CocoonDance nimmt mit MOMENTUM an der Tanzplattform Deutschland teil // VIS MOTRIX setzt als weibliches Gegenstück die Bewegungsrecherche kraftvoll fort 

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Kraftvoll bewegend - VIS MOTRIX Premiere am 2. März in Bonn (Foto: Klaus Fröhlich)

Die 14. Aus­ga­be der Tanz­platt­form fin­det vom 14. – 18. März in Es­sen und Gel­sen­kir­chen statt.  Aus Bonn ist mit da­bei das Co­coonD­ance En­sem­ble mit MO­MEN­TUM, ei­ne von Kri­tik und Pu­bli­kum be­ju­bel­te Pro­duk­ti­on aus dem Jahr 2016.

Das Männer-Trio ist ein kraft­voll ar­chai­scher Tanz­akt bis zur völ­li­gen Er­schöp­fung, des­sen hyp­no­ti­sche En­er­gie –an­ge­trie­ben durch die pul­sie­ren­den Licht­ef­fek­te und Techno-Beats– sich auf die Zu­schau­er über­trägt und sie mit den drei Tän­zern zu ver­bin­den scheint. Für das Pu­bli­kum wird das Tanz­stück so zu ei­ner au­ßer­ge­wöhn­li­chen ge­mein­sa­men Raum- und Be­we­gungs­er­fah­rung.  (Sie­he Bundesstadt.com “Mo­men­tum” Be­spre­chung nach der Pre­mie­re im April 2016, in­klu­si­ve Pod­cast In­ter­view mit der Cho­reo­gra­fin Ra­faë­le Giovanola.)

Coc­conD­ance Männer-Trio MO­MEN­TUM mit Park­our Be­we­gungs­ele­men­ten (Fo­to: Klaus Fröhlich)

Seit 1990 fin­det die Tanz­platt­form als wich­tigs­tes Er­eig­nis des zeit­ge­nös­si­schen Tan­zes bi­en­nal in wech­seln­den deut­schen Städ­ten statt. Die 2018 Edi­ti­on wird von PACT Zoll­ver­ein aus­ge­rich­tet und prä­sen­tiert über fünf Ta­ge die be­mer­kens­wer­tes­ten Pro­duk­tio­nen der ver­gan­ge­nen bei­den Jah­re. Die Bi­en­na­le ist ein in­ter­na­tio­nal aus­strah­len­des Schau­fens­ter für zeit­ge­nös­si­schen Tanz „ma­de in Ger­ma­ny“. Aus rund 400 Be­wer­bern hat die Ju­ry 13 Per­for­man­ces ausgewählt. 

Sie ste­hen für cho­reo­gra­phi­sche Ar­bei­ten, die sich in den letz­ten zwei Jah­ren in Deutsch­land mit drän­gen­den äs­the­ti­schen, ge­sell­schaft­li­chen und exis­ten­ti­el­len An­lie­gen aus­ein­an­der­ge­setzt ha­ben und uns zu Per­spek­tiv­wech­seln ein­la­den,” so Ste­fan Hil­ter­haus, der künstlerische PACT Zoll­ver­ein Lei­ter. „Sehr ge­spannt sind wir auf den Aus­tausch über die An­lie­gen, das Wis­sen und die Er­fah­run­gen un­se­rer Gäs­te aus der gan­zen Welt.“

PACT Zoll­ver­ein ist ein Zen­trum für dar­stel­len­de Kunst mit dem Schwer­punkt Tanz auf dem ehe­ma­li­gen Es­se­ner Ze­chen­ge­län­de. Das Tanz­platt­form Pro­gramm be­inhal­tet sehr un­ter­schied­li­che Ar­bei­ten, klei­ne und gro­ße Pro­duk­tio­nen mit be­kann­ten und un­er­war­te­ten Na­men. MO­MEN­TUM wird drei­mal, am 15. und 16. März, zu se­hen sein.

