Der Dokumentarfilm „Love & Justice: In the Footsteps of Beethoven’s Rebel Opera“, der am Sonntag in Bonn seine Deutschlandpremiere feiert, handelt von Beethovens einziger Oper Fidelio, die ein musikalischer Schrei nach Freiheit und Gerechtigkeit ist.
Vor zehn Jahren begab sich der kanadische Filmemacher Kerry Candaele auf eine Reise rund um den Globus, um das künstlerische Erbe und die andauernde Kraft von Ludwig van Beethovens Musik zu erkunden. Seine Reise führt ihn nach Chile, wo er sich 45 Jahren nach dem Militärputsch auf eine künstlerische Spurensuche begibt für „Love & Justice“, den zweiten Teil seiner Beethoven Hero Film Triologie.
In der chilenischen Hafenstadt Valparaiso verwebt sich die Erzählung von „Fidelio“ auf wundersame Weise mit der Geschichte der Butoh-Tänzerin María Belén Espinosa Peña und ihres ermordeten Großvaters, dem chilenischen Komponisten Jorge Peña Hen.
Der Film verbindet Beethovens eigene Suche nach Liebe und Gerechtigkeit mit den erschütternden, aber auch inspirierenden Geschichten derer, die von dem Militärputsch direkt betroffen waren, und den nachfolgenden Jahren der politischen und kulturellen Unterdrückung unter der Diktatur von Augusto Pinochet.
Butoh ist eine zeitgenössische japanische Tanzform, die in den späten 1950er Jahren geboren wurde. Ankoku Butoh bedeutet wörtlich „Tanz der Finsternis“.
Chile – 50 Jahre nach dem Putsch
Am 11. September 1973 wurde der demokratisch gewählte chilenische Präsident Salvador Allende durch einen Militärputsch gestürzt. Nahezu fünf Jahrzehnte später reist Kerry Candaele nach Chile, um einen Film über Beethovens Befreiungsoper Fidelio zu drehen.
Die Oper handelt von dem politischen Gefangenen Florestan, der zu Unrecht eingekerkert ist, aber schließlich von seiner Frau Leonore, als Gefängniswärter verkleidet, befreit und vor dem Tod gerettet wird.
Candaeles wirbelnde, zutiefst poetische musikalische Erzählung verknüpft Beethovens Meisterwerk kunstfertig mit den parallelen Geschichten des inhaftierten Florestan und des ermordeten chilenischen Komponisten und Dirigenten Jorge Peña Hen.
Letzter war ein berühmter Musikpädagoge und der Gründer des ersten Kinder- und Jugend- Symphonieorchesters in Lateinamerika. Er lebte in der Küstenstadt La Serena und war mit der Pianistin Nella Camarda verheiratet. Das Paar hatte zwei Kinder, María Fedora and Juan Cristián. Nach dem Putsch wurde Peña Hen unter dem Vorwurf verhaftet, an der Beschaffung von Waffen beteiligt gewesen zu sein und diese in Instrumentenkoffern versteckt zu haben. Am 16. Oktober 1973 wurde er durch die berüchtigte Caravan of Death, ein Todessquad der chilenischen Armee, hingerichtet.
Der Film begleitet seine Nachkommen, seine Tochter María Fedora und die Butoh tanzende Enkelin, die ihren Großvater in ihrer Kunst wieder aufleben lassen will. Sie wird so zu einer eindrucksvollen Protagonistin in der site-specific Fidelio Inszenierung mit jungen chilenischen Musiker:innen und Sänger:innen und dem renommierten Folklore-Ensemble Napalé. Candaele insziniert die Befreiungsoper in einem verlassenen Pferdestall auf dem „Gefängnisberg“ (Cerro Cárcel). Hier befand sich einst ein Staatsgefängnis, in dem Opfer des Pinochet Regimes gefoltert wurden. Das Gefängnisgebäude beherbergt heute ein Kulturzentrum, das Ex Cárcel Parque Cultural.
Ein Film für unsere unruhige Zeit
Love & Justice ist tragisch und schmerzhaft, aber letztlich menschlich und hoffnungsvoll, weil die Sehnsucht nach Liebe, Freiheit und Gerechtigkeit triumphiert. Der Film berührt durch die poetischen Momente, ausdrucksvollen Tanzelemente und starken weiblichen Charaktere, sehenswert auch für ein nicht typisch klassisches Musikpublikum. Love & Justice lädt ein, unsere geteilte Menschlichkeit und die verbindende universelle Kraft der Musik zu entdecken, für die Freiheit und das Leben, Frieden und Versöhnung – und ist damit hochaktuell.
Candaeles persönliche, einfühlsame Erzählstimme, die intensive und facettenreiche Filmsprache und suchende Kameraführung erinnern an das französiche Nouvelle Vague Autorenkino. Der Regisseur, Produzent und Autor, der in Vancouver geboren und in Kalifornien aufgewachsen ist, hat mehrere preisgekrönte Filme produziert, darunter „Wal-Mart: The High Cost of Low Price“ und „Iraq For Sale“. Zudem arbeitete er mit seinem Bruder Kelly an dem Dokumentarfilm „A League of Their Own“ über die Geschichte ihrer Mutter, die eine Baseballspielerin in der All-American Girls Professional Baseball League war. Diese Dokumentation wurde später in dem gleichnamigen 1992 Hollywood-Film verfilmt mit Tom Hanks, Madonna und Geena Davis in den Hauptrollen.
In seiner Beethoven Hero Dokumentarfilm Triologie möchte er Geschichten über die anhaltende Wirkung von Beethovens Werken erzählen, die Art und Weise, wie sie in uns leben, und oft Grenzen überwinden. Nach Following the Ninth über die weltweite Strahlkraft von Beethovens 9. Sinfonie, erzählt der zweite Film Love & Justice die Geschichte von Fidelio und Chilenen, die trotz politischer Unterdrückung ihre Hoffnung nicht aufgaben. Der letze Teil Last Will & Testament wird sich mit Beethovens späten Streichquartetten beschäftigen, so Candaele.
Premiere des Dokumentarfilms “Love & Justice” in Anwesenheit des Regisseurs
Sonntag, den 18. Februar 2024, um 11 Uhr
REX Lichtspieltheater, Frongasse 9, 53121 Bonn