Die Videokunst hat in Bonn eine lange Tradition. Seit 1984 ist in der Bundesstadt die Videonale zuhause, ein zweijährlich stattfindendes Festival für Videokunst. Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums findet eine Retrospektive statt, bei der die interessantesten Werke aus 14 Videonalen zu sehen sind. Diese Retrospektive ist in zwei Teile gegliedert. Im Bonner Kunstverein sind noch bis 5. Oktober ausgewählte Arbeiten zu sehen, der zweite Teil wird zur 15. Videonale im Kunstmuseum gezeigt. Den ersten Teil der Rückschau habe ich mir vergangenen Freitag angesehen.Im Foyer des Bonner Kunstvereins lieh ich mir vom dortigen Café Schwarz & Weiß einen Plastikstuhl und setzte mich vor einen der vielen Fernseher. Nach mehreren Stunden vor den kleinen Röhrengeräten waren meine Augen fast viereckig, aber gleichzeitig nahm ich viele interessante Eindrücke mit nach Hause.
Viele der Arbeiten thematisieren die Videotechnik selbst, so zum Beispiel der vier Minuten lange Film (Dis)Integrator von Juha van Ingen. Ein kurzer Dialog darüber, wie das Fernsehen funktioniert, wird in einer Schleife wiederholt, bis aus dem scharfen Bild und dem verständlichen Ton nur noch ein unverständliches Rauschen geworden ist. David Larchers Werk Videøvoid – TexT ist eine meditative Auseinandersetzung. Man sieht Visualisierungen von zerkratzten Bändern, Disketten etc. und hört dazu einen Monolog. Die Assoziationen dazu entstehen ausschließlich im Gehirn des Betrachters.
Es gibt aber auch Werke, die näher an der klassischen Filmkunst sind, also einen Erzählstrang und eine Handlung haben. Der polnische Künstler Józef Robakowski hat in seiner Arbeit From my window von 1978 bis 1999 aus seiner Plattenbauwohnung in Łódź das Geschehen auf der Straße gefilmt und pointiert kommentiert. Wir erfahren Details über seine Nachbarn, sehen Aufmärsche am Tag der Arbeit, Polizeieinsätze, neue Autos und zunehmenden Verkehr nach dem Ende des Ostblocks und schließlich den Bau eines Luxushotels – kurz, viele kleine Geschichten lassen zwei Jahrzehnte polnischer Geschichte und gesellschaftlicher Veränderungen bewusst werden, ohne dass der Betrachter die Möglichkeit hätte, die Aussagen des Erzählers zu überprüfen.
Setzt sich Robakowski mit der Geschichte seines Landes auseinander, so arbeitet Sadie Benning in ihrem Werk Girl Power ihre eigene Vergangenheit auf. Sie thematisiert ihre eigene unglückliche Kindheit und Jugend, gleichzeitig zelebriert sie aber auch ihre Sexualität und ihr Rebellentum. Girl Power ist wohl einer der bekanntesten und berühmtesten Videofilme und auf jeden Fall sehenswert. Das gilt auch für zwei weitere, sehr kurze Arbeiten – für den Fall, das man nur sehr wenig Zeit mitbringt. In dem zweiminütigen Video black hole von Johanna Reich verschwindet der Akteur in einem schwarzen Loch – auf äußerst beeindruckende Weise. In dem nur etwa 45 Sekunden langen Video Fallende Scheibe von Dieter Kiessling fällt eine weiße Scheibe auf einen schwarzen Untergrund und zerspringt. Was dann passiert, spielt mit unserer Erwartungshaltung und den Bedingungen menschlicher Wahrnehmung.
Die zwölf im Foyer des Bonner Kunstvereins ausgestellten Arbeiten sind sehr unterschiedlich und eine äußerst interessante Auswahl an Werken, die in den letzten 30 Jahren in Bonn zu sehen waren. Es lohnt sich, auf einen Sprung vorbeizuschauen und sich einen der Filme anzusehen. Viel Sitzfleisch sollte man allerdings für Peter Weibels Gesänge des Pluriversums mitbringen, eine 100-minütige Plastik mit elektronischen Skulpturen.
RT @bundesstadt: 30 Jahre Videokunst in Bonn. Eine Retrospektive im Bonner Kunstverein zeigt wegweisende Videoarbeiten. http://t.co/DbL6Aso…
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