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Ne­ben dem Büh­nen­pro­gramm bringt die Tanz­platt­form auch Hun­der­te Fach­be­su­cher beim „Ar­tist Sum­mit“ zu­sam­men. Bei der täg­li­chen As­sem­bly im SANAA-Gebäude kön­nen sich Pu­bli­kum, Künst­ler und Kul­tur­schaf­fen­de aus­tau­schen. Am Abend wer­den beim “La­te Night Stu­dio Talk” im Fes­ti­val­zen­trum PACT Zoll­ver­ein die Vor­stel­lun­gen, Er­eig­nis­se und Be­ob­ach­tun­gen des Ta­ges beleuchtet.

Die ge­sam­te Tanz- und Cho­reo­gra­phie­sze­ne trifft sich in Es­sen. Ver­an­stal­ter su­chen dort auch Stü­cke für ih­re Fes­ti­vals aus,” er­klär­te Dra­ma­turg Rai­nald End­raß nach der Pre­mie­re des neu­en Co­coonD­ance Stücks VIS MO­TRIX An­fang des Monats.

End­raß hat Co­coonD­ance 2000 ge­mein­sam mit sei­ner Frau und Cho­reo­gra­fin Ra­faë­le Gio­va­nola ge­grün­det. Seit 2004 lei­tet und be­spielt das freie En­sem­ble die Tanz­spar­te im Thea­ter im Ball­saal in Bonn-Endenich und hat sich über die Stadt­gren­zen hin­aus ei­nen Na­men in der zeit­ge­nös­si­schen Tanz­sze­ne er­obert. Mit ih­ren nun­mehr über 30 Pro­duk­tio­nen gas­tier­te Co­coonD­ance welt­weit bei ver­schie­de­nen Thea­tern und Festivals. 

Über die Jah­re hat sich die Kom­pa­nie zu ei­ner In­sti­tu­ti­on mit weit­rei­chen­der Ver­net­zung ent­wi­ckelt, nicht nur künst­le­risch, son­dern auch im Be­reich der kul­tu­rel­len Bil­dung. Seit 2012 hat Co­coonD­ance ein ei­ge­nes Nachwuchs-Ensemble, die Ju­ni­or Com­pa­ny Bonn, mit Kin­der und Ju­gend­li­chen im Al­ter von 10 bis 18 Jahren. 

Die breit ge­fä­cher­te Ar­beits­wei­se von Co­coonD­ance ver­an­schau­licht das Stück MO­MEN­TUM. Es be­ruht auf ei­ner Re­cher­che über Park­our, ei­ner Sport­art, die je­des Hin­der­nis des ge­ge­be­nen Raums als Quel­le neu­er Be­we­gungs­mög­lich­kei­ten nutzt. 

Über die bis­he­ri­ge Auf­füh­rungs­pra­xis hin­aus hat Mo­men­tum ein Ei­gen­le­ben als ein rei­nes Be­we­gungs­ma­te­ri­al ent­wi­ckelt und ist ein Bei­spiel ge­wor­den für den Aus­tausch des zeit­ge­nös­si­schen Tan­zes mit Grup­pie­run­gen ‚an­de­rer‘, nicht aka­de­mi­scher Tän­zer,” so Endraß.

Das En­sem­ble ha­be Park­our im Sin­ne der zeit­ge­nös­si­schen Kunst wei­ter­ent­wi­ckelt und das Ma­te­ri­al im­mer wie­der neu mit ver­schie­de­nen Kör­pern an un­ter­schied­li­chen Or­ten ad­ap­tiert. Da­zu zäh­len die Ur­ban Dance-Szene, Schü­ler, Stu­die­ren­de, Ge­flüch­te­te und kon­go­le­si­sche Tänzer. 

Ei­ne die­ser Ad­ap­tio­nen ist „MO­MEN­TUM xsamples“ mit acht Stu­den­tin­nen von der Hoch­schu­le für Mu­sik und Tanz Köln, das En­de Fe­bru­ar er­folg­reich im Rah­men der „6. Bi­en­na­le Tanz­aus­bil­dung“  in Ber­lin ge­zeigt wur­de. (Das Vi­deo zeigt Aus­schnit­te aus ver­schie­de­nen MO­MEN­TUM Adaptionen.)

