Nicht nur die freie Kulturszene kämpft in Bonn ums Überleben. Auch die großen Häuser sind auf lange Sicht von Einsparungen bedroht. Deshalb sei an dieser Stelle wieder darauf hingewiesen, welche große Leistungen etwa das Theater Bonn auch im neuen Jahr auf die Bühne bringt. Was hat sich getan? Die letzte Zusammenschau ist schon wieder einige Monate her…
Zunächst, es ist ein durchaus gewagtes und verwegenes Unterfangen von Jens Groß, Schauspieldirektor am Theater Bonn, ausgerechnet im Winter die bekannte Komödie Ein Sommernachtstraum auf den Spielplan zu setzen. Das Drama spielt zur Zeit der Mittsommer- oder Johannisnacht Ende Juni, in der die Sonne in skandinavischen Ländern oder im Baltikum kaum untergeht…
William Shakespeares Ein Sommernachtstraum am Theater Bonn. Nächste Vorstellungen am 8. und 17. Februar
Insgesamt überzeugt die auf rund zwei Stunden mit einer längeren Pause gestraffte, bewegende und komische Adaptation der gebürtigen New Yorker Regisseurin Corinna von Rad auch durch liebevoll umgesetzte Slapstick-Szenen, wohingegen der subtile Wortwitz Shakespeares hin und wieder etwas zu sehr gekappt wurde. Kaum derbe und stets recht keusch möchte die Komödie insbesondere auch beim jüngeren Publikum Anklang finden. Zur Besprechung
Jonathan Doves Marx in London an der Oper Bonn. Nächste Vorstellungen am 2., 8. und 14. Februar
Im Marx-Jahr des vor 200 Jahren geborenen Ökonomen und Philosophen widmet sich das Theater Bonn nun mit der Uraufführung von Jonathan Doves Oper dem Namensgeber des Marxismus, der freilich von sich behauptet hat, selbst gar kein Marxist zu sein. Es geht wenig ernst in dieser musikalischen Komödie zu. Der dramatisch-spannungsvolle Sound mag nur mäßig darüber hinwegzutäuschen, dass die einschließlich einer Pause zweieinhalbstündige Oper deutliche Längen hat. Die anfangs etwas verwirrende Personenkonstellation mutet betulich und nur mäßig unterhaltsam an. Es fehlt trotz der lebendigen Personenführung an Überraschungs- und Spannungsmomenten und möglichen Bezügen zum Hier und Heute. Zur Besprechung
Simon Solbergs Linie 16 am Schauspielhaus Bad Godesberg. Nächste Vorstellungen am 2., 10., 22. und 27. Februar
Von Köln-Niehl nach Bonn-Bad Godesberg passiert die Straßenbahn-Linie 16 Sammlungspunkte wie den Kölner Hauptbahnhof, Wesseling oder Tannenbusch. Wenn sie nicht mal wieder ausfällt und einigermaßen pünktlich ist, fährt sie dabei weit über 80 Minuten. Genug Zeit, in der allerlei Spannungsmomente zwischen dicht gedrängten Passagieren auftreten können, meint Simon Solberg, neuer Hausregisseur am Theater Bonn. Er widmet der krisenerprobten Straßenbahnlinie nun ein eigenes Theaterstück im Schauspielhaus samt Live-Band und Gesangseinlagen der Darsteller. Zur Besprechung
Highlights des internationalen Tanzes am Bonner Opernhaus. Nächste Vorführung am 31. Januar die Londoner Company Wayne McGregor mit Autobiography
Es gab wieder ganz eindrucksvolle Tanzdarbietungen in der Oper Bonn zu bestaunen. Das am Ballett Dortmund angesiedelte NRW Juniorballett begab sich mit 12 Tänzerinnen und Tänzern auf eine tänzerische Reise vierer unterschiedlicher Choreographen. Agatha Christies Krimi-Klassiker Mord im Orient Express wurde mitreißend und facettenreich zu Musik von Philip Glass und anderen dargeboten. Das Ballet Preljocaj zeigte La Fresque und das Australian Dance Theatre begeisterte mit The Beginning of Nature. Auch das Béjart Ballet Lausanne war mit den Choreografien T’m et variations und Béjart fête Maurice höchst sehenswert.
Molières Der Menschenfeind am Schauspielhaus in Bad Godesberg. Nächste Vorstellungen am 3. und 9. Februar
Eitle Gecken frönen lasziv, affektiert und selbstgefällig dem Hedonismus. Von lustvoller Selbstpreisgabe künden bereits die Kostüme, die sich in Ausgefallenheit, Sexiness und knalliger Schrillheit wiederholt übertrumpfen. Neumanns Inszenierung ist aufgrund der leidenschaftlichen darstellerischen Leistungen von Daniel Stock als Alceste und Annika Schilling als Célimène ein furioser Hochgenuss. Zur Besprechung
Stefan Viering als Jurek Beckers Jakob der Lügner am Theater Bonn. Nächste Vorstellungen am 1. und 9. Februar
Ein älterer Mann (Stefan Viering) betritt die Bühne mit einem Koffer. Die Kofferinhalte auf dem Tisch ausbreitend – ein Schreibheft, eine Weste, eine gefüllte Glasflasche – begrüßt er das Publikum erwartungsfroh. In seinem wohl bekanntesten Roman verarbeitet der jüdische Schriftsteller Jurek Becker (1937-1997) eigene Kindheitserfahrungen im Ghetto von Lodz während der nationalsozialistischen Besetzung in Polen. Zur Besprechung
Richard Wagners Lohengrin an der Oper Bonn. Nächste Vorstellungen am 1. und 23. Februar
Der Schweizer Bühnenbildner und Opernregisseur Marco Arturo Marelli inszeniert Richard Wagners Lohengrin an der Oper Bonn im Sinne einer klassischen Lesart recht altmodisch-konservativ. Wagners farbenreiche Musik wird mit allen dramatischen Zuspitzungen, Spannungsbögen und Entwicklungen ausgekostet. Zur Besprechung
Eines langen Tages Reise in die Nacht von Eugene O’Neill am Schauspielhaus in Bad Godesberg. Nächste Vorstellungen am 1., 16., 20. und 24. Februar
Der Lebensraum des Sommerhauses der Familie Tyrone ist geprägt durch eine erstarrte und kalte Atmosphäre. Die Stadt wird nur besucht, um Alkohol oder Morphium zu besorgen. Sparsamkeit scheint nicht nur bei der Auswahl der Requisiten gegeben. Eine klassische Dramaturgie ist in dem Kammerspiel nicht möglich, da man vergebens nach möglichen Wendepunkten der permanent bergabgehenden Handlung sucht. Zur Besprechung
Jean Genets Die Zofen am Theater Bonn. Nächste Vorstellungen am 3. und 27. Februar
In immer neuen Ritualen, Zeremonien und Verkleidungen spielen die Dienstmädchen und Schwestern Claire und Solange ihre eigene Unterdrückung nach. Das Setting des Einakters um das ambivalente Verhältnis zweier Zofen zu ihrer Dienstgeberin geht auf einen realen Fall zurück. Das durchgehalten Maskenhafte von Claudia Bauers Regiekonzept betäubt und ermüdet alsbald in seiner Künstlichkeit etwas. Zur Besprechung
Amilcare Ponchiellis La Gioconda an der Oper Bonn. Nächste Vorstellung am 24. März
Das komplexe Beziehungsgefüge und die illustren Orte Venedigs werden in der konzertanten Aufführung naturgemäß nicht durch Spiel oder Bühnenbild visualisiert. Die stimmlich mit ausdrucksvoller Dramatik dargebotenen, anspruchsvollen Solopartien finden ein gelungenes Pendant in der dichten, vielschichtigen und spannungsvollen Instrumentierung. Zur Besprechung
Alle Fotos vom jeweiligen Abschlussapplaus (c) Ansgar Skoda
[…] letzte Zusammenschau ist noch vom Jahreswechsel. Natürlich wurde ich auch in jüngerer Zeit wieder am Bonner […]