In Bonn drohen drastische Einschnitte im Kulturbereich. Mittelfristig plant die Stadt Kürzungen in der Höhe von fünf Millionen Euro, die das Theater, die Oper und das Beethoven Orchester treffen werden. Noch hat die Strahlkraft der lokalen Kulturlandschaft und ehemaligen Bundeshauptstadt jedoch nichts an ihrem Glanz eingebüßt. Es gibt viele ausverkaufte Vorführungen am Theater Bonn. Die Besucherzahlen sind so hoch wie lange nicht mehr. Es gab Einnahmehöchstzahlen für den Monat Dezember seit mehr als zehn Jahren, auch aufgrund erfolgreicher Reihen, wie der Highlights des internationalen Tanzes, die weiter unten erwähnt werden. In der Karnevalszeit gab es eine fantastische Resonanz für den Kostümverkauf am 25. Februar. Die Schlange für die abendliche Verkaufsaktion im Foyer ging bis hin zur Werkstatt auf der Rückseite der Oper.
In der vorliegenden Ausgabe bespreche ich folgende Abende an der Oper Bonn:
Liedersoirée mit Christopher Jähnig und Alexander Soloway
Die Macht des Schicksals (La forza del destino)
Tanzgastspiel La Strada
Seit etwa einem Jahr gestaltet die Oper Bonn mit dem Format Liedersoirée Liederabend-Programme mit Solisten und Instrumentalisten des Ensembles. Am 11. Februar trat in diesem Rahmen Basssänger Christopher Jähnig zusammen mit dem kanadischen Pianisten Alexander Soloway auf der Foyerbühne im Opernhaus auf.
Jähnig trumpfte selbstbewusst mit ausgewählten, heute weniger bekannten deutschsprachigen Arien auf, unter anderem „Abschied“ und „Heimkehr“ von Joachim Raff (1822-1882) und „Das Vaterland“ und „Die Uhr“ von Carl Loewe (1796-1869). Wendig und mit strahlendem Glanz sang Jähnig schöne, lang gezogene vokale Linien.
Insbesondere bei den Gesängen „Das Thal“ und „Der Einsame“ von Richard Strauss setzte er mit seiner Interpretation Akzente. Auch Werke von Franz Schubert und Johannes Brahms wurden dargeboten. Seine Diktion war nicht immer gut verständlich. Christopher Jähnig sang jedoch warm und kernig mit sonorer Präsenz, dann wieder voller Leichtigkeit mit weicher Bassstimme.
Auch Alexander Soloway entfaltete insbesondere während eines längeren Solos beim Klavierstück „Impromptu“ Op. 90 Nr. 3 von Franz Schubert prachtvoll dynamisch und energievoll die lyrischen Harmonien und Melodiewendungen.
Den nächsten Liederabend gestalten Marie Heeschen und Sandra Urba am 28. April.
Die Macht des Schicksals (La Forza del Destino) von Giuseppe Verdi
Nächste Vorstellungen am 19., 24. und 26. April im Bonner Opernhaus
Verdis Oper von 1862 beruht auf mehreren spanischen Dramen und spielt zur Zeit eines Erbfolgekrieges in Europa. Absurde Schicksale in Zeiten von Gewalt und Zerstörung scheinen vor dem Hintergrund des derzeitigen Krieges in Europa im gewissen Sinne wieder aktuell. Hilflos von der Weltlage und grausamen Zufällen herausgefordert, kämpfen die Figuren um eine mögliche Gestaltung eines privaten Glücks:
Don Alvaro und Leonora sind ein Liebespaar. Doch der Sohn eines spanischen Adeligen wird von Leonoras Vater, dem Marchese di Calatrava, abgelehnt. Das Liebespaar möchte nachts fliehen, wird dabei jedoch vom Marchese überrascht. Bei der Auseinandersetzung löst sich ein schicksalhafter Schuss, der den Marchese tötet. Das Liebespaar flieht überstürzt und wird während der Flucht getrennt. Leonoras Bruder, Don Carlo di Vargas, schwört Rache. Leonora begibt sich in die Einsiedelei eines Klosters. Im Verlauf der Oper sucht und findet sich das Liebespaar inmitten der Kriegswirren wieder. Doch der Fluch von Leonoras sterbenden Vater klingt nach.

