Das Brandenburger Tor steht für Berlin, selbst wenn man auf dem Pariser Platz steht. Es ist unbestritten das Wahrzeichen der Stadt und hat darüber hinaus Bedeutung als nationales Symbol, denn es repräsentiert vor allem die Zeit der Teilung und der Wiedervereinigung Deutschlands. Viele Städte haben Wahrzeichen, die markantesten im Lande sind oftmals sakrale Bauten, wie der Kölner Dom, die Münchener Frauenkirche, die Dome in Worms, Erfurt und Speyer sowie das Ulmer Münster. Doch auch profane Bauten wie das Schweriner Schloss oder gar ganze Bauensembles gelten als Wahrzeichen, wie etwa die Frankfurter Skyline. Wahrzeichen müssen also nicht unbedingt historischen Charakter haben, sie können durchaus aktuell entstehen – wie die Hamburger Elbphilharmonie – und sogar ältere Symbole, hier den Hamburger Michel, in den Hintergrund drängen.
Wie soll man den Begriff „Wahrzeichen“ nun definieren? Brockhaus und Wikipedia sind sich einig: aus historischer Sicht galten Wahrzeichen als Erkennungszeichen einer Stadt, die nach altem Handwerksbrauch von den wandernden Gesellen als Beweis ihres Aufenthalts in der betreffenden Stadt genannt werde musste. Heute seien sie zumeist markante Bauwerke des Stadtbildes die als Teil das Ganze andeuten sollen. Wikipedia erweitert den Begriff auch auf Landmarken wie etwa der Freiheitstatue in New York oder auf figürliche Darstellungen wie dem Manneken Pis in Brüssel oder der kleinen Meerjungfrau in Kopenhagen, die ihr Vorbild im gleichnamigen Märchen des dänischen Dichters Hans Christian Anders hatte.
Wie ist das nun in Bonn mit den Wahrzeichen? Markante Bauten gibt es durchaus, zuvorderst das Bonner Münster aus dem 11. Jahrhundert. Hier wurden sogar zwei Könige gekrönt, der zweite, Karl IV., wurde neun Jahre später, 1355, in Rom zum Kaiser gekrönt und gilt als bedeutendster Herrscher des Spätmittelalters. Das Münster ist ein Bonner Wahrzeichen, es wird leider nach außen eher nicht als solches wahrgenommen und so unmittelbar mit der Stadt Bonn assoziiert.
Weitere markante Bauwerke sind das Alte Rathaus, das Kurfürstliche oder das Poppelsdorfer Schloss, auch das Museum Alexander König und das Palais Schaumburg und die zumeist im Schneewittchenschlaf ruhende Villa Hammerschmidt zählen dazu. Sie erinnern an bestimmte geschichtliche Epochen, in denen Bonn Residenz oder sogar Hauptstadt war. Das ehemalige Parlamentsgebäude, das Bundeshaus gehört auch dazu, markant ist es eher nicht. Das gelingt dem „Langen Eugen“, dem früheren Abgeordnetenhochhaus und der heutigen Zentrale der UNO-Sekretariate schon eher. Das war‘s aber schon mit der jüngeren Bonner Historie. Fünfzig Jahre Bonner Friedenspolitik sind kein Wahrzeichen und werden wohl erst in Zukunft ihre historische Würdigung erfahren.
Das derzeit markanteste Bauwerk ist zweifelsohne der Post- oder DHL-Tower. Er hätte vielleicht das Zeug zum Wahrzeichen gehabt, wenn er nach der ursprünglichen Planung in Zwillingsform gebaut worden wäre, also mit einem gekonterten Zwilling unmittelbar daneben. Es gab – wie immer in Bonn – Bedenken.
Es wäre unredlich, die beiden Museumsbauten, die Bundeskunsthalle und das Kunstmuseum Bonn nicht zu erwähnen, die zusammen mit dem Bonner Haus der Geschichte durchaus hochwertigen Ensemblecharakter haben und das ehemalige Regierungsviertel museal repräsentieren, es fehlt nur noch das berühmte „Bundesbüdchen“ ein denkmalgeschützter Kiosk, der früher nahe dem wunderschönen Haus der Parlamentarischen Gesellschaft stand. Auch das Bundesbüdchen musste 2006 dem WCCB weichen und soll bald wieder etwa am alten Standort aufgestellt werden. Im Kiosk konnte man Zigaretten, Zeitungen und Bockwürste kaufen und musste dann oftmals hinter einem Abgeordneten, Staatssekretär oder Zeitungskorrespondenten anstehen, die dort parteiübergreifenden Smalltalk pflegten. Wahrzeichencharakter indes hat keines der gennannten Bauwerke…
Das mächtigste Bauwerk der Bonner City ist ohne Frage das Stadthaus. Es zeugt von Bonner Großmannssucht aus Zeiten, als man sich die, am Euter des Bundes hängend, noch leisten konnte. Heute ist der 78er Bau in die Jahre gekommen, die gläserne Vorhangfassade hatte wegen ihrer Neigung, der Schwerkraft zu folgen, zum Schutze der Bürger abmontiert werden müssen, der alte Teppichboden dämpft seit vierzig Jahren die bedächtigen Schritte von Rat und Verwaltung und die Mäuse veranstalten gern Wettrennen auf diversen Schreibtischen. Das ungeliebte Ding wäre längst abgerissen, wenn man eine neue Unterkunft denn bezahlen könnte.
