Am heutigen 25. Oktober ist Weltoperntag: ein guter Zeitpunkt um eine persönliche, subjektive Bilanz zur zurückliegenden Opernsaison am Theater Bonn zu ziehen.
Es gab bereits am 5. Mai 2025 einen Ehrentag der Oper Bonn. Es wurde das 60-jährige Bestehen mit einem Jubiläumsfestakt gefeiert. Aktuell wird der Wert von Kultur und ihrer öffentlichen Aufführungsorte neu verhandelt, so gibt es starke Einsparungen bei den Subventionen durch das Kulturministerium aufgrund der Rezession.
Nichtsdestotrotz war die Spielzeit 2024/2025 am Theater Bonn mit rund 200.000 Besucher die erfolgreichste Saison seit über 15 Jahren. Die hohe Auslastung lag auch an künstlerisch ambitionierten und mitreißenden Produktionen, die ich für die Sparte Oper nun gerne am Beispiel ausgewählter Produktionen Revue passieren lasse:
Konzertantes Highlight: Requiem von Wolfgang Amadé Mozart
Eindrucksstärkste Wiederaufnahme: Die Zauberflöte von Wolfgang Amadé Mozart
Erfrischendste Inszenierung: Gaetano Donzettis Der Liebestrank von Maren Schäfer
Entdeckung: Gija Kantschelis Musik für die Lebenden
Highlight bei den Tanzgastspielen: Carmina Burana mit dem Odesa National Academic Opera and Ballet Theatre [Ukraine]
Blick auf die Wiederaufnahmen 2025/2026
Konzertantes Highlight: Requiem von Mozart
„Das Geheimnis bleibt im Raum“ heißt es über Mozarts Requiem. Sein Requiem in d-Moll (KV 626) aus dem Jahr 1791 hat eine mysteriöse, verschleierte Entstehungsgeschichte, da es als sein persönliches Selbstgespräch im Angesicht des Todes gilt. Der Salzburger Komponist starb vor Vollendung seines Werkes am 5. Dezember 1791 in Wien im Alter von 35 Jahren.
In einem Brief vom 4. April 1787 bezeichnet Mozart den Tod als „wahren, besten Freund des Menschen“ und schreibt, dass das eigene Ableben „recht viel Beruhigendes und Tröstendes“ habe und ein „Schlüssel zu unserer wahren Glückseligkeit“ sei.
Dirk Kraftan, dessen Vertrag als Generalmusikdirektor des Beethoven Orchesters Bonn (BOB) vor kurzem bis zum 31. Juli 2032 verlängert wurde, dirigierte das Beethovenorchester und den Philharmonischen Chor der Stadt Bonn während des ausverkauften 6. Freitagskonzert am diesjährigen Karfreitag.
Vorweg gab es eine beeindruckende Uraufführung, Im Inneren, eine Klang-Installation von Nicholas Morrish und Anselm Dalferth. Leise tänzerische musikalische Sätze wurden unterbrochen durch kurze Vorträge einzelner Chormitglieder, die in persönliche Erinnerungen eintauchten und ihre Geschichten mit dem Publikum teilten. Dem Vergehen und Entstehen, letzter Atemzüge von Vertrauten und dem Abschied nehmen wurde gedacht. Die Mitglieder des Philharmonischen Chors standen dabei verteilt im Opernsaal und die Komposition spielte mit Richtungen. Geschichten fingen an, mit Worten wie „Als ich noch ein Kind war – weißt du noch?“ Es ging um das zu sich kommen trotz der räumlichen Nähe zu Todgeweihten, um Schuld und Scham, Neuanfänge im persönlichen Leben und um Sätze wie „Bis das der Tod uns scheidet“. Im Inneren führte mit einer eigenen Atmosphäre voller Wärme, Licht und Intimität stimmungsvoll und intensiv hin zum Requiem.
Mozarts entschlossenes, bitteres, in sich geschlossenes Requiem war dann ein andächtiges und monumentales Erlebnis mit einem transparenten Klangbild voller ergreifender Emotionalität. Beim „Dies Irae“ über die Hölle gewann die Vorführung an Drive, Koloraturen der Sopranistinnen Yukaru Fukui und Cláudia Pereira feierten glutvoll das Lebendige und das Publikum fühlte mit. Übergänge zwischen den Einsätzen schufen Atem. Eine präzise Ausgestaltung der Details sorgte für ein intensives Hörerlebnis. Am Ende stand der Gong, ein Symbol für den Tod, aber nicht nur im asiatischen Raum auch für eine Einigkeit.
Eindrucksstärkste Wiederaufnahme: Die Zauberflöte von Mozart
Jürgen Roses liebevolle Inszenierung von Mozarts Die Zauberflöte (1791) kehrt regelmäßig mit neuen Besetzungen zurück auf den Spielplan der Oper Bonn. Erstaunlich zahlreiches jüngeres Publikum beäugt das Geschehen meist gebannt aus den Zuschauerrängen, ist die Produktion doch subtiler und anspielungsreicher als beispielsweise Florian Sigls auf jüngeres Publikum abzielender Fantasy-Jugendfilm The Magic Flute (2022), der stark abgewandelt auch auf Mozarts Oper beruht.
Die Bonner Inszenierung zeichnet sich durch wechselnde kunstvolle Bühnenbilder aus und setzt auch wichtige Requisiten der Oper gelungen in Szene.
In seiner Monografie Die Zauberflöte. Mozart und der Abschied von der Aufklärung (2024) betont der Musikwissenschaftler Laurenz Lütteken die Bedeutung zentraler Objekte in Mozarts bekanntester Oper. Die Zauberflöte, Silber-Glöckchen oder die Lieder des Vogelfängers Papageno (an der Oper Bonn zuletzt von Carl Rumstadt ausdrucksstark verkörpert) lenken das Geschehen grenzüberschreitend auf eine unwirkliche Phantasie-Ebene hin, eröffnen gleichzeitig jedoch auch einen Bedeutungsraum für die Musik:
„Die titelgebende Zauberflöte, die schließlich die Prüfungszeremonie bestimmt, wird damit zu einem mehr als ambivalenten Instrument. Sie verändert nicht einfach die Wirklichkeit, etwa mit tanzenden Tieren oder in furchtbaren, lebensgefährlichen Prüfungen. Vielmehr kann sie die Herstellung einer solchen gar nicht mehr gewährleisten. Dieser Konflikt zwischen denkbaren Legitimationen von Musik und deren Aufhebung prägt aber die gesamte Oper und verlängert sich programmatisch bis in den Schluss.“
(Laurenz Lütteken, Die Zauberflöte. Mozart und der Abschied von der Aufklärung, S. 130)
Zur ausführlichen Besprechung
Erfrischendste Inszenierung: Maren Schäfers Neuumsetzung von Der Liebestrank von Gaetano Donizetti
Ist Alkohol doch eine Lösung? Jedenfalls für Nemorino, der in Gaetano Donizettis Der Liebestrank ein angebliches Wundermittel erwirbt, damit er das nötige Selbstvertrauen gewinnt, um um seine Geliebte Adina zu werben. Maren Schäfer inszenierte den unbeschwerten Klassiker mit tänzerisch-quirligem Zugriff neu. Ihre Adaptation verwendet live gefahrenene, aufwendige Videoprojektionen, die sich an Comics der Schwedin Liv Strömquist orientieren. Zu Beginn greift Amor (Alois Reinhardt) als Erzähler und Zeichner der Geschichte in die Handlung ein.
Santiago Sánchez mimt den romantischen, schüchternen und treuen Nemorino, der bei hingebungsvollen Arien wie „Una furtiva lagrima“ (Dt.: Eine verstohlene Träne) mit klanglich sensibler Präsenz und vielfarbigen Kontrasten brillierte. Katerina von Bennigsen verkörperte mit gebündelter Energie energisch die unabhängige, freie und rationale Adina abwechslungsreich changierend in Arien wie „Prendi, per me sei libero“ (Dt.: Nimm, durch mich bist du frei).
Der Liebestrank handelt von Adinas Angst, sich durch eine Öffnung für Emotionen verletzlich zu machen und um das Rationalisieren von Gefühlen. Die beiden Hauptfiguren fechten Dinge untereinander aus, bevor sie zueinander finden. Die Personenführung, Bühnenbild und Kostüme waren intensiv und effektvoll comichaft überzeichnet oder auf szenischer Videoebene mit wohdurchdachten Strichen witzig animiert.
Entdeckung: Musik für die Lebendenvon Gija Kantscheli
Der russischen Regisseur Maxim Didenko inszenierte diein Vergessenheit geraten Oper Musik für die Lebenden des georgischen Komponist Gija Kantscheli mit starken Bildern und einer gelungenen Personenregie. In losen Szenenfolgen ging es klangsinnlich um einen Mann mit Geige innerhalb einer zertrümmerten Welt und eines möglichen Kriegsgeschehens. Fragmentierte Texte, Silben und Laute sprühten und leuchteten kristallin durch einen Chor junger Menschen, während ein Offizier, eine Frau mit Peitsche und eine Militärkapelle ebenjene Jugend tänzerisch, aber tonlos in Aufregung versetzten.
Im zweiten Akt begann eine groteske Oper in der Oper. Auch hier erstarkten leise Gesangslinien voller luzider Zwischentöne. Vielfarbige Motive schälten sich klangsinnlich aus der Partitur heraus. Aparte Klangeffekte und feinnervige Klanggespinste ließen aufhorchen. Chor und Solisten bewegen sich, perfekt sekundiert vom Beethoven Orchester, mit filigranen Klängen intonationssicher durch die prächtigen Arrangements.
Highlight bei den Tanzgastspielen: Carmina Burana mit der Nationaloper und dem Ballett der Ukraine aus Odessa
Während des lange im Vorfeld ausverkauften Gastspiels von Carl Orffs szenischer Kantate Carmina Burana begegneten sich von der Nationaloper und dem Ballett der Ukraine aus Odessa ereignishaft und atemberaubend die Disziplinen Chorgesang, Solisten, Ballett und Orchester. Das Ballett beeindruckte mit packender, homogener Körpersprache, akrobatischen Einlagen, Rotationen, Kapriolen und verführerischen Spitzen.
Das energisch mit Frische und Leidenschaft von der ukrainischen Nationaloper interpretierte Libretto basiert auf mittelalterlichen klösterlichen Liedersammlungen. Orchester und Chor sorgten mit Flexibilität im Ton und lyrischen Linien für einen rhythmisch punktgenauen, elegant virtuosen, verschlungenen Klangteppich.
Als Solistin stach Alina Tkachuk mit schön austariertem, koloraturensicherem Sopran und selbst im Forte nötigem Atem hervor. Tenor Oleksandr Prokopovych profilierte sich bei „Olum lacus colueram“ klar und feinnervig. Bariton Bogdan Panchenko setzte mit dem nötigen Fundament für sonore Präsenz vielfarbig gezeichnete Akzente.
Standing Ovations feierten den kraftvoll, elegant und beachtenswert plausibel ausgeloteten Meilenstein. Beim Abschlussapplaus präsentierten die Künstler die ukrainische Flagge, vielleicht auch als Zeichen für die Kraft des Theaters als Freiheitsraum der Demokratie.
Blick auf die Wiederaufnahmen 2025/2026
Giacomo Puccinis Madame Butterfly im Bonner Opernhaus. Nächste Termine: 30. Oktober, 21., 28. November, 5. und 26. Dezember 2025, sowie 3. Januar 2026. Anlässlich des Weltoperntages bietet das Theater Bonn 20% Ermäßigung
Hoffnungsvolle Arien von zerbrechlicher Schönheit verkürzen in kostbaren Momenten das sich über Jahre hinweg dehnende, sehnsüchtig-geduldige Warten. Cio-Cio San, genannt Butterfly, ihr dreijähriger Sohn und ihre Zofe Suzuki warten auf den Ehemann und Kindsvater – den US-Navy-Offizier Pinkerton. Er erwarb die junge Geisha samt Haus, zeugte mit ihr unwissentlich ein Kind und ließ sie dann alleine zurück. Sie liebt ihn weiterhin bedingungslos. Zur Besprechung
Nessun Dorma! Eine italienische Opernnacht im Bonner Opernhaus. Nächste Termine: 1. November, 31. Dezember 2025, sowie 7. Februar und 18. April 2026.
Hervorragende Solisten singen Auszüge und Arien aus Opern der italienischen Komponisten Gioachino Rossini, Vincenzo Bellini, Gaetano Donizetti, Giuseppe Verdi, Giacomo Puccini und Pietro Mascagni. Hingebungsvoll wird in leichtfüßiger und feinfühliger Musik voller zärtlicher Melancholie geschwelgt. Zur Besprechung


















