„Kill your Darlings – Junge Wilde“ (USA, 2013) ist eine bewegende Coming of Age-Geschichte, die auf tatsächlichen Begebenheiten beruht. Junge College-Freunde gehen, eigenen Unsicherheiten zum Trotz, ihrer Leidenschaft für eine Kulturrevolution nach und läuten damit die Beat Bewegung ein.
Diese Kinokritik erschien zum Filmstart am 30.01.14 erstmals auf Kultura Extra.
„Kill your Darlings“, so heißt nicht nur ein originelles und wortgewaltiges Theaterstück von René Pollesch über soziale Netzwerke, dass 2012 an der Volksbühne in Berlin uraufgeführt wurde und seitdem dort ein Publikumsmagnet ist. Ähnlich aufregend und unterhaltsam ist auch John Krokidas gleichnamiges Regiedebüt über einen universitären Kreis junger Männer, die später als literarische Begründer die amerikanische Beat Generation prägen werden. Während Pollesch theatral zu einem Abschied von den leeren Versprechungen und „Lieblingsszenen“ des Kapitalismus aufruft, versuchen auch die Figuren in Krokidas Film alten Literaturklassikern etwas Neues entgegenzusetzen. Doch „Lieblingsszenen“ findet man natürlich auch in diesem Film.
Denn gleich zu Beginn tanzt Daniel Radcliffe beim Hausputz schwungvoll mit einem Besen zu wilden Jazzklängen. Ein höchst origineller Verweis auf seine Rolle als Zauberer Harry Potter (2001-2011), die seinen Starruhm begründet. Er spielt den 18-jährigen Allen Ginsberg, der die bedrückende Enge seines Elternhauses mit einer psychisch labilen Mutter (Jennifer Jason Leigh) und einem selten anwesenden Dichter-Vater (David Cross) verlässt, um an der Columbia University in New York zu studieren. Bei einer Bibliotheksführung lernt er Lucien Carr (Dane DeHaan) kennen, der aus frivolen Werken Henry Millers zitiert, die für die Studierenden eigentlich gesperrt sind. Er bewundert den selbstbewussten und faszinierenden Kommilitonen. In seinem Literaturseminar trifft Allen Lucien wieder und bald ziehen beide gemeinsam durch Jazzclubs und schließen sogar Blutsbrüderschaft.
Die vorliterarische Zeit der sogenannten Beatniks
In den Jazzclubs begeistern farbige Musiker auf der Bühne ihr Publikum und schwule Männer treffen sich trotz Verhaftungsgefahr in Hinterzimmern. Lucien führt Allen hier in einen unkonventionellen Zirkel gleichgesinnter Literaturfreunde ein. Neben dem literarisch begabten Ex-Marinesoldat (Jack Huston) lernen beide auch William S. Burroughs (Ben Foster) kennen. Die von der Underground-Szene von Greenwich Village befeuerte Aufbruchsstimmung nutzt Lucien dazu, die Freunde für seine Vision einer Kulturrevolution zu begeistern. Es kommt zu nächtlichen Bootstouren und Einbrüchen in die Giftschränke der Bibliothek. Doch bald schon werden der kreative Rausch nicht nur von Jacks Ehefrau Edie Parker (Elizabeth Olsen) gestört, sondern auch durch Luciens älteren und eifersüchtigen Verehrer (Michael C. Hall), der Lucien mehr und mehr unter Druck setzt. Als Allen erkennt, dass es in seiner Beziehung zu Lucien doch auch die eine oder andere Grenze gibt, wird die kreative Kameradschaft der Gruppe bereits von zahlreichen Spannungen und Konflikten belastet. Nichts davon lässt allerdings erahnen, dass am Ende ein Mord die Freundschaften der Kreativköpfe auf die Zerreißprobe stellt.
Experimentierfreudige Ideen und Anspielungen auf frühere Genres
John Krokidas Regiedebüt, dass eine kulturästhetische Bewegung namens „The New Vision“ thematisiert, scheint selber inspiriert vom Freiheitsgefühl der französischen Nouvelle Vague und erinnert an frühere Genres wie den amerikanischen Film noir. Zu den zahlreichen filmischen Einfällen zählen parallel nebeneinander gezeigte Handlungen, Zeitlupen- und –raffer, Flashbacks, Chronologiesprünge und eingefrorene Szenen, in denen sich nur noch Lucien und Allen bewegen können. Auch Kamerafrau Reed Morano bereichert das Drama um dramatische und coole Effekte, indem sie mit frei beweglichen Handkameras arbeitet und auf nicht zwingend realistisches Licht setzt. Obwohl sich in der Coming-of-Age-Geschichte die Poesie der späteren Werke von realen Autoren wie Kerouac, Burroughs und Ginsberg nur dezent andeutet, sind die Figuren facettenreich gezeichnet. Ihr Zusammenspiel ist ähnlich dem Jazz dominierten Soundtrack stimmungsvoll. Neben Daniel Radcliffe überzeugen insbesondere Dane DeHaan und Jennifer Jason Leigh durch ihr präzises, temperamentvolles und eindringliches Spiel. Schlussendlich wirft der kurzweilige und spannende Film auch Fragen hinsichtlich der Bedeutung des realen Mordes für die späteren Werke der Beat Generation auf.
Filmbilder: Koch Media GmbH
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