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VIS MO­TRIX = Vier kraft­vol­le Bewegerinnen

Wie bei MO­MEN­TUM, das sei­ne an­fäng­li­chen Im­pul­se aus dem Aus­tausch mit der Be­we­gungs­form Park­our be­zog, star­te­te VIS MO­TRIX mit ei­nem Work­shop und an­schlie­ßen­der Be­we­gungs­re­cher­che mit den Free­style Tanz­for­men Break Dancing und Krum­ping.

Ein Krump in­spi­rier­ter Chest­Pop in VIS MO­TRIX  (Fo­to: Klaus Fröhlich)

Krump, was für “King­dom Ra­di­cal­ly Up­lifted Migh­ty Prai­se” steht, ist ein in Los An­ge­les ge­bo­re­ner, so­zi­al kri­ti­scher, eher männ­lich ge­präg­ter Tanz­stil mit „Stomps“ (Stamp­fen), „Chest­pops“ (blitz­ar­ti­ges Hoch­schnel­len der Brust), und „Armswings“ (Schwin­gen der Arme). 

Auch in VIS MO­TRIX, das ein weib­li­ches Pen­dant zu MO­MEN­TUM dar­stellt, for­dert Cho­reo­gra­fin Ra­faë­le Gio­va­nola die En­sem­ble­mit­glie­der zu ei­nem ra­di­ka­len „up-lifting“ (Er­he­bung) und ei­ner kör­per­li­chen Höchst­leis­tung her­aus. Vis be­deu­tet auf La­tei­nisch Kraft. Mo­trix ist die gram­ma­ti­ka­lisch weib­li­che Form von mo­tor, über­setzt  “der et­was be­wegt” oder “Be­we­ger”. Die Elektro-Musik stammt auch dies­mal von DJ Fran­ko Men­to. VIS MO­TRIX ist MO­MEN­TUM ein­mal umgedreht.

Zu Be­ginn lie­gen die vier Tän­ze­rin­nen rück­lings, nicht bäuch­lings wie die Män­ner bei MO­MEN­TUM, auf dem Bo­den. Sie sind uni­form schwarz ge­klei­det, aku­rat in par­al­le­len Li­ni­en im Raum pla­ziert, ihr Blick starr zur De­cke ge­rich­tet. Aus der Di­stanz des Zu­schau­er­raums er­schei­nen sie wie geklont.

Bo­den­ver­haf­te­te Sze­ne aus VIS MO­TRIX (Fo­to: Klaus Fröhlich)

Nach ei­ner Wei­le be­wegt sich der ers­ter Kör­per. Ein Brust­korb hebt sich ruck­ar­tig auf. Mit dem pul­sie­ren­den, lau­ter wer­den­den Sound der Mu­sik fließt En­er­gie in die Kör­per, die eher wie Ma­schi­nen wir­ken als Menschen.

Ab­wech­selnd zu­cken die Fi­gu­ren mit an­de­ren Kör­per­tei­len. Ei­ne Tän­ze­rin er­hebt ih­ren Kopf. Auf der an­de­ren Sei­te des Rau­mes schnellt ein Bein in die Luft. Der Fuß mit dem schwe­ren Turn­schuh kracht da­nach laut auf den Bo­den, was an den ty­pi­schen Krump Stomp erinnert. 

Die vier Kör­per schie­ben sich grad­li­nig, rück­wärts und vor­wärts, durch den Raum, ein­zeln oder als Grup­pe, syn­chron wie ein Was­ser­bal­lett. In schnit­ti­gen Dre­hun­gen än­dern sie ab­rupt ih­re Rich­tung wie Kaul­quap­pen oder Fi­sche in ei­nem Schwarm. Die Be­we­gun­gen wer­den zu­neh­mend raum­grei­fend. Die Tän­ze­rin­nen lö­sen sich vom Bo­den und krab­beln nun auf Hän­den und Fü­ßen, spin­nen­ar­tig, seit­lich hin- und her schwin­gend im Takt der Musik.