Während der Ouvertüre zeigt eine zentral platzierte Video-Projektion den fatalen Schuss aus einer Pistole. Die Kugel rotiert, schicksalhaft auf das Publikum gerichtet, langsam größer werdend. Auf Bühnenwände wird zu Beginn und während der ersten beiden Akte in großen Buchstaben das Wort „Frieden“ projiziert, während des dritten und vierten Aktes das Wort „Krieg“.
Bühnenbildner Raimund Bauer deutet die wechselnden Orte und Szenerien – unter anderem einen Schlafraum, einen Wald, ein Militärlager, ein Kloster oder einen Gasthof – mit zwei meterhohen, variabel dreh- und schiebbaren Wandelementen an. Teile der Kulisse weiten oder reduzieren den Raum so effektvoll. Das Kloster wird so durch einen Kreuzausschnitt angedeutet. Auch sonst kommt die Inszenierung mit nur wenigen Requisiten aus, wie etwa zwei Degen.
Die Statisten und der große Chor interagieren etwa als Klostermönche oder Soldaten in wechselnden Einheitskostümen. Synchrone Bewegungen der Tableaus sind präzise durchchoreographiert. Der Chor skandiert mehrfach effektvoll Kriegsparolen.
Yannick Muriel Noah singt die Leonora mit hochdramatisch expressiven Sopran. In den Piani glänzt sie lyrisch mit innigen Färbungen, wenn sie stimmlich mit zarter Intensität etwa im Kloster während des Gebetes „Pace, pace, mio dio“ auf Knien um Gnade bittet. Franco Vassallo mimt den Don Carlo di Vargas mit leidenschaftlich kraftvollen und facettenreich geschmeidigen Bariton. George Oniani verkörpert den Don Alvaro dramatisch imposant und in den Spitzentönen mit strahlendem und sattem Tenor. Mit tonschöner Kontur agiert auch Dshamilja Kaiser, die bereits zu Beginn als schwarz gewandete Schicksalsbotin mit einen Stab hörbar auf den Boden schlägt. Sie wacht als Wahrsagerin Preziosilla über das Schicksal, verführt die Soldaten im Militärlager dominant und entschlossen, wenn sie ausgelassen den Krieg während ihrer Arien „Viva la guerra“ oder „Rataplan“ feiert.
Das Beethoven Orchester spielt mit leidenschaftlicher Intensität kontrastreich unter der musikalischen Leitung von Will Humburg. Das Schicksalsmotiv und Stimmungswechsel werden klangvoll präzise intoniert. Solo-Passagen der Klarinetten, Holz- oder Blechbläser lassen filigran aufhorchen.
Der britische Regisseur Sir David Pountney komplettiert mit dieser Koproduktion mit der Welsh National Opera (Cardiff) und dem Teatro Nacional de São Carlos (Lissabon) an der Bonner Oper seine Verdi-Trilogie. Verdis sperriges Spätwerk wird an der Oper Bonn mit starken Bildern eindrucksvoll in Szene gesetzt.
Gastspielreihe „Highlights des internationalen Tanzes“ an der Oper Bonn:
La Strada von Alina Cojocaru und AC Workroom
Die rumänische Tänzerin Alina Cojocaru und die slowakische Choreografin Natalia Horečná bringen Federico Fellinis Filmklassiker von 1954 um Zirkuspoesie und Abhängigkeiten visuell eindrucksvoll auf die Bühne der Bonner Oper.
