Tu? Tu? Piccolo iddio!“ Himmlische Töne, ein Lufthauch mit einem dramatischen Abschied präsentiert die Sopranistin Anna Princeva höhensicher und souverän in der Rolle der Madame Butterfly (letztmals zu sehen am 7.3.).
Ein amerikanischer Marineoffizier ehelicht in Giacomo Puccinis Opernklassiker in Nagasaki die Titelfigur, eine Geisha-Kindfrau.
Barbara Vinken schreibt 2023 in einer Monografie über Opernklassiker zur legendären Figur der Cio-Cio-San:

Im Strahlen ihrer Leidenschaft, dem Strahlen ihres Leidens stellt die Butterfly mit ihrem sagenhaften, durchschlagskräftigen Sopran des lyrico spinto noch die beiden großen, beherrschenden Figuren der Opernbühne in den Schatten, mit denen sie verglichen wird: Wagners Isolde und Verdis Kameliendame.“ (Barbara Vinken, Diva. Eine etwas andere Opernverführerin, S. 288)

Mark Daniel Hirsch leitet die stilvolle, atmosphärische Wiederaufnahme an der Oper Bonn szenisch.

Von Fernweh, unterschiedliche Kulturen und Fremdheit, die sich im stimmlich hohen Gesang ausdrückt, erzählt auch eine andere Produktion der aktuellen Spielzeit, die Oper Flight.

Flight von Jonathan Dove, nächste Vorstellungen am 15. und 24. März

Reisende und ihre Sehnsüchten am Flughafen in Paris wurden bereits als Thema in Angela Schanelecs vielstimmigen Episodenfilm Orly (2010) behandelt. Um Grenzerfahrungen, das Warten an einem Ort mit Bewegungen und Abläufen, Alltagserfahrungen an Abfertigungshallen und einen Transitraum geht es auch in Jonathan Doves Flight (1998; dt. auch für Flucht und das Davonlaufen).

Der Dreiakter des Opernkomponisten, beruhend auf einem Libretto der britischen Dramatikerin April De Angelis, spielt an einem Tag. Die Mischung zwischen Boulevardstück und Reality-Soap behandelt hochfliegende Träume. Regisseurin Adriana Altaras zeigt die Oper in Bonn mit vielen choreographischen Elementen und einer stimmigen und spannenden Personenführung. Dirigent „Captain“ Daniel Mayr begrüßt aus dem Off im Namen der Crew. Auf Christoph Schubigers Bühne ist ein Terminal inklusive WC-Raum, Getränke- und Snackautomat und Panoramafenstern. Nina Lepilina kleidet die Figuren in farbenfrohe und auf unterschiedliche Typen abgestimmte Kostüme. Rasmus Rienäcker projiziert Videoaufnahmen von Flugsteigen, abgefertigten Flugzeugen und der Startbahn am Flughafen Köln/Bonn, von Wolken und von surrealen Traumszenen im Bühnenhintergrund. Auf einem erhöhten Ausguck ist eine Controllerin (Sopranistin Sophia Theodorides) platziert, welche die Flüge ansagt und das Geschehen kommentiert und bewertet. Auf Wartebänken sitzt ein Refugee, der betteln muss (Countertenor Benno Schachtner) und eingangs mit der Controllerin ein Duett beginnt.

Dove, dessen Oper Marx in London 2018 in Bonn uraufgeführt wurde, hatte mit Flight einen Achtungserfolg; das 1998 uraufgeführte Werk wird nun mit Bonn als Aufführungsort weltweit das einundvierzigste Mal inszeniert.

Es treten in charmant-unterhaltsamen Episoden drei Paare und vier Einzelpersonen auf. Ein Unwetter verzögert den Flugverkehr und bringt die Routine durcheinander. Die Vorführung behandelt den Schwebezustand des Wartens zwischen Wirklichkeit und Traum. Es gibt komische Momente, die Wartenden zeigen sich nahbar und menschlich, wenn sie über ihr Leben reflektieren. Monologe lassen Zweifel, Hoffnungen und Sehnsüchte erkennen.

