„Der Traum ein Leben“ von Walter Braunfels ist an der Oper Bonn ein Theaterereignis der besonderen Art. Mit einer schrägen Ideenflut, szenischer und visueller Opulenz inszeniert Jürgen R. Weber die Oper als bizarres Gesamtkunstwerk voller Märchenmotive. Gleichzeitig ist sie als ein Läuterungsdrama angelegt, in dem der Protagonist am Ende aus seinem Albtraum erwacht und dann in der Wirklichkeit Entscheidungen trifft.
Walter Braunfels (1882-1954) war als Gründungsdirektor der Kölner Musikhochschule eine Größe im Musikleben der Weimarer Republik. Der Rassenwahn der Nationalsozialisten führte 1933 zur Entlassung des Komponisten aus seinem Amt. Als „entartet“ werden seine bis dahin viel gespielten Kompositionen verfemt. Braunfels führt fortan in einer Art inneren Emigration ein zurückgezogenes Leben in Bad Godesberg. In der von den Nazis aufgezwungenen Untätigkeit erstellte Braunfels nun 1937 das Libretto zu „Der Traum ein Leben“ nach einem Schauspiel von Franz Grillparzer, das wiederum ältere Stoffe von Voltaire und Calderon verarbeitet. Die Bonner Oper entdeckt die Oper nach der szenischen Erstaufführung 2001 in Regensburg nun wieder. In der Neuinszenierung schwingt die Werkgenese jedoch kaum mit, da Anspielungen auf die NS-Zeit ausgespart bleiben. Es bedarf jedoch auch keiner expliziten Verweise, da der Bezug zur Entstehungszeit inhaltlich sehr deutlich wird.
Gefangen im Lebenstraum
Der Jäger Rustan (Endrik Wottrich) ist unschlüssig, ob er Mirza (Manuela Uhl), die Tochter eines Landbesitzers heiraten möchte oder sich zu Höheren berufen fühlt. Sein Diener Zanga (Mark Morouse) bestärkt ihn darin, in der Welt das Abenteuer suchen. Doch bevor er in die Welt hinauszieht, gönnt er sich auf die Bitte Mirzas hin eine Nacht Bedenkzeit. In dieser Nacht erlebt er Abenteuer, die ihn anspornen, aber auch ängstigen und ernüchtern. In traumhaften Gestalt-Modifikationen begegnet er Figuren seines realen Lebens wieder. Der angehende Schwiegervater (Rolf Broman) ist im Traum ein König, Mirza eine Prinzessin. Er träumt auch, wie er, angestachelt und verführt von Zanga, zum anmaßenden Lügner, zum Königsmörder und schließlich zum Despoten wird. Rustan muss zum Dolch und zum Giftbecher greifen und der Traum wird so mehr und mehr zum Albtraum. Nach dem Aufstieg zum Herrscher stürzt Rustan schon bald schnell wieder ab.
Ein bildgewaltiges Traumszenario
Im Vor- und Nachspiel erscheint das einfache Landleben nicht glaubhaft inszeniert. Die Figuren spielen in schwarzen Alltagsklamotten vor einer Kulissenwand, die von der Rückseite zu sehen ist. Mit einer bildgewaltigen Kulisse (Hank Irwin Kittel) aus dunkelblauen kubistisch und expressionistisch anmutenden Elementen und bizarr-phantasievollen Kostümen (Kristopher Kempf) wird der Schwerpunkt der Inszenierung auf die Traumwelt gelegt. Der König hat vier Arme (Rolf Broman wird hier von der Statistin Katharina Wilting unterstützt), als Reittiere für das Prinzenpaar dienen ein Nashorn und ein Flusspferd, es gibt diverse Kampfgetümmel und Feuer aus Bodenplatten. Wenn die Märchen-Prinzessin auf einem hohen Rollpodest hereinschwebt, werden die Schleier ihres Kostüms von sieben gelben Gasballons meterhoch über ihren Kopf gelupft. Auch verschiedene Nebenfiguren sind theatralisch phantasievoll angelegt. So führt eine plötzlich auftauchende Alte (Anjara I. Bartz) ein Kabinettstückchen vor, wenn sie mit schlankem Mezzosopran operettenhaft in Sprechgesang verfällt und dabei fliegend rasch Raumwechsel durch Schranktüren vollführt. Zwischendurch ist immer wieder Rustans Bett zu sehen. So vergisst der Zuschauer nicht, dass gerade ein Traumgeschehen dargeboten wird.
Ideen und Effekte manchmal zu bezuglos und banal
Kurze ironisierende Szenenkommentare, die regelmäßig zwischen den Übertiteln und der Bühne projiziert werden, wirken oft platt oder lapidar und lenken vor allem von Geschehen ab. Diese hätte sich die Inszenierung lieber erspart.
Auch gesanglich gab es Enttäuschungen. Während Manuela Uhl höhensicher, frei schwebend und klangfarbenreich die Partien der Prinzessin meistert, übersteigen Endrik Wottrich scheinbar die Erfordernisse der Heldentenor-Partie. Sein robuster Tenor bleibt farblos und stumpf. Eine elegante Legato-Stimmführung wäre weniger kraftmeiernd, könnte jedoch Empfindungen vielleicht besser ausdrücken. Mark Morouse überzeugte hingegen in der Rolle des Zanga stimmlich im volltönenden, kernigen Bass-Bariton. Obwohl Braunfels Kompositionen subtil und von spröder Klanglichkeit wenig dramatisch motivierte Klangmomente bieten, meistern Chor und Orchester sie angenehm präsent und präzise. Dynamische, satte Streichgrundierungen und viele solistische Holzbläser-Passagen setzen dezent Akzente.
Insgesamt ist die Inszenierung von Braunfels Oper eine aufregende und bildgewaltige Bereicherung für die aktuelle Spielzeit des Bonner Theaters. Bleibt zu hoffen, dass es weitere Inszenierungen von „Der Traum ein Leben“ geben wird. Vielleicht könnten sich solche dann an eine politischere Lesart der Oper heranwagen.
Weitere Aufführungstermine: 7., 11., 30. Mai 2014
Alle Bilder: Barbara Aumüller ©
Sendetermine:
WDR 3 – WDR Bühne: 22. Juni 2014, 20:05h
SWR: 13. Juli 2014 (Uhrzeit wird noch bekanntgegeben)
Diese Theaterbesprechung erschien erstmals am 21. April bei Kultura Extra.
Weitere Infos siehe auch auf der Homepage des Bonner Theaters.
RT @bundesstadt: Vom Albtraum in die innere Emigration – @Theater_Bonn zeigt Oper „Der Traum ein Leben“ von Walter Braunfels – http://t.co/…
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