Alina Cojocaru spielt ein freigeistiges, unschuldiges und naiv-leichtgläubiges Landmädchen, Gelsomina. Dieses wird von einer verarmten Familie an den umherziehenden, mürrischen und brutalen Straßenkünstler Zampanó (Mick Zeni) verkauft. Mit einem Melonenhut macht sie während Zampanós One-Man-Show bewundernde Gesten. Gelsomina bewahrt sich trotz der Härte des Zirkusalltags ihre Güte, Hingebungsfähigkeit und ihren unverwüstlichen Enthusiasmus. Sie lernt auf dem Jahrmarkt einen sympathischeren Artisten kennen, den jonglierenden Akrobaten und Einrad fahrenden Clown Il Matto (Johan Kobborg). Zampanó, von dem Gelsomina abhängig lebt, reagiert eifersüchtig und besitzergreifend. Er misshandelt sie, reagiert aber auch auf Spötteleien seitens Il Matto mit deutlicher Härte.
Das Bühnenbild für das Zirkus-Setting wirkt sparsam und intim. Zampanó fährt ein Motorrad mit Zeltanhänger. Eine Zirkusmanege wird mit vielen Trennwänden und Vorhängen angedeutet. Auch die Kostüme, ebenfalls von Bühnenbildner Otto Bubeníček, erscheinen auf das Wesentliche konzentriert.
Die rumänische Ballerina Alina Cojocaru agiert geschmeidig mit Feingefühl für ihre Rolle. Neben bewegenden Duetten von ihr mit den beiden Partnern wird auch Gelsominas reine Innenwelt und ihre Einbildung bebildert. Zwei metaphorische Figuren (Marc Jubete, David Rodriguez) in weißen Hemden mit bauschigen, flügelähnlichen Ärmeln, begleiten Gelsomina tröstend als innere Stimmen oder idealisierte Traumgestalten. Dramaturgisch deutet die Traumebene recht raumgreifend ein Abdriften Gelsominas aus der Realität an. Cojocaru mimt auf der Realitätsebene Gelsominas Verwirrtheit in einer unbeholfenen Gangart. Ein Corps aus sechs weiteren Tänzern setzt in nicht näher bezeichneten Rollen überschwänglich Akzente.
Das zweiaktige Handlungsballett von Natalia Horečná enthält starke Szenen und konventionelle, lockere und zeitgenössische Elemente im Bewegungsvokabular. Die Choreographie wird zu Klängen einer Ballettsuite und zusätzlicher Filmmusik des italienischen Komponisten Nino Rota performt. Die Handlung bleibt stilisiert und abstrakt. Die Rollen aus dem Film werden im Ballett nicht immer ganz klar. Insbesondere ein Bruch mit der chronologisch linearen Erzählung verwirrt, wenn verstorbene Figuren plötzlich wieder erscheinen. Motive wiederholen sich. So verliert die ehrgeizige Choreografie ihren Faden. Letztlich überzeugen in der inkohärenten Produktion schließlich vor allem die tänzerischen Leistungen der Figuren, die in ihren Rollen aufgehen:
Mick Zeni, ehemaliger Solotänzer der Scala, mimt den gefühllosen Rohling Zampanó ausdrucksstark, wenn er stets auch eine verletzliche Seite des Machos andeutet. Johan Kobborg gibt seinen Gegenspieler Il Matto mit eindrücklichen Sprüngen und Leichtigkeit. Kobborg ist Alina Cojocarus langjähriger Partner auf der Bühne aber auch im Leben. Ähnlich wie Alina Cojocaru als Erste Solistin, deren Leistung hier bereits mehrfach gewürdigt wurde, war er früher ein Star des Royal Ballet.
Das nächstes Tanzgastspiel, Carmina Burana mit dem ukrainischen Ensemble Odesa National Academic Opera and Ballet Theatre, am 10. und 11. April, ist bereits ausverkauft.
Alle Fotos vom jeweiligen Abschlussapplaus (c) Ansgar Skoda