Die Oper ist inspiriert vom Schicksal des Flüchtlings Mehran Karimi Nasseri, der 1988 aus seiner Heimat Iran floh und ohne Papiere am Pariser Flughafen 18 Jahre ausharrte und dort – nach Aufenhalten u.a. in einem Obdachlosenheim – im Alter von 76 Jahren 2022 verstarb. Dove und De Angelis zeigen einen namenlosen und mittellosen Flüchtling auf dem Flughafengelände. Dem Figurenpersonal gehören außerdem an: ein Steward und eine Stewardess, das junge Paar Tina und Bill, ein Diplomat und seine hochschwangere Gattin, und eine ältere Dame, die auf ihren jungen Liebhaber aus Mallorca wartet. Impulse gipfeln in Eskapaden und Ausschweifungen.

Benno Schachtner mimt die Sonderrolle des Flüchtlings mit feinem, warmen, höhensicher-schlanken Countertenor. Er singt ausdrucksstark und klar in den hymnischen Passagen, auch als ihm übel zugesetzt wird. Bemerkenswert präsent in der Intonation, klar und klangschön in den Konturen ist Sophia Theodorides in der Rolle der Controllerin und Fluglotsin. Carl Rumstadt mimt den Stewart eindringlich mit souveränen, profiliertem Bariton und bemerkenswertem körperlichen Einsatz. Das zusammen mit Tenor Samuel Levine in der Rolle des Bill gesungene „High“ bleibt unvergessen. Ava Gesell gefällt als Tina mit koketter Leichtigkeit und kesser Zickigkeit. Zu guter Letzt sei auch Mezzosopranistin Sarah Mehnert in der Rolle der Diplomatengattin erwähnt, die zu Höchstformen in den dramatischen Höhen aufläuft und betörend spielt. Volltönende Gesangspartien ergänzen sich in wechselnden Duetten und Ensembles.

Daniel Johannes Mayr dirigiert das Beethoven-Orchester souverän mit Verve. Feine Klangteppiche münden abwechslungsreich changierend in schillernd pulsierende Dramatik. Die farbige Musik reißt in melodiösen Bögen mit, setzt mit Tempowechseln, flotten und komischen Elementen Akzente. Doves eingängige, oft tonale und repititive Minimal Music verbreitet zuweilen mit aufpeitschendem Schlagwerk und rhythmusbetonten Blasinstrumenten Musical-Feeling.

Adriana Altaras inszeniert Flight unterhaltsam als Oper über elementare Dinge; voller Leichtigkeit und mit einem guten Gespür für Pointen und Brechungen.

Die Kinder von Lucy Kirkwood, nächste Vorführungen am 15. und 21. März

Lucy Kirkwood inspirierte zu ihrer leichtfüßigen Komödie das Beispiel einer pensionierten Belegschaft, die 2011 nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima zurückkehrte, um die Anlage aufzuräumen. Neben anfangs adressierten Themen wie Altern, der Ehe, sexuellen Rivalitäten geht es später insbesondere um das katastrophale Eingreifen des Menschen in die Natur, aber auch um Verzicht für mehr Klimaschutz. Die Aufführung, die Fragen zur Generationengerechtigkeit, Moral, Schuld, der Verantwortung und der Lebenserwartung adressiert, zieht einen besonderen Suspense auch aus kurzen Schreckmomenten der Schwachheit aller drei Figuren. Jan Neumann und sein Team zeigen Kirkwoods pointiertes Drama liebevoll angereichert um witzige Ideen und sehenswerte Details. Zur Besprechung

Die Legende von Paul und Paula von Ulrich Plenzdorf, nächste Vorführungen am 28. Februar, 8., 17. und 21. März

Die Aufführung im Bad Godesberger Schauspielhaus erzählt die Geschichte von Heiner Carows gleichnamigen Kultfilm von 1973, einer der erfolgreichsten Filme der DDR. Paula beginnt eine leidenschaftliche Affäre mit dem verheirateten Familienvater Paul. Motive der Vorlage wie das Segel-Setzen, das schnelle Fahren und das Werden und Vergehen von Liebe, die ganzen Ambivalenzen und das Träumerische von Gefühlen gestaltet Roland Riebeling eindrücklich. Insgesamt ein gelungener Theaterabend voller Melancholie und Schwermut, aber auch mit viel Kraft und Optimismus. Zur Besprechung

