Beethovenjahr in Bonn: Das London Symphony Orchestra spielte unter der Leitung von Sir Simon Rattle Alban Bergs Dem Andenken eines Engels und Beethovens 7. Symphonie. Meistergeigerin Lisa Batiashvili war Solistin des Abends.

Reisebusse stehen vor der Bonner Oper. Der einflussreiche Reiseführerverlag Lonely Planet setzte die Geburtsstadt des Komponisten Ludwig van Beethoven anlässlich seines 250jährigen Jubiläums 2020 auf Platz fünf der weltweit lohnenswerten Reiseziele. Nicht nur das Geburtshaus Beethovens und einige Ausstellungen zu Beethoven locken in die Stadt am Rhein. Auch die Karten für das Konzert vom London Symphony Orchestra (im folgenden LSO) unter der Leitung von Sir Simon Rattle am 22.2.2020 waren schon im Vorfeld binnen weniger Minuten ausverkauft. Ashok Sridharan, Oberbürgermeister der Bundesstadt Bonn, begrüßt die Konzertbesucher, zu denen auch die NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen und Nike Wagner, Urenkelin Richard Wagners und Intendantin des Bonner Beethovenfestes, zählen. Er nennt das Konzert einen Höhepunkt im Festprogramm anlässlich des Geburtstages Beethovens. Sir Simon Rattle, der prominente Chefdirigent des Londoner Symphonieorchesters, ehemaliger Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, feierte jüngst selbst am 19. Januar seinen 65. Geburtstag. Er verbindet gerne klassische mit moderner Musik und spielte in Bonn neben Beethoven auch Alban Bergs Violinkonzert Dem Andenken eines Engels von 1935. Es folgte ein hochkarätiges Konzert voller leidenschaftlicher Energie.

Ashok Sridharan moderiert den Konzertabend mit dem London Symphony Orchestra an | Foto (c) Ansgar Skoda

Alban Berg widmete sein Violinkonzert Manon Gropius, der Tochter von Alma Mahler und ihres zweiten Ehemannes, dem Bauhausarchitekten Walter Gropius. Die Komposition gedenkt der mit 18 Jahren an Kinderlähmung verstorbenen jungen Frau, die Alban Berg aufgrund seiner Freundschaft mit ihrer Mutter nahestand. Die Tragik des sich vergeblichen Aufbäumens im Tode wird musikalisch in verschiedenen Motiven und nachdenklich stimmenden Tongebungen nachempfunden. Die farbenreichen, recht komplexen Schichten des Werkes werden durch die Londoner Musiker souverän, fließend und raumgreifend dargeboten. Die vielfach ausgezeichnete, georgisch-deutsche Violinistin Lisa Batiashvili musiziert bewegend und technisch makellos. Das Spiel der Instrumentengruppen wechselt fast unmerklich von den Streichern zu den Bläsern. Auch Tempi und Tonschritte variieren fließend. Leise Melodien erstarken. Expressiv verlagert sich das Spiel ins aufbrausende Tutti und eine dramatische Klimax. Die Reaktionen in den Zuschauerreihen auf die modern anmutende Harmonik Alban Bergs sind verhalten bis freundlich. Anschließend bietet Batiashvili zusammen mit dem LSO noch als Zugabe die eingängigere und sanftere Kantate Ich stehe mit einem Fuße im Grabe (1729) von Johann Sebastian Bach dar.

Violinistin Lisa Batiashvili, Dirigent Sir Simon Rattle mit dem London Symphony Orchestra beim Abschlussapplaus an der Oper Bonn | Foto (c) Ansgar Skoda

Nach einer Pause folgt die lang erwartete siebte Symphonie, die Beethoven 1811/12 komponierte. Rattle arbeitet die lebensbejahende pulsierende Taktung und Rhythmik und die Vielfalt musikalischer Themen und Ideen wirkungsvoll heraus. In den Orchestergruppen gibt es regelmäßig Soli einzelner Musiker unter den 95 Londoner Instrumentalisten. Das Orchester beeindruckt durch Spielfreude, technische Präzision, dynamische und voluminöse Versiertheit. Rasante Klangforcierungen und gellend überschäumende Tuttis wechseln mit klangfarbenreichen Ruhepunkten bis hin in den Pianissimo-Bereich.

Das LSO wurde 1904 als selbstverwalteter Klangkörper gegründet. Mittlerweile gibt es von dem Orchester mehr Tonaufnahmen als von irgendeinem anderen Orchester der Welt – mindestens 150 Veröffentlichungen. So spielten die Londoner zahlreiche klassische Filmmusiken ein, wie etwa zu Star Wars, The Shape of Water (2017) oder The King’s Speech (2010). Das Londoner Orchester tritt nicht nur in seiner Heimatstadt jährlich bis zu 70 Mal auf, sondern gibt auch weltweit jährlich etwa 60 Konzerte, was sich auch mit dem Brexit nicht ändern sollte. Auch der zum Ritter geadelte Liverpooler Sir Simon Rattle ist sicherlich kein Unbekannter mehr. 1980 übernahm der damals 25-Jährige die Leitung des City of Birmingham Symphony Orchestra und machte es international bekannt. 2002 wurde er dann Intendant der Berliner Philharmoniker und wechselte 2017 zum LSO. Er wurde 1994 von Elizabeth II durch den Ritterschlag geadelt und erhielt 2014 den britischen Verdienstorden von ihrer Majestät der Königin.

Ein gefeiertes Konzert mit dem London Symphony Orchestra an der Oper Bonn | Foto (c) Ansgar Skoda

Sir Simon Rattle warf seinen von der Beethoven-Jubiläums-Gesellschaft empfangenen Blumenstrauß voller Schmackes ins Publikum. Am Ende bot er zusammen mit dem LSO noch eine sanfte Komposition von Jean Sibelius als Zugabe dar.

Ein groß besetztes, mit virtuoser Brillanz dargebotenes Konzert eines weltberühmten Orchesters, das noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Sir Simon Rattle dirigiert übrigens vom 5. bis zum 7. März Beethovens selten gespieltes Oratorium Christus am Ölberg in der Berliner Philharmonie. [Alle Fotos (c) Ansgar Skoda]

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