Essen und Trinken

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Viel später als geplant, aber noch rechtzeitig, bevor der bekannte Das-kann-man-ja-immer-noch-machen-Effekt siegt, waren wir am Sonntag in der Ausstellung „Is(s) was?! Essen und Trinken in Deutschland“ im Haus der Geschichte. Hier ein paar persönliche Eindrücke ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Zur Einstimmung gibt’s einige Kochbücher aus allen Epochen menschlich-kulinarischer Tätigkeit zu sehen, unter anderem das „Dr.-Oetker-Schulkochbuch“ von 1911.

Wer arbeitet, muss essen (ja ich weiß, wer nicht arbeitet, auch). Und wo isst der Werktätige? In der Kantine. Darum wird dieser wichtigen betrieblichen Einrichtung auch ein angemessener Platz eingeräumt. Wen wundert’s: Immer noch beliebtestes Kantinengericht ist die Currywurst, was ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann: gibt’s die in unserer Kantine, erzeugt sie die mit Abstand längste Schlange. Wussten Sie, dass die Currywurst in der VW-Kantine zu Wolfsburg so begehrt ist, dass sie auch außerhalb der Werksmauern verkauft wird? Angeblich hat VW bereits mehr Currywürste verkauft als Golfs!

Die Entwicklung vom Tante-Emma-Laden zum Supermarkt wird dargestellt, bis hin zu den Geheimnissen supermärktlicher Verkaufspsychologie: Die teuren Waren befinden sich immer in Sichthöhe und die beiden Enden eines Supermarktregals sind stärker frequentiert als die Mitte. Da lernt man noch was für das persönliche Budget.

Erinnert wird an die bekannt gewordenen Lebensmittelskandale, Glykolwein etwa oder BSE-Rindfleisch. Immer wieder erstaunlich, nein erschreckend, wie schnell man manche Sachen vergisst und weiterisst/-trinkt.

Des Deutschen liebstes Getränk – nein nicht das Bier sondern der Kaffee – hat eine eigene Nische. In den Siebzigern kam es in der DDR fast zu einem Volksaufstand, weil die Staatsführung dem Volk eine minderwertige Kaffeemischung zumuten wollte, woraufhin Erich und seine Genossen einen Rückzieher machten und dem Volk weiterhin vollwertigen Bohnenkaffee zugestanden. Wer weiß, vielleicht hätten wir die Wende sonst schon früher erlebt. Überhaupt ist die ehemalige DDR gut in der Ausstellung vertreten, nicht nur mit Rotkäppchen-Sekt und Spreewaldgurken.

Besonders beeindruckend fand ich den Raum, in dem der Hunger des Nachkriegswinters 1947/48 in Kontrast gestellt wird zu den wahnsinnigen Mengen an Brot, die in Deutschland (und nicht nur hier) täglich vernichtet werden, weil sie nicht verkauft wurden. Immerhin, ein Bäcker, ich glaube aus Herne, lässt das unverkaufte Brot nicht mehr auf die Deponie fahren, sondern verfeuert es zusammen mit Holzpellets, womit er wiederum seine Backöfen beheizt.

Auch der religiöse Aspekt der Nahrungsaufnahme wird thematisiert: koschere Speisen, Ablehnung von Alkohol und Schweinefleisch, Fastenzeit und kein Fleisch an Karfreitag. Eine Portion Manna sah ich allerdings nicht. War vielleicht nicht so einfach aufzutreiben und soll sich ja auch nicht so lange halten.

Was mir persönlich etwas zu kurz kommt ist die typisch deutsche Geiz-ist-geil-Mentalität beim Kauf von Lebensmitteln, welche beispielsweise in Frankreich überwiegend unbekannt ist. Hauptsache es macht satt, selbst wenn es der letzte Fraß ist. Andererseits – wie soll man das in einer öffentlich finanzierten Ausstellung darstellen ohne eine Klage der Lebensmittelindustrie zu riskieren? Immerhin, interessant sind die Vergleichsbilder Verpackung und Inhalt bei Fertiggerichten. Was laut Abbildung anmutet wie eine von Mutter zubereitete Rostbratwurst an Rotkohl und Stampfkartoffeln, ist innen ein unappetitliches Dreikammergericht mit Farbstoffen, Konservierungsmitteln und Geschmacksverstärkern aus der bekannten E-Klasse.

Das war wie gesagt nur eine subjektive Auswahl. Es gibt noch viel mehr zu sehen, hören und sogar riechen. Die Ausstellung ist noch bis zum 12. Oktober geöffnet, einen Besuch kann ich sehr empfehlen. Weiterhin empfehle ich, dort „abgegessen“ hinzugehen, hinterher hatte ich deutlichen Heißhunger auf Currywurst.

Foto: Carsten Kubicki

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