Unplugged von Simon Solberg, nächste Vorführungen am 13. und 30. März

Ausgewählte Akteure singen Hits aus Produktionen vergangener Spielzeiten, wobei auch einige Songs aus künftigen Inszenierungen oder Lieder um ihrer selbst willen dargeboten werden. Alle Songs werden stimmungsvoll von Live-Musiker Philip Breidenbach an der Gitarre und den Percussions begleitet. Tatsächlich sind die sechs auftretenden Darsteller erstaunlich gut bei Stimme. Zur Besprechung

Nora oder ein Puppenhaus nach Henrik Ibsen, nächste Vorführungen am 10., 16. und 20. März

Ibsens Klassiker wurde häufig neu betrachtet und neu gedeutet. Charlotte Sprenger, die am Theater Bonn Nora oder Ein Puppenhaus neu inszeniert, ist bereits vertraut mit modernen Überarbeitungen des norwegischen Werkes. Ibsens Drama handelt von der Anpassung an Konventionen, unterdrückter Wut und der sozialen Stellung der unterschiedlichen Geschlechter. Das Abwägen über Geld, Moral und Verzicht bestimmen den Alltag der Figuren. Zur Besprechung

Highlights des internationalen Tanzes: Als nächstes FND – Afterballetto aus Italien am 12. und 13. März in der Oper Bonn

Zuletzt besuchte ich das Programm CUBAN ECLECTICO, ein Gastspiel des kubanischen Ensembles Acosta Danza im Bonner Opernhaus, bei dem der Kompaniegründer Carlos Acosta mit fünf anderen Choreografen zusammen arbeitete. Es wurden fünf Stücke geschaffen, die von der kubanischen Kultur inspiriert sind.

Auch sah ich das Stück Floating Flowers mit der taiwanesischen Kompanie B.Dance, im Januar zu Gast an der Oper Bonn. Es ist von einer buddhistischen Zeremonie inspiriert und wurde von acht Tänzern in weißen, bodenlangen, dünnen, tutu-ähnlichen Tüllröcken vor schwarzem Hintergrund. dargeboten.

Quatsch keine Oper, als nächstes mit Köbes Underground am 27. April

Im Januar war Lisa Eckhart an zwei ausverkauften Abenden in der Oper Bonn zu Gast mit ihrem Programm Kaiserin Stasi die Erste. Die wohl bekannteste österreichische Kabarettistin polarisiert, scheut keine Kontroverse und ist merklich auf Zack. In ihren doppelbödigen Witzen und Sprachspielereien zeigte sich die heute 31-Jährige mitunter schnoddrig kokett.

Weiterhin im Programm:

Der nackte Wahnsinn von Michael Frayn, nächste Vorstellungen am 2. und 28. März

Der nackte Wahnsinn des Briten Michael Frayn von 1982 reflektiert das Medium Theater. Das Chaos einer Generalprobe und späteren Premiere wird dargeboten. Sascha Hawemann zeigt im ersten Teil den gestressten Regisseur bei der letzten Probe vor der Premiere und lässt einige Szenen spielen, die schnell unterbrochen werden. Frivole Andeutungen des Stückes gehen über in Ausrutscher der Akteure. Darsteller widersetzen sich bewusst dem mitunter unfairen Regisseur, wichtige Akteure tauchen zu spät auf, Auftritte oder Abgänge werden verpasst oder verpatzt, wichtige Requisiten fehlen, werden liegen gelassen oder mit etwas grundsätzlich anderem ersetzt. Zur Besprechung

Wir wissen, wir könnten und fallen synchron nach Yade Yasemin Önder, nächste Vorstellung am 1. März