Bleibt der „Beethoven“, die Statue auf dem Münsterplatz. Wegen des Standorts vor der Post wird er von den Bonnern auch liebevoll „Postvorsteher“ genannt. Das Denkmal wurde am 12. August 1845 in Anwesenheit von Friedrich Wilhelm IV. nebst Gemahlin sowie der englischen Königin Victoria enthüllt. Franz Liszt trug mit 2.666 Talern maßgeblich zur Finanzierung der Baukosten bei. Die Beethovenstatue, eines der meistfotografierten Motive der auswärtigen Touristen, ist als Statue zweifellos ein Bonner Wahrzeichen.
Auch Opern- und Festspielhäuser haben oftmals weltweit beachteten Wahrzeichencharakter und tragen zur Identität ihrer Stadt bei. Die Scala in Mailand, das Sydney Opera House (derzeit bis 2021 wegen Renovierungsarbeiten geschlossen), die Royal Albert Hall in London, das Bolschoi-Theater in Moskau, die Carnegie Hall in New York, das Teatro Amazonas im brasilianischen Regenwald und sicher auch die Semper Oper in Dresden zählen zu den bekanntesten Musikhäusern der Welt.
Hamburgs neues Wahrzeichen ist die Elbphilharmonie. Ein Gebäude, das in kurzer Zeit weltweit Bewunderung auslöste. Es hat der Stadt eine neu visuelle Identität gegeben. Der Zulauf ist riesig. Die Wahnsinnskosten nimmt man in Hamburg nur mit einem Schulterzucken zur Kenntnis.
Bonn hat Beethoven. Eine diesem Weltgenie angemessene Spielstätte hat es nicht. Über Jahre hinweg durfte man davon träumen, denn durch Zuwendungen in Bonn beheimateter Weltkonzerne schien ein solches Vorhaben in realistische Nähe gerückt zu sein, es gab es sogar Entwürfe weltweit renommierter Architekten. Zaha Hadit mit ihrem Guangzhou Opera House und Arata Isozaki beispielsweise hatten bereits Opern und Konzerthäuser realisiert und lieferten neben etlichen namhaften Architekten für Bonn Entwürfe ab, die durchaus das Zeug hatten, Wahrzeichen der Stadt zu werden. Doch das Festpielhaus scheiterte letztlich an den Kosten. Die Finanzierungszusagen wurden nach und nach zurückgezogen, vieleicht auch, weil sich bei den vorgesehenen Geldgebern langsam die Erkenntnis durchsetzte, dass für 75 Mio. Euro kein Festpielhaus auf „Weltniveau“ zu haben sein würde, der Denkmalschutz zeigte sich bezüglich einem Abriss der alten Beethovenhalle unnachgiebig, die Politik war unsicher und schließlich fiel das Festspielhaus wegen der Folgekosten dem unter dem Eindruck des WCCB-Debakels hochverunsicherten Stadtrat der verschuldeten Stadt zum Opfer. Ein Kollateralschaden eben.
Nun sollte mit Blick auf das Beethoven-Jubiläumsjahr 2019/2020 der „Plan B“ realisiert werden, die umfassende Sanierung der alten Beethovenhalle. Nach heutigem Stand steht fest, dass die Beethovenhalle nicht rechtzeitig wie geplant fertig gestellt werden kann und die Kosten derzeit knapp unter 80 Mio Euro liegen. Was in den kommenden zwei Jahren auf die Stadt zukommt, kann derzeit niemand sicher sagen. Eines allerdings steht fest: Die Beethovenhalle war und wird nie ein Wahrzeichen sein. Sie ist und bleibt ein Denkmal, nicht mehr und nicht weniger.
Zum Schluss noch eine versöhnliche Anmerkung: Bad Godesberg hat ein eigenes Wahrzeichen, die Godesburg ist von allen Seiten des Stadtteils als markantes Bauwerk, als dominierendes Erkennungszeichen wahrzunehmen.