Stummfilmtage heißt: Keinen Film mehr als einmal zeigen. So lautet das Motto des künstlerischen Leiters Stefan Drößler bei den Internationalen Stummfilmtagen in Bonn.
Natürlich gibt es Ausnahmen von dieser strengen Vorgabe. Und zwar eigentlich immer dann, wenn ein interessanter Film weiter komplettiert wurde. Wenn ich einem der zahlreichen Filmarchive auf dieser Welt wieder ein Puzzlestück gefunden und die Restaurateure ganze Arbeit geleistet haben.
Wie beim Stummfilmklassiker Metropolis etwa, der beim Bonner Sommerkino bereits drei Mail lief. Und jedes Mal in einer anderen Fassung. Immer ein Stück vollständiger, immer etwas näher dran an der Version, die die damaligen Kinobesucher zu sehen bekamen. Bei Metroplis stehen die Chancen gut, dass die Bonner noch ein viertes Mal in den Genuss unter freiem Himmel und Livemusik kommen.
Stummfilmtage bedeutet vielfältige Auswahl
Nach dem stark verregneten Auftaktabend schien in den Folgetagen die Sonne über die Bundesstadt. Abends herrschte angenehm warmes Wetter. Mehr konnten sich Veranstalter und Besucher nicht wünschen.
Am Freitagabend lief zunächst ein deutscher Stummfilm. Scherben des Regisseurs Lupu Pick aus dem Jahr 1921. (Da ich diesen Film bereits vor einigen Jahren auf Arte gesehen hatte, fand ich mich erst zum zweiten Programmpunkt im Innenhof der Universität ein.) Es folgte Mantrap (Der Weiberfeind) von Victor Fleming aus dem Jahr 1926. Die in Minneapolis und Kanada spielende Komödie zählt nicht gerade zu den Höhepunkten Flemings Karriere, der später in nur einem Jahr (1939) die Klassiker The Wizard of Oz (Der Zauberer von Oz) und Gone With the Wind (Vom Winde verweht) drehte.
Stummfilmkönig Charlie Chaplin
Dass Samstagabend die Hoftore weit vor Filmbeginn (21 Uhr) schlossen, war bei Traumwetter und zwei Charlie-Chaplin-Filmen keine Überraschung. Wer zu spät kam, musste draußen bleiben – hatte aber eine gute Chance auf den dritten Films des Tages, Mister Radio. Zunächst aber gehörte die Bühne einem der größten Stummfilmstars aller Zeiten – Charlie Chaplin.
In One A.M. (Ein Uhr Nachts) spielt er einen Betrunken, der spät abends nach Hause kommt und mit den Tücken der Wohnungseinrichtung kämpft. Ein echter Chaplin eben, aber durchaus anders angelegt, als der zweite Film, The Pilgrim (Der Pilger oder auch Gehetzte Unschuld). Höhepunkt dieses großartigen Stücks ist die Szene, in der Chaplin als entflohener Häftling und irrtümlicher Pfarrer, gänzlich auf Zwischentitel verzichtend, die Geschichte von David und Goliath pantomimisch von der Kanzel predigt.
Luciano Albertini dürfte den wenigsten etwas sagen. Dabei war der Italiener in den 1920er in Deutschland mit seinen Sensationsfilmen ein Star. Zu diesem damals beliebten Genre zählt auch Mister Radio. Kein besonders guter Film, aber die Kulisse der Sächsischen Schweiz entschädigt für so manche Schwäche.
Am Sonntag gab es neben dem gewöhnlichen Abendvorstellungen auch ein Programm im LVR-LandesMuseum in Bonn. (Aus privaten Gründen konnte ich weder das eine, noch das andere Angebot wahrnehmen. Mit The Haunted House (Nacht des Inferno) und The Bat (Das Rätsel der Fledermaus) liefen aber zumindest der Beschreibung nach zwei interessante Filme im Arkadenhof der Universität.)
Komödien dominieren das Programm
Dass Stefan Drößler, der künstlerische Leiter des Festivals, ein gutes Händchen bei der Filmauswahl hat, zeigte der Montag. Bei He Done His Best (Charly tut was er kann) blieb kein Auge trocken. In der aberwitzigen Slapstick-Komödie baut der vergessene Stummfilmkomiker Charles R. Bowers ein vollautomatisch funktionierendes Restaurant. Mit Worten sind die kuriosen und abstrusen Einfälle, die Bowers auftischt, kaum zu beschreiben.
Auch der zweite Film des Abends zauberte den Zuschauern ein Dauerlächeln in Gesicht. In der deutsch-schwedischen Verwechslungskomödie Die Sieben Töchter der Frau Gyurkovics verwechselt beinahe jeder mit jedem, was zu famosen Situationen führt. Und am Ende ist trotz des ganzen Wirrwarrs selbstverständlich alles wieder gut.
Fazit
Die Stummfilmtage enttäuschen auch 2016 nicht. Vom Auftaktabend abgesehen spielt das Wetter Musik, die Musik spielt sowieso und die Filmvorführer spielen ein buntes, vielfältiges Programm mit vielen Neuentdeckungen, aber auch alten, bewährten Bekannten.