Der Theaterabend widmet sich einer Coming-of-Age Geschichte einer jungen Frau, die eine problematischen Familiengeschichte mit einem schwer übergewichtigen, früh verstorbenen Vater verarbeitet. Sie verinnerlicht das Schönheitsideal Schlankheit und entwickelt ein gestörtes Verhältnis zum Essen. Auf der Bühne werden, ähnlich wie in dem Roman, assoziativ durch die Erzählzeit des Romans springende Miniaturen dargeboten. Regisseurin Emel Aydoğdu strukturiert in der Werkstatt Yade Yasemin Önders Roman durch wechselnde Monologe und Dialoge der Darsteller, die alle auch die Ich-Erzählerin des Romans verkörpern. Zur Besprechung

Woyzeck von Georg Büchner, nächste Vorstellungen am 29. Februar, 1. und 22. März

Sarah Kurze findet am Theater Bonn schöne Bilder für das frühe soziale und moderne Drama von Georg Büchner, das auf dem realen Kriminalfall des Johann Christian Woyzeck (1780–1824) beruht. Ausweglos scheint die Isolation Woyzecks: Dreimal zeigt die junge Regisseurin in einem Zwischenspiel mit choreographisch sich wiederholender Pantomime ein Bild der sozialen Kälte, Beziehungslosigkeit und Entfremdung: Alle Figuren gehorchen wie mechanisch ihren eigenen routinierten Bewegungen, ohne Woyzeck zu beachten, der rastlos und sorgenvoll um sie kreist und sie ungläubig anstarrt. Zur Besprechung

Fabian oder Der Gang vor die Hunde nach Erich Kästner, nächste Vorstellung am 7. März

Erich Kästner beschreibt in seinem Großstadtroman Fabian (1931) das glamouröse Leben der Bars und Bordelle im Berlin der Goldenen Zwanziger. Er porträtiert das Lebensgefühl seines sensiblen Titelhelden in der gesellschaftlich-politischen Umbruchsituation der damaligen Zeit. Am Theater Bonn inszenierte nun Gastregisseur Martin Laberenz Kästners Roman über moralischen Verfall und den einhergehenden Zerfall der Weimarer Demokratie. Er setzt dabei viel auf Schauwerte, ohne jedoch die politische Dimension von Kästners Roman anzudeuten. Zur Besprechung

Was fehlt uns zum Glück? nach dem Fra­ge­bo­gen von Max Frisch, nächste Vorstellungen am 23. und 27. März

Es ist ein Wag­nis, Max Frischs kri­ti­sche Selbst­be­fra­gung aus sei­nen Ta­ge­bü­chern auf die Büh­ne zu brin­gen; er schrieb dar­an in den Jah­ren 1966 bis 1971, sie er­schie­nen kom­plett erst­mals 2019. Am Thea­ter Bonn ge­lingt die Ad­apt­a­ti­on in Teilen.

Re­gis­seu­rin Kat­rin Plöt­ner lässt die Ak­teu­re elf Fra­gen­kom­ple­xe Frischs an­hand aus­ge­wähl­ter Fra­gen vor­stel­len. An­fangs herrscht ei­ne ge­wis­se Auf­ge­räumt­heit in Bet­ti­na Pom­mers Büh­nen­bild. Büh­nen­wän­de und Bo­den sind wie Ba­de­zim­mer­flie­sen ge­ka­chelt. Das wei­ße Ka­chel­mus­ter mit dun­kel­blau­en Strei­fen wie­der­holt sich auch auf den Re­qui­si­ten; Ele­men­te wie Qua­der, Wür­fel, Drei­ecke spie­geln das Mus­ter. Die fünf Ak­teu­re tra­gen an­fangs al­le kor­re­spon­die­ren­de Kos­tü­me von Jo­han­na Hla­wi­ca, de­rer sie sich teils nach und nach ent­le­di­gen. Auch Ewa Góre­ckis ef­fekt­vol­le wa­ckeln­de Licht­pro­jek­ti­on auf die Büh­ne va­ri­iert das Mus­ter. Zur Be­spre­chung

Alle Fotos vom jeweiligen Abschlussapplaus (c) Ansgar Skoda

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