students for Future analysiert, was aus den Forderungen der Teilnehmenden geworden ist, die bei dem Beteiligungsverfahren Bonn4Future – Wir fürs Klima 2021-22 mitgemacht hatten. In diesen Bürgerforen haben über 200 ausgeloste Personen aus unterschiedlichen Alters- und Bildungsgruppen an der Frage gearbeitet: Wie gelingt der Weg in eine klimaneutrale und lebenswerte Stadt? Ihre Empfehlungen flossen in den Klimaplan der Stadt Bonn ein.

Das Autorenteam des Zukunftspapiers stellte fest: Bonn sei auf einem guten Weg. Die Stadt hat mehr als doppelt so viel Klimagase eingespart wie in den Jahren zuvor. Doch das reiche nicht. Denn laut dem Klimaplan müsste man siebenmal schneller werden, wenn Bonn rechtzeitig unabhängig von fossilen Energieträgern werden will. Vor allem die lokale Kommunikation müsse verbessert werden. Dies hätten schon die Teilnehmenden der Bonn4Future Foren festgestellt.
“Den meisten Menschen ist noch nicht klar, was die Klimakrise für ihr Leben bedeutet, dass wir auf Heißzeiten von 40-50 Grad im Schatten zusteuern, unsere Ernten gefährdet sind oder was die Wärmewende für sie bedeutet“, sagt Dr. Gesa Maschkowski, Vorstandsmitglied von Bonn im Wandel. Die Stadt Bonn selbst könne nach eigenen Angaben nur 40 % der Emissionen senken. Die Hauptlast beim Umbau von Gebäuden, der Mobilität und den Vierteln liege also bei der Stadtgesellschaft.
Laut Raphael Räpple von den Students for Future sei die Wärmewende eine der größten Herausforderungen, weil in Bonn noch neun von zehn Häusern mit fossiler Energie geheizt werden.“Durch den Emissionshandel werden die Gas- und Ölpreise ab 2027 steigen. Auch die Gasnetze werden in der Zukunft teurer werden. Nicht nur Unternehmen, auch die Bürgerinnen und Bürger brauchen Planungssicherheit. Deshalb fordern wir ein klares Ausstiegsdatum für Öl und Gas für 2035.”, sagte Räpple bei der Programmvorstellung, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Bonn arbeitet.
Um die Menschen dabei zu unterstützen, ihre Viertel klimafit zu machen, empfehlen die Autor:innen den Aufbau eines zivilgesellschaftlichen Zukunftsbüros. Allerdings wollten manche Parteien beim Klimaschutz nun zurückrudern. Diese Streich- und Sparpläne beim Klimaschutz halte man für gefährlich. Studien belegten, dass es teurer sei, Klimaschäden zu beseitigen, als das Klima zu schützen. Der große Unterstützungskreis des Zukunftsprogramms zeige, dass viele Organisationen in Bonn hinter einem konsequenten Klimaschutz stehen.
Klimaneutrales Bonn: Was planen die OB-Kandidierenden?
„Jetzt brauchen wir Politikerinnen und Politiker, die zu ihrem Wort und ihren Beschlüssen stehen und ein Vorbild sind, in dem sie zusammenarbeiten, um die Herausforderungen zu bewältigen”, so Maschkowski.
Wie kann die Umsetzung und Fortschreibung des Klimplans gelingen? Dazu befragten am 27. August die Bonner Fridays for Future, Parents for Future und German Zero in einer Podiumsdiskussion auf dem Münsterplatz die Bonner OB-Kandidierenden bzw. Vertreter:innen von CDU, SPD, Grünen, FDP, Linken, BBB und Volt zu ihren Plänen, um Bonn klimaneutral zu machen.
Am 6. September beteiligten sich Bonner Klimanetz Gruppen auch an dem NRW-weiten For Future-Bündnis Akionstag zur Kommunalwahl, um ein Zeichen zu setzen fürs Klima, die Demokratie und unsere Zukunft.
Die Zukunft beginnt vor Ort
In einem Klima Café auf dem Remigiusplatz luden sie Passant:innen ein, mit ihnen an vier Thementischen in Dialog zu treten: Klimakrise intersektional denken, Energiewende, Mobilitätswende, Demokratie und Zukunft. Sie riefen dazu auf, bei der Kommunalwahl Wahlstimmen besonders Kandidierenden zu geben, die sich glaubwürdig für den Schutz des Klimas und der Demokratie stark machen und an dem Ziel festhalten, dass Bonn bis 2035 klimneutral wird. In dem Pop-Up Café gab es zudem kreative Mitmach-Aktivitäten, inklusive ein Aktionsbild mit einer symbolischen Wahlurne. In vielen NRW-Kommunen fanden zeitgleich ähnliche Veranstaltungen statt.

Rasmus Windelen, 16, der sich bei Fridays for Future engagiert, fragte: ”Hat die kommunale Politik überhaupt noch im Blick, wie schnell sich die Klimakrise verschärft und auch bei uns die katastrophalen Dürrezeiten, Hitzewellen und Unwetter stärker werden? Klimagerechtigkeit ist brandaktuell. Sie darf im aktuellen Wahlkampf nicht vergessen werden. Viele wollen beim Klimaschutz mit anpacken und wissen nur nicht so genau, wie. Bei der Kommunalwahl können wir mitbestimmen, wie viel sinnvoller Klimaschutz und demokratisches Miteinander ins Rathaus einzieht und damit unser aller Zukunft sicherer machen.”
Eine Umfrage der Vereinten Nationen (UNDP Peoples‘ Climate Vote 2024) in Deutschland und 77 weiteren Ländern bestätigt, dass sich 67% bis 89% aller Befragten von ihren gewählten Politiker:innen stärkere Maßnahmen zum Klimaschutz wünschen. Diese „schweigende Klima-Mehrheit“ ist sich aber nicht bewusst, dass sie zur Mehrheit gehört; die meisten Menschen denken, dass ihre Mitbürger:innen nicht zustimmen.
Windelen fordert daher: “Die Klima-Mehrheit darf nicht mehr schweigen, sondern muss jetzt für eine lebenswerte Zukunft mitreden und aktiv werden. Ich gehe zum ersten Mal wählen – auf jeden für das Klima und unsere Zukunft.”

Dieser Artikel ist Teil des 89 Prozent Projekts, einer Initiative der globalen Journalistenkooperation Covering Climate Now.