Mit Beethoven will Bonn raus aus der kulturellen Mittelmäßigkeit. Eine neue Konzerthalle soll es richten – doch die Stadt braucht keinen teuren Prachtbau, sondern bessere Konzepte. Man wäre sicherlich froh, wenn man zum 250. Geburtstag des genialen Musikers in sieben Jahren folgende Zeilen lesen könnte:
Dem Musikleben ist ein neues Zentrum entstanden, ein hegender Raum für das Werk Beethovens und aller Musik vor ihm und nach ihm. Bonn als Stadt am Rhein, als Universitätsstadt und ehemalige Bundeshauptstadt hat einen Mittelpunkt menschlicher Begegnung gefunden, der den viel beklagten Abstand zwischen dem alten und dem neuen Bonn spürbar schmaler werden ließ. In gemeinsamem Stolz, in Bewunderung und Anerkennung des Bauwerkes treffen sich die Bürger dieser Stadt und ihre Gäste, schwindet die Furcht vor Enge und Beschränktheit. Die einen haben Vertrauen zur eigenen Fähigkeit gewonnen, die anderen trauen nun der Stadt besondere Leistungen zu. Der neu errichtete Musiktempel ist ein architektonisches, musikalisches, wenn nicht politisches Ereignis. Zu rühmen ist die kommunale Großtat und der planerische Mut, mit der man Bonn vom Adjektiv ‚provinziell‘ befreit. In anderen Städten ist man das Wagnis nicht eingegangen, einen avantgardistischen Bauentwurf zu wählen und auch kommunalpolitisch gegen Widerstände durchzusetzen. Von Experten wird vor allem die raumakustische Planung des neuen Konzertsaales gepriesen. So ist alle wissenschaftliche Sorgfalt aufgewendet worden, die einem solchen weit wirkenden Zentrum der Musikpflege zukommt. Entstanden ist einer der modernsten und akustisch einwandfreisten Konzertsäle, von dem sich die Beethovenstadt Bonn im deutschen Musikleben eine beträchtliche Rangerhöhung verspricht. Die ersten Akustikproben brachten glänzende Ergebnisse. Jeder der 1420 Plätze, im Parkett wie auf den Rängen, ist mitten im Schallgeschehen: die dynamischen Schwankungen sind, welchen Standort man im Raum auch immer einnimmt, kaum merklich. Andererseits ist aber auch dafür gesorgt, dass die Akustik nicht nur für eine bestimmte Art von Musik, etwa für romantische Klang-Massen, vorzüglich ist, sondern ebenso der klaren Linearität eines barocken oder auch modernen Werkes gerecht wird.
Ich habe fast wortwörtlich eine Anthologie von Zitaten zusammengetragen, die nach der festlichen Einweihung der Beethovenhalle am 8. September 1959 von Fachleuten, Musikwissenschaftlern, Politikern und Journalisten verkündet wurden. Das liegt zwar einige Jahrzehnte zurück. Aber mit ähnlichen Botschaften propagieren heute einige Honoratioren der Stadt, die sich als Beethoven-Freunde in Szene setzen, den Bau eines neuen Festspielhauses. Im gleichen Atemzug wird die Beethovenhalle in den Schmutz getreten, die nach den Plänen des Architekten und Hans-Scharoun-Schülers Siegfried Wolske gebaut wurde. Die Festspielhaus-Apologeten lassen keinen Tag verstreichen, um der Öffentlichkeit darzulegen, wie unzumutbar der 50er-Jahre-Bau für die Aufführung der Werke des Musensohnes der Stadt sei. Dabei schrieb die Presse 1958 noch, wie weit das neue Gebäude in die Zukunft reicht:
„Bonn als illustrer Festspielort! Wird die Geburtsstadt Beethovens in der Lage sein, gleich Bayreuth und Salzburg musische Atmosphäre internationaler Provenienz, faszinierendes Fluidum einen Mythos bilden? Dann hätte die provisorische Metropole einen großen Wurf auf Endgültiges getan. Sie würde ihrer unbestrittenen Würde als traditionsreiche Universitätsstadt den Glanz der Kunststadt hinzufügen.“
Statt sich in gigantomanischen Fantasieplanungen zu ergehen, die sich bis 2020 nicht mehr realisieren lassen, sollten sich die selbst ernannten Beethoven-Freunde mit der Frage beschäftigen, warum Bonn nicht zur unverwechselbaren Beethovenstadt avancierte und auf dem Niveau von Bayreuth oder Salzburg rangiert. Das ganze Spektakel um den Neubau des Festspielhauses ist kulturpolitisch selbstvergessen und provinziell. Ähnlich peinlich wie die Finanzierung des World Conference Center Bonn (WCCB) durch einen gewissen Herrn Man-Ki Kim von der Weltfirma SMI Hyundai, der als „Glücksfall für die Stadt Bonn“ gefeiert wurde und sich als spektakuläre Seifenblase herausgestellt hat. Warum konzentriert man sich jetzt nicht auf die Sanierung und Modernisierung der Beethovenhalle?
Sehr viel Zeit bleibt nicht mehr bis zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven, der 2020 gefeiert wird. Bis zum 200. Todestag, der sieben Jahre später an der Reihe ist, sollte man auf keinen Fall warten.
Siehe auch: Der etwas andere Bilbao-Effekt: Prunkbauten, Großmannssucht und leere Kassen #Elbphilharmonie #Festspielhaus
[…] Für das neue Bonn-Portal namens “Bundesstadt.com” habe ich mich für die Sanierung der … Die “Beethoven-Freunde” kontern diese Position regelmäßig mit dem Argument der hohen Kosten von rund 40 Millionen Euro, die angeblich für die Modernisierung ausgegeben werden müsse. […]