Gestern Abend lud die IHK Bonn/Rhein-Sieg gemeinsam mit der Handwerkskammer zu Köln und der Kreishandwerkerschaft Bonn-Rhein-Sieg zu einer Diskussionsveranstaltung in den Kammermusiksaal des Beethovenhauses ein. Sechs Direktkandidat*innen für die anstehende Bundestagswahl stellten sich den Fragen des Moderators Christian David und des Publikums. Es war eine seltene Gelegenheit, die Kandidat*innen live und gleichzeitig zu erleben und ihre Positionen zu hören.
![](https://bundesstadt.com/wp-content/uploads/sites/2/2025/02/20250205_191010_by_bonndigital_20250205_191010_JR221078_.jpg_compressed-1024x683.jpeg)
Ein Format mit Herausforderungen, aber auch Chancen
Das Format war ambitioniert: Sechs Kandidat*innen, unzählige Fragen und nur eine Minute pro Antwort. Klar, dass dabei nicht jedes Thema in die Tiefe gehen konnte. Doch das machte auch den Reiz aus: In kurzen, prägnanten Statements bekam das Publikum einen Eindruck davon, wer die Kandidat*innen sind, wofür sie stehen und wie sie mit den Herausforderungen unserer Zeit umgehen wollen.
Stefan Hagen, Präsident der IHK Bonn/Rhein-Sieg, und Kreishandwerksmeister Thomas Radermacher eröffneten den Abend mit einem klaren Blick auf die aktuelle wirtschaftliche Lage. Energiepreise, Bürokratie und Verkehrsprobleme wurden als zentrale Themen benannt – Herausforderungen, die dringend politische Lösungen erfordern. Doch statt nur zu klagen, bot der Abend die Chance, zu hören, wie die Kandidat*innen diese Probleme angehen wollen.
Vielfalt an Themen und Perspektiven
Die Bandbreite der angesprochenen Themen war beeindruckend: Fachkräftemangel, Wohnungsnot, Energiewende, Bürokratieabbau, Gesundheitsreform, Schuldenbremse und vieles mehr. Jede*r Kandidat*in brachte dabei eine eigene Perspektive ein.
Jürgen Repschläger (Die Linke) nutzte die Gelegenheit, um seine Kritik am Kapitalismus zu verdeutlichen und forderte unter anderem die Abschaffung der Schuldenbremse sowie die Vereinheitlichung der Krankenversicherungen. Jessica Rosenthal (SPD) und Katrin Uhlig (Die Grünen) zeigten sich rhetorisch versiert und konnten ihre Positionen klar vertreten. Rosenthal betonte die Bedeutung von Frauenförderung und Betreuungsangeboten, während Uhlig auf die Notwendigkeit von Investitionen in den ökologischen Umbau hinwies.
Hendrik Streeck (CDU) präsentierte sich mit einem Buch voller Spickzettel, das ihm bei einigen Antworten half, und betonte die Bedeutung von Fachkräften aus dem Ausland sowie die Förderung der Wissenschaft. Anna Heimann (FDP), die jüngste Kandidatin auf der Bühne, schlug sich wacker und plädierte für eine Stärkung der dualen Ausbildung und mehr Anreize für Arbeit. Wolfgang Truckenbrodt (AfD) blieb in seinen Aussagen oft im Unkonkreten, sorgte aber dennoch für Diskussionsstoff, als er gegenteilige Positionen zu seiner Partei vertrat.
![](https://bundesstadt.com/wp-content/uploads/sites/2/2025/02/20250205_193452_by_bonndigital_20250205_193452_0A7A6639_.jpg_compressed.jpeg)
![](https://bundesstadt.com/wp-content/uploads/sites/2/2025/02/20250205_200355_by_bonndigital_20250205_200355_0A7A6777_.jpg_compressed.jpeg)
![](https://bundesstadt.com/wp-content/uploads/sites/2/2025/02/20250205_194909_by_bonndigital_20250205_194909_0A7A6714_.jpg_compressed.jpeg)
Fachkräftemangel und Bürokratie: Lösungsansätze im Fokus
Ein zentrales Thema des Abends war der Fachkräftemangel. Hier zeigten sich die unterschiedlichen Ansätze der Kandidat*innen. Während Streeck und Rosenthal die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland betonten, verwies Repschläger auf das Problem, dass zu viele junge Menschen studieren wollten und die duale Ausbildung vernachlässigt werde. Auch Anna Heimann (FDP) plädierte für eine Stärkung der dualen Ausbildung. Katrin Uhlig (Die Grünen) gab zu bedenken, dass die öffentliche Diskussion derzeit eher dabei helfe, Fachkräfte aus dem Ausland abzuschrecken.
Auch das Thema Bürokratie wurde mehrfach angesprochen. Streeck forderte einen Abbau durch Digitalisierung und mehr Vertrauen in die Wirtschaft. Repschläger hingegen äußerte Bedenken, dass der Abbau von Bürokratie selbst wieder neue Bürokratie schaffen könnte. Einig waren sich alle, dass an diesem Punkt gearbeitet werden muss.
Ein Abend mit vielen Highlights
Insgesamt hinterließ die Veranstaltung einen guten Eindruck. Sie bot die seltene Gelegenheit, die Kandidat*innen direkt zu erleben und ihre Positionen zu hören. Jessica Rosenthal (SPD) und Katrin Uhlig (Die Grünen) konnten durch ihre rhetorische Sicherheit punkten. Hendrik Streeck (CDU) wirkte sicher in Bereichen, in denen er sich auskennt, bei anderen wie Steuern, Sozial- oder Bauwesen musste er Lücken zugeben. Jürgen Repschläger (Die Linke) nutzte seine Position, um frei und locker zu agieren, während Anna Heimann (FDP) noch beweisen muss, dass sie nicht nur ein inhaltlicher Klon von Christian Lindner ist. Wolfgang Truckenbrodt (AfD) blieb das, was viele von ihm erwartet hatten: ein Kandidat, der polarisiert.
Natürlich war das Format herausfordernd – bei sechs Kandidat*innen und einer begrenzten Zeit bleibt wenig Raum für tiefgehende Diskussionen. Doch genau das machte den Abend auch so spannend: Es war ein Schnelldurchlauf durch die wichtigsten Themen unserer Zeit, präsentiert von den Menschen, die vielleicht bald in Berlin Entscheidungen treffen werden.
Fazit: Ein gelungener Abend mit Potenzial
Es ist schön, dass es solche Gelegenheiten gibt, um die Kandidat*innen kennenzulernen. Sicher, es hätte noch viel mehr Fragen gegeben, und sicher wäre es spannend gewesen, mehr Zeit für einzelne Themen zu haben. Doch der Abend zeigte vor allem eines: Politik lebt vom Austausch, von der Diskussion, vom direkten Kontakt. Und genau das wurde hier ermöglicht. Vielleicht war nicht jede Antwort perfekt, und vielleicht blieben manche Fragen offen. Doch der Abend hat gezeigt, dass es sich lohnt, hinzuhören, zuzuhören und sich eine eigene Meinung zu bilden.
🌐 Wer den ganzen Abend noch einmal miterleben will, findet hier den Mitschnitt der Veranstaltung bei YouTube.
Alle Fotos: Bonn.digital/Marc John
(Werbung) Fotos zur redaktionellen Nutzung z.B. bei dpa picture alliance