
Politiker, das sind die da oben. Diese distanzierten Menschen aus dem Fernsehen. Diese VolksvertreterInnen, die im Durchschnitt 81.262 Deutsche vertreten. Bevor wir das Bonner Duett starteten, dachten wir nicht viel anders: Ein Autogramm der Oberbürgermeisterin, ein Händedruck einer Bundestagsabgeordneten, ein Selfie mit dem Bundespräsidenten, aber mehr ist doch nicht möglich, oder? Falsch gedacht.
Im Herbst 2024 entschieden wir uns, eine Talkshow zu machen. Eine Gesprächssendung. Ein Interviewformat. Nennen Sie es, wie Sie wollen, nur nennen Sie es nicht Podcast. Ein paar Leute aus Kunst und Kultur Bonns einladen, Lokaljournalismus im Videoformat. Titel: Bonner Duett. Dann, wenn der Spätsommer kommt und man sich ein wenig eingespielt hätte, wäre es Zeit für die Bundestagswahl, und wenn wir mit unserer Sendung schon ein bisschen Renommee haben, dann würden wir die Direktkandidaten für die Bundestagswahl einladen. Doch dann entlässt der Kanzler Christian Lindner. So. Doof. Wir haben also ein bisschen Tempo gemacht, unsere Corporate-Design-Tassen schneller gedruckt und am 1. Januar die KandidatInnen in ein Format eingeladen, das es noch nicht gab. Wir mussten es ja wenigstens versuchen. Mit vielen Zusagen haben wir aber nicht gerechnet. Ganz ehrlich, ich wäre nicht gekommen, wenn mich zwei Studenten angeschrieben hätten, die nichts anderes vorzuweisen hatten als eine Website.
Bereits am Tag nach der Einladung bekamen wir die erste Zusage, und bald darauf zwei weitere. Überrascht hat uns schon damals das frühe Interesse der CDU. Zugesagt haben aber zunächst nur die kleineren Parteien, Grüne, SPD und CDU waren verständlicherweise zurückhaltender. Doch auch sie meldeten sich irgendwann an. Nur eine Partei wollte nicht zu uns: Man mache keinen Wahlkampf, in dem man Personen in den Vordergrund stellt, erklärte uns ein Vertreter des Bündnis Sahra Wagenknecht, der Partei von Sahra Wagenknecht. Dafür luden wir später noch Volt ein, eine Kleinpartei, die bei der Europawahl in Bonn 2024 mehr Stimmen holte als Linke oder AfD. So kamen wir also auf sieben Gespräche.
In den genau zwei Wochen zwischen dem ersten und dem letzten Gespräch besuchten uns also zwei Bundestagsabgeordnete – darunter eine ehemalige Juso-Bundesvorsitzende –, ein Antiquar, ein Pensionär der Erdöl-Industrie, eine Studentin, ein Bridgelehrer aus Bad Honnef und ein Professor für Virologie. Ganz so unnahbar, weit weg und ganz da oben, können Politiker also gar nicht sein.
Jeder dieser Menschen war auf der persönlichen Ebene sehr sympathisch – sowohl vor der Kamera als auch abseits davon. Zu ihren politischen Zielen wollen wir uns hier nicht äußern. Jeder kann die Gespräche schauen und sich eine eigene Meinung bilden. Der Bonner Wahlkreisgewinner ist der Virologe Hendrik Streeck ist, der während der Pandemie öfter bei Markus Lanz war als Markus Lanz. Vielleicht half ihm diese Bekanntheit auch dabei, mit einem deutlichen Vorsprung gegenüber der grünen Kandidatin Katrin Uhlig aus dem Wahlsonntag zu gehen. Trotz dieser Niederlage zieht Uhlig über die Landesliste in den Bundestag ein und wird dort weiter für Bonn arbeiten.
Bei allen pragmatischen und programmatischen Differenzen: Alle KandidatInnen haben sich bei uns im Gespräch zum Letter of Intent, also zu den Eckpunkten für eine Zusatzvereinbarung des Berlin/Bonn-Gesetzes bekannt. Wenn die Parteien auf ihre BonnerInnen hören, sollte also zumindest die Zusatzvereinbarung in jeden Koalitionsvertrag kommen. Darüber hinaus sprachen wir mit jedem über seine oder ihre Themen – denn Formate für die allgemeinen Wahlprogramme gab es in den vergangenen Tagen genug, dafür braucht es uns nicht. Wir unterhielten uns etwa mit Katrin Uhlig, die im Ausschuss für Klima und Energie sitzt, über Solarkraft, mit dem Linken Jürgen Repschläger über Mieten und Wohnen und mit Anna Heimann von der FDP über die Bildung. Und wenn wir über die Gespräche hinaus eins gelernt haben, dann ist es, dass unsere Demokratie eine Demokratie zum Anfassen und Mitmachen ist.
Zu sehen sind die Gespräche auf dem YouTube-Kanal des Bonner Duetts oder als Audio auf Spotify – wir sind aber trotzdem kein Podcast. Das Video ist aus drei Perspektiven gefilmt, das Bild ist körnig und rauscht, und manchmal möchte man am Bildschirm rütteln, um Farbfehler zu korrigieren – aber das soll so, denn so passt es gut zu den orangenen 50er-Jahre-Sesseln, auf denen wir unsere Gespräche führen, und zum Nierentisch.
Das Bonner Duett wird auch nach der Wahl weitergehen. Wir werden uns nun wirklich Gästen aus der Kunst, Wissenschaft und Stadtgeschichte widmen, aber auch mit der Politik haben wir noch nicht abgeschlossen. Und das Schöne ist: In jedem Gespräch werden andere Menschen erwähnt, die wir einladen wollen. An interessanten BürgerInnen mangelt es der Bundesstadt nämlich nicht. Und wenn Sie uns einen Gast oder eine Gästin empfehlen wollen, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an gaeste@bonner-duett.de.
Ein Gastbeitrag von Nicolas Cavagnet und Marlon Zewen, Bonner Duett
Ich finde es außergewöhnlich erfrischend, das Bonner Duett zu hören. Ein etwas anderes Konzept, recht entspannt in Retro-Atmosphäre bei leckeren, der politischen Gesinnung des Gastes entsprechend ausgesuchten Tees zu sprechen und so doch noch einige neue Aspekte der Vita der Kandidaten kennenzulernen, die man so nicht überall nachlesen kann.
Darf ruhig so weiterlaufen, freue mich auf neue interessante Gäste! DANKE