Den Kulissenhintergrund bildet eine einfache, aber überraschend stimmungsvolle, handgemalte Szene: Ein dunstiger Sonnenuntergang über dem Wasser wird eingerahmt von angedeuteten Bäumen. Je nach Beleuchtung ändert sich die atmosphärische Stimmung des Bühnenbildes.

Bonnie Raitts langes Haar leuchtet rot mit ihrer charakteristischen weißen Strähne über der Stirn. Sie trägt eine Metallic-Bluse in Aquamarinblau und eine schwarze Rock’n’Roll-Hose. Zierlich und geschmeidig betritt die in Kalifornien geborene Musikerin die Bühne mit ihrer vierköpfigen Band. Sie hängt sich eine Strat-E-Gitarre um und beginnt nahtlos ein ausgewogenes Set aus Klassikern und neueren Songs aus ihrem umfangreichen Repertoire.

Bereits bei den ersten bluesigen Takten von „I Sho Do“ von den Bluerunners ahnen die Konzertbesucher, dass Bonnie Raitt die hohen Töne mit sichtlicher Leichtigkeit und Präsenz noch trifft. Auch mit 75-Jahren hat die US-amerikanische Blues- und Country-Sängerin eine geschmeidige, volle, warme aber nie aufbrausende Stimme.

Bonnie Raitt lässt während ihrer Gitarrenarbeit Phrasen ausklingen, spielt gefühlvolle Slide-Soli in den Instrumentalpausen. Es folgt eine ausgelassen fröhliche Coverversion von John Hiatts „Thing called love“. Raitt stellte klar, dass sie die meisten performten Songs nicht selbst geschrieben hat. Zu den publikumswirksamen Klassikern zählen das anspruchsvollere, verspielt-schelmische „Women be wise“ von Sippie Wallace, sowie das ergreifende „Angel from Montgomery“ von John Prine.

Ein leiserer Höhepunkt des Abends ist „Just like that“ von ihrem gleichnamigen Album aus dem Jahr 2022, das Raitt ansatzweise im Flüsterton vorträgt. Die Singer-Songwriterin erzählt, dass der Song von ihrem Freund John Prine inspiriert wurde, der 2020 auf tragische Weise an Covid starb. Das unaufdringliche und zurückgenommene Lied porträtiert eine Frau, die um ihr Kind trauert. Die trauernde Mutter findet für einen Moment eine gewisse Gnade oder Erlösung, als sie den Empfänger der Herztransplantation ihres verstorbenen Sohnes trifft. Raitt gewann 2023 für „Just like that“ unerwartet den Grammy für den Song des Jahres, und übertrumpfte hier Pop-Größen wie Beyoncé, Taylor Swift oder Adele.

Raitt zollt ihrer Band auf der Bühne mehrfach Anerkennung und Wertschätzung. Das grundsolide Ensemble setzt intuitiv Akzente: Lead-Gitarrist Duke Levine und der kanadische Keyboarder Glenn Patscha spielen elegante Soli. Der ehemalige Beach-Boys-Schlagzeuger Ricky Fataar sorgt für rhythmisch getriebenen Groove. Auch Bassist James „Hutch“ Hutchinson, der seit etwa 42 Jahren mit der Künstlerin auf der Bühne steht, wertet den Sound dezent auf. Der Brite Jon Cleary erweitert die Band mehrfach, etwa wenn er für seinen eigenen Song „Unnecessarily Mercenary“ auf der Bühne hinzustößt und am Piano für lockeren Funk sorgt.

Bonnie Raitt performte mit ihrem Ensemble noch Shirley Eikhards „Something to talk about“. Zu den vorgetragenen Cover-Song gehört auch „Hear me lord“ vom bereits verstorbenen simbabwischen Musiker Oliver „Tuku“ Mtukudzi. Raitt bereichert den Gospelsong voll schwungvoller afrikanischer Rhythmik um ein erhebendes Singalong. Der fröhlich beschwingte Mid-Tempo-Rocksong „Livin‘ for the Ones“ hält verstorbene Freunde und Kollegen in Ehren.

