Bonn – Der Plenarsaal wird im September fertig, auf der Rhöndorfer Konferenz wird die kleine Koalition beschlossen: Das ist der 22. August 1949, heute vor 70 Jahren in Bonn. Der General-Anzeiger berichtet. Unsere Zeitungszeitreise.
Rhöndorfer Konferenz: Die Würfel sind gefallen
Hoch her muss es bei der sogenannten „Rhöndorfer Konferenz“ im Adenauer-Wohnhaus zugegangen sein. „Die Würfel sind gefallen“, schreibt der General-Anzeiger. Im Wohnhaus Dr. Adenauers haben sich die verantwortlichen Männder der CDU/CSU gegen eine Koalition mit der SPD ausgesprochen – auch wenn nicht alle dafür waren. „Aber in der Demokratie entscheidet sich nun einmal die Mehrheit. Nehmen wir an, daß dies auch in der Villa in Rhöndorf der Fall war.“
Für die kleine Koalitionslösung spreche, so das Bonner Blatt, dass die Oppositionsrolle extreme Splitterparteien stärken könnte, dass die Wirtschaftspolitik nicht um 180 Grad gedreht werden brauche. Zudem würde eine Groko „sehr viel an schöpferischer Kraft aufzehren.“
Stahlverstärkte Plenarsaalmöbel: Abgeordnete sollen beim Faustkampf bleiben
Der Plenarsaal der Bundesrepublik Deutschland ist so gut wie fertig – und er ist prügelsicher, berichtet der General-Anzeiger Bonn. Zwei Punkte werden besonders hervorgehoben: Extra für Kurt Schumacher (SPD) gibt es einen Fahrstuhl, da dieser gehbehindert ist.
Und Schlägereien mit Tintenfässern wird es nicht geben: Denn für Tintenfässer gibt es keinen Platz, und die Pultdeckel sind stahlverstärkt und damit abrissfest, die Stühle beinlos und stahlgesichert. Die wehrhafte Demokratie wird zukünftig durch Reden verteidigt, nicht durch Weimarer Prügeleien. Der Faustkampf bleibt ausgenommen. Denn Bundestagsarchitekt Lauer erklärt, „daß Kampfeslustige Abgeordnete müssen mir ihren Fäusten vorliebnehmen.“
Bonner Stadtsoldaten spenden für Kinderheim, Bonner Münster und weitere Einrichtungen
Das Stadtsoldatenkorps spendet für das Kinderheim am Kaiser-Karl-Ring für die Weihnachtsbescherung, für das Bonner Münster und weitere Einrichtungen, insgesamt mehrere tausend Mark.
8117 Betten für Gäste
8117 Gästebetten für „Fremde“, wie Touristen damals genannt werden hat die Bundesstadt insgesamt zu bieten.
Unterstützungsaufruf für Heimkehrer und Kriegsgefangene
Tausende kommen jeden Tag im Heimkehrerlager Friedland in Niedersachsen an. Kriegsgefangene, Vertriebene, verschleppte Kinder, Frauen, die das „Tor zur Freiheit“ durchschreiten. Viele sind in körperlich und seelisch schlechter Verfassung, brauchen Kleidung, Unterstützung. Davon berichtet der evangelische Lagerpfarrer Gustav von Girard in Bonn bei einem Vortrag. Er wirbt für die Unterstützung der Heimkehrer – und bittet um Freundlichkeit, Spenden und darum, sich in deren Lage zu versetzen.
Auf dem Amtsgericht liegt die monatlich aktualisierte Verschollenheitsliste aus.
Verbrechen in Bonn: Einbrecher unterwegs
Einbrecher schließen in der Mittagspause der Geschäfte Schaukästen auf und klauen den Inhalt. Ein falscher Handwerker klaut in einem Kaufhaus Bettfedern. Die Polizei mahnt, unbekannten Handwerkern, Gasmännern und Stromzählerablesern nicht zu vertrauen! Zwei Männer berauben einen 12-Jährigen Angler mit einem Trick. Ein 19-Jähriger wird zwischen Rolandswerth und Bonn beraubt. Er wird mit einer Pistole bedroht, bis er sein Fahrrad herausrückt.
Erbfeindschaft nimmt ab
In der Bonner „Vereinigung Deutschland-Frankreich“ betont man die Bedeutung der Achse Frankreich-Deutschland für den europäischen Gedanken, und dass das französische Volk nicht mehr allgemein eine Erbfeindschaft sieht. Dennoch dürfe man nie vergessen, dass Deutschland drei Kriege auf französischem Boden geführt und 600.000 Franzosen in Buchenwald ermordet habe. „Die Parteipropaganda der letzten acht Tage vor der Bundestagswahl habe dem Verhältnis Deutschland-Frankreich mehr geschadet als die drei Jahre, die davor lagen“, erklärt Herr Grosser vom französischen Verein „Comité francais d’echanges avec l’Allemagne nouvelle“, mit dem der deutsche Verein zusammenarbeiten will.
Verzällchen
- Chöre: Der Bonner Münster-Gesangsverein feiert seinen 90. Geburtstag mit Festgottesdienst im Münster, Morgenkonzert im Metropol. Bonns ältester Gesangsverein „Sangesfreunde“ wird 103.
- In Bad Neuenahr fuhr ein Rüpelradler einen Mann (68) an. Er starb acht Tage später an der Kopfverletzung.
- Ein Vierjähriger betritt in Oberlar die Straße. Ein Lieferwagenfahrer versucht zu bremsen, der Wagen überschlägt sich, der Junge stirbt.
[…] 22. August 1949 […]