„Was fott is is fott“, so lautet eines der kölschen Gebote, die dem Rheinländer bei der Bewältigung seines Alltags helfen. Man soll sich eben damit abfinden, dass es bestimmte Dinge nicht mehr gibt, sich nicht weiter grämen und nach vorn blicken. 

So ist es auch bei der Bonner City-Gastronomie. Immer wieder schließen althergebrachte Lokale aus dem bürgerlichen Umfeld, was man sich eigentlich schlecht vorstellen kann, wenn man sie denn eine Weile kannte. Natürlich gibt es immer eine gewisse Fluktuation in der Gastronomie, aber bei Traditionshäusern erwartet man das meistens nicht.

Beim ältesten Bonner Gasthaus „Im Bären“ in der Acherstraße hat sich schon vor längerer Zeit eine unerwartete Metamorphose vollzogen: Dort, wo neben Kurfürsten-Kölsch Original rheinischer Sauerbraten auf den Tisch kam, und wo sich im Obergeschoss Studenten wohlfühlten, können heute junge Damen für kleines Geld modische Fummel erstehen; eine internationale Textilkette macht’s möglich. Solvent und krisensicher dank Importe aus irgendwo, offenbar eine eine Win-Win Situation aus heutiger Sicht. Gasthaus ade.

Auch das Hähnchen an der Vivatsgasse/Münsterplatz ist perdue. Dort gab es Lagerbier am kupfernen Tresen, die Fenster zeigten bunte Bleiverglasung mit Bonner Motiven, rechts oben in der Ecke die Abbildung einer Eule als Zeichen der Weisheit. Deren Physiognomie hatte eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem bekannten Bonner Jura-Professor. Auch diese Kneipe ist Geschichte, das Hähnchen musste dem Logo einer Sirene weichen, deren barbusige Darstellung aus Gründen der „political correctness“ inzwischen neutralisiert würde, eine amerikanische Kette von Coffeeshops eben, „to go!“ of course, too.

Nun also wird „Zum Gequetschten“ in der Sternstraße geschlossen. Vor allem in der Karnevalszeit war der Name Programm. Da kam man dort weder vor noch zurück, ohne „gequetscht“ zu werden. Dabei ist der Name eher sakralen Ursprungs: Im katholischen Bonn gingen und gehen regelmäßig Prozessionen im Umfeld des Münsters. Vorab natürlich der Ministrant mit dem Vortragekreuz. Diesen nun ereilte vor dem Haus ein dringendes Bedürfnis, was ihn aus dem frommen Zug stracks ins Untergeschoss der Kneipe führte. Sein Kreuz hatte er flugs hinter die Eingangstür gestellt, schließlich konnte er es schlecht mitnehmen. Alle, die ihm durch die Tür ins Lokal folgten, brachten nun den Herrgott in arge Bedrängnis, sie quetschten ihn zwischen Tür und Wand ein, was nun zur Namensgebung der Wirtschaft führte. So wird’s berichtet, ich war aber nicht dabei. Was nun aus dem Gequetschten wird, steht wohl noch in den Sternen.

Es ist wohl an der Zeit, abseits des Feuilletons mal zu fragen, woran es denn liegen könnte, dass derlei Traditionelles verschwindet. Natürlich wird es vornehmlich am Geld liegen. Schließlich muss jeder Betrieb rentabel arbeiten, sonst geht er pleite. Doch Traditionshäuser könnten sich nur so lange halten, weil sie offenbar lange Zeit erfolgreich kalkuliert hatten. Da man rentable Unternehmen selten schließt, muss sich das geändert haben. 

Natürlich kann eine hohe Pacht den Wirt in die Enge treiben, die Eigentümer oder deren Erben pochen gern auf den Profit. Es könnten auch andere Kostensteigerungen in Betracht kommen. Bonn gehört bei der Gewerbesteuer, den Wasserkosten und den Abgaben für die Außengastronomie zu den teuersten Pflastern landesweit. Doch werden sich auch wegen der finanziellen Verschuldung der Stadt die hohen Abgaben nicht ändern. Ob das Niveau der Belastungen allerdings nicht gelegentlich kontraproduktiv ist, weil es Gastronomen in die Enge und andere Bonner Betriebe ins Umland treibt, wird man von Seiten der Stadt sicher abstreiten.

Weitere Gründe könnten allerdings auch in veränderten Gewohnheiten der Gäste liegen. In früheren Jahren traf man sich eben häufig nach Feierabend für ein paar Kölsch an der Theke, um den Stress des Tages abzubauen, sich mit einigen Kollegen zu treffen, um zu „schwaade,“ sich den Klatsch des Tages anzuhören, mal kräftig zu lachen und dann entspannt die heimischen Penaten aufzusuchen. Heute ist das anders. Kommunikation findet mehr und mehr über WhatsApp etc. statt; mit Knopf im Ohr und Handy in der Hand ist die Kneipe entbehrlich, man kann eben überall miteinander quatschen. Es hat mal wieder ein Generationswechsel mit entsprechenden Verhaltensänderungen statt gefunden. Und immer mehr alte Stammgäste haben den Platz an der Theke inzwischen mit einem solchen auf dem Friedhof vertauscht. Der Gastronom weiß das sehr wohl. Er muss aufgeben oder ein neues, zukunftsträchtiges Konzept erfinden. Doch nicht jeder will „Entertainer“ werden. So isses.

Doch noch gibt es ja einige herkömmliche Kneipen in der City, der Stiefel hat einen neuen potenten Eigentümer, Sudhaus und Bönnsch, Höttche und Salvator sowie mehrere kleinere stilvolle bürgerliche oder moderne Kneipen rund ums Münster werden sich halten, solange die Stammgäste das Glas noch heben können. 

Et is noch immer joot jejange, dieses rheinische Gebot ist Hoffnung pur – auch in der Gastronomie.

Fotos: Adelt

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