Raitt, die zwischen elektrischer und akustischer Gitarre sowie für „Nick of time“ ans Piano wechselt, bedankt sich überschwänglich bei den Anwesenden für ihre Karriere und beim Veranstalter, dass sie nach so vielen Jahren in dieser herrlichen Kunstrasen-Location dabei sein könne. Sie freut sich, dass wir Glück mit dem Wetter und keine Hitze haben. Es sei auch ein Abschiedskonzert, da es für alle Künstler spätestens am Sonntag wieder nach Hause gehe, so die Künstlerin.

Über den Abend verstreut spricht Raitt auch über die politische Situation in ihrem Heimatland: „I wish I could fly away from this tortuous time.“ Mit gesprächiger Leichtigkeit beklagt sie sich über die Zustände in den USA. Sie würde am liebsten nur noch im Ausland touren, bei den politischen Umständen. Songs können auch Hoffnung angesichts der aktuellen Kriege spenden, moderiert Raitt den Song „Little Bird“ von Annie Lennox an. Als sie danach einen Schlusspunkt setzt und von der Bühne abtritt, erklingen vielstimmige Rufe nach einer Zugabe.

Als erste Zugabe spielt Raitt die emotionale Trennungsballade „I can’t make you love me“ mit Zärtlichkeit, ihren Hit von 1991. Die Künstlerin zeichnet auch eine entspannte Herangehensweise an klassische Themen wie Liebe oder Beständigkeit aus. Als weitere Zugabe folgt Bonnie Hayes‘ „Love letter“. Raitt ist immer noch in der Lage mit ihrer rauen, rauchigen und gelebten Stimme zu schweben oder zu springen. Ein Highlight ist schließlich B.B. Kings „Never make your move too soon“, bei dem Jon Cleary und Support Warren Haynes auf die Bühne zurückkehren, um Gesangseinlagen beizusteuern. Abschließend stemmt sich Raitt im feierlichen Rock-Gestus den Korpus ihrer Stratocaster in die Hüfte.

Mit einem 16 Songs umfassenden Set war das Konzert abwechslungsreich und gut durchdacht. Die Performance war auf das musikalische Handwerk fokussiert. Bonnie Raitt erwies sich als charismatische und leidenschaftliche Künstlerin. Natürlich gibt es immer einen Klassiker wie „You got it“ von Roy Orbison aus dem Film Boys on the Side (1995), der zum Leidwesen einiger Fans nicht auf der Setlist stand. Doch es lag Ausgelassenheit und Spielfreude in der Luft. Mit ihrem selbstbewussten und stilvollen Vortrag intimer und bewegender Songs schuf Bonnie Raitt eine Erinnerung daran, warum sie seit mehr als fünf Jahrzehnten im Musikgeschäft eine Größe ist. Der Abend atmete den Geist von amerikanischer Rhythm’n’Blues-Erfahrung auf endlosen Highways oder staubigen Ebenen. Ein berührendes und bewegendes Konzert voller Wärme, Gelassenheit, Reife und Seele.

Zwei Eröffnungssets anderer Bands ließen im Vorfeld Blues-Stimmung aufkommen, die schließlich durchdrang und den ganzen Abend trug.

An dieser Stelle seien auch die Warren Haynes Band erwähnt. Zu der großartigen fünfköpfigen Band des US-amerikanischen Rock- und Blues-Gitarristen, Sängers und Songwriters Warren Haynes gehören Keyboarder John Medeski, Bassist Kevin Scott, Schlagzeuger Terrence Higgins und Saxophonist Greg Osby.

Den Auftakt bildete bereits gegen 17 Uhr der Wuppertaler Bluesgitarrist Henrik Freischlader mit seinem Trio, Schlagzeuger Carl-Michael Grabinger und Bassist Alex Grube.

Fotos von der Warren Haynes Band und der Henrik Freischlader Band: (c) Marc John.

Weitere Fotos von Bonnie Raitt im Blickpunkte-Blog.

Weitere Infos siehe auch: https://www.bonnieraitt.com/

1 Kommentar

  1. Tolle Rezension – genau so habe ich es erlebt:
    Ein gefühlvoller Abend Livemusik vom allerfeinsten zur Erläuterung, dass Kunst von Können kommt.

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