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Hy­bri­de ge­heim­nis­vol­le We­sen, die sich fremd­ar­tig be­we­gen; fremd, doch kei­nes­wegs be­droh­lich. Ih­re Be­we­gun­gen sind nicht ar­cha­isch wild wie bei dem männ­li­chen Vor­gän­ger­stück und we­ni­ger ag­gres­siv als beim Krum­ping, son­dern ele­gant, gra­zil und abs­trak­ter, aber nicht min­der kraftvoll. 

Cho­reo­gra­fin Ra­fae­le Giona­va­lo und die Co­coonD­ance Tän­ze­rin­nen ha­ben die Street Dance Vor­bil­der abs­tra­hiert und ein voll­kom­men neu­es Be­we­gungs­vo­ka­bu­lar dar­aus entwickelt. 

Im Ver­lauf des 45-minütigen Stücks ver­lie­ren die Kör­per ste­tig an Bo­den­haf­tung. Sie hüp­fen frosch­ar­tig hoch und rich­ten sich zu­neh­mend auf. Da­bei neh­men sie mensch­li­che­re Zü­ge an, doch et­was zieht sie im­mer wie­der run­ter, wie ma­gne­tisch zu Bo­den. Der Druck könn­te auch vom oben kom­men, zum Be­si­pi­el von einem un­sicht­ba­ren Glas­dach. (Wo­men who are hit­ting the fa­mous class ceiling.)

Das Pu­bli­kum spürt, was für ei­ne enor­me An­stren­gung die stets den Rü­cken zum Bo­den aus­ge­rich­te­ten Mo­ves den vier Tän­ze­rin­nen ab­ver­langt.  Al­lein das Zu­schau­en ist kör­per­lich an­span­nend. Fa-Hsuan Chen, Mar­ti­na De Do­mi­ni­cis, Tan­ja Ma­rin Fri­d­jons­dot­tir und Su­san­ne Schnei­der voll­brin­gen in VIS MO­TRIX ei­nen her­aus­ra­gen­den künst­le­ri­schen und kör­per­li­chen Kraftakt.

Die kör­per­li­che Leis­tung der Tän­ze­rin­nen ist be­ein­dru­ckend,” kom­men­tier­te Ana Tam­blyn die Per­for­mance.  “Mich hat das Stück fas­zi­niert. Die Tanz­wei­se ist ein­zig­ar­tig, in­sek­ten­ähn­lich, dann wie­der hat es mich an Ma­schi­nen er­in­nert. Auch als Tän­ze­rin hat es mich inspiriert.” 

Die 15-jährige Schü­le­rin ist ein Mit­glied der Ju­ni­or Com­pa­ny, die oft mit den pro­fes­sio­nel­len Co­coonD­ance Mit­glie­dern ge­mein­sam probt. Da­her hat­te sie vor­her schon ei­nen Ein­blick in das Be­we­gungs­ma­te­ri­al ge­won­nen und ei­ni­ge der Krump in­spi­rier­ten Mo­ves selbst aus­pro­biert. Die Ver­bin­dung von zeit­ge­nös­si­schem Tanz mit ak­tu­el­lem Hip-Hop fin­det sie span­nend und an­spre­chend für jün­ge­re Men­schen. Des­halb kön­ne sie das Stück auch Al­ters­ge­nos­sen sehr empfehlen. 

Wei­te­re Auf­füh­run­gen gibt es die­se Wo­che in Köln im Oran­ge­rie Thea­ter und Mit­te April im Bon­ner Thea­ter im Ballsaal.

Vis Mo­trix

13./14.03.2018 // 20 Uhr // Orangerie-Theater Köln

14./15.04.2018 // 20 Uhr // Thea­ter im Ball­saal Bonn

 

 

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