Unser Bonn soll schöner digitaler werden. Das finden jetzt auch hochrangige Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, die sich am Donnerstag zum Kick-Off fĂĽr „Digitales Bonn“ im Alten Rathaus getroffen haben. Unter Leitung des OberbĂĽrgermeisters Ashok Sridharan wurde ja bereits ein Advisory Board zur Digitalisierung Bonns gegrĂĽndet und bekannt gegeben, mit namhaften Mitgliedern aller wichtigen Institutionen und Firmen aus Bonn und Rhein-Sieg. 

Selbst wer diese Initiative kritisch betrachten möchte: es ist doch beachtlich, dass diese Personen ihren Namen (und später neben Zeit auch Geld) für das Projekt hergeben. Das fördert hoffentlich das Interesse aller ein erfolgreiches Projekt hervorzubringen.

Am 15.04.2016 durfte sich nun zum ersten Mal das Innovation Board zusammenfinden, 50 