Bonn – Wir schreiben den 19. August 1949. Das sind ausgewählte Themen aus dem General-Anzeiger, der inzwischen dreimal wöchentlich erscheint. Unsere Zeitunszeitreise.
Das Bonner Hauptbahnhofsgebäude ist eine Baustelle
Kaum zu glauben: Am Hauptbahnhof ist das Dach über den Bahngleisen fertig verglast. Die akrobatischen Arbeiter haben alle Hände voll zu tun. Auch das kaiserliche Fürstenzimmer im Süden des Bahnhofsgebäudes wird entfernt, ein Empfangszimmer eingezogen. Ein vier Meter tiefes Loch klafft in der Wand am Bahnsteig; dort führt danach ein Zugang zu den Toiletten im Kellergeschoss.
Am 1. September ’49 sollen die Arbeiten fertig sein, auch in der neuen Wartehalle. Die Außenfront bleibt im Großen und Ganzen erhalten. Ein Zeitgenosse kritisiert: „Ich würde diese Einheitsziegelfassade verputzen.“
Hoffen auf eine neue Beethovenhalle
Professor Mc Millan, Amerikaner und ehemaliger Bonner Student, ist sich bei einem Gespräch mit dem Bonner Oberbürgermeister Dr. Stockhausen sicher: Bonn braucht eine neue Beethovenhalle. Er weiss, dass „Beethoven und seine Musik für Amerika und die Amerikaner ein Symbol der Ewigen und ehrfurchtsvoller Verehrung ist und daß das Band einer solchen geistigen Brücke von drüben nach hier turmhoch alle materiellen Beziehungen hinter sich zurückläßt.“ Er ist sich sicher, in Amerika Spender für eine neue Halle finden zu können.
Die zweite Beethovenhalle von 1870 stand an der heutigen Berliner Freiheit und wurde im zweiten Weltkrieg zerstört. Bis zum Bau der dritten, heutigen, sollte aber noch einige Zeit vergehen.
Amerikanischer Journalist will eine Rheinbrücke
Der Fotograf Seymour, gemeint ist vermutlich David Seymour, war offenbar so berühmt, dass es dem General-Anzeiger einen Bericht wert war. Der Mann, der als Korrespondent für amerikanische Blätter schrieb, hat sich die neue Bundeshauptstadt angesehen und unter anderem das Bonner Münster bestiegen.
Nachdem er mehrfach mit der Fähre über den Rhein übersetzen musste, war ihm klar: Bonn braucht eine neue Rheinbrücke! Er bekennt in gebrochenem Deutsch: „Die Fähre ist mir zu einem Symbol für Ungerechtigkeit.“ Wer es zuerst hinauf schaffe, darf fahren.
Versteckte Heiratsanzeigen?
„Wie denken Sie übers Heiraten?“ fragte der Generalanzeiger in der Rubrik Interview mit Jedermann. Drei Frauen erläutern ihre Vorstellungen dazu, darunter „Kriemhilde Genske, 19 Jahre alt, Hausangestellte Bonn, Poppelsdorfer Allee 69“. Mit dem Datenschutz war es offenbar noch nicht sehr weit, vielleicht wollten die Damen aber auch besser gefunden werden? Kriemhilde möchte jedenfalls heiraten, die Ehe soll nicht kinderlos bleiben, ein Handwerker ist auch OK, wenn ihr Herz dafür spricht. Drei Jahre möchte sie sich noch Zeit lassen.
Studenten: „Helpling“ hieß damals Heinzelmännchen
Heute kann man sie auch passgenau über Plattformen wie Helpling mieten, damals nur über das Studentenwerk: Studis! „Wir machen alles – haben sie einen Auftrag für uns?“ 1000 Studis gibt es zur Auswahl, darunter auch kriegsgeschädigte, die mit gelben Reitern markiert sind. „Wachdienst ist ein beliebter Nebenjob. So können sie am Tag ihrem Studium weitergehen.“
Hofgarten: Linden statt Ulmen
Kahlschlag im Hofgarten: Der Stadtgärtner ersetzt im Hofgarten die umgelegten Ulmen mit Linden und Parkbänken. Der Löschteich wird eingeebnet. Dort soll es einen Spielplatz mit einer Bruchsteinmauer geben. 200 Jahre sind die Ulmen alt, seufzt ein alter Mann, als sie umgeschlagen wurden.
Nahe des Hofgartens wird ebenfalls eine Figur erneuert: Sankt Michael, die goldene Figur auf dem Koblenzer Tor, muss wegen Kriegschäden in die Werkstatt. 1750 war sie in Auftrag gegeben worden. Das Kriegsfeuer hatte einen Teil ihrer Rückfront weggeschmolzen, Bombensplitter zerfetzten Brust und Leib, Flügel, Arm und Fuß, und Hals. Der Drachen zu seinen Füßen ist kaum noch vorhanden. Auch die Vergoldung muss erneuert werden. Sie wurde zuletzt 1934 restauriert.
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[…] 19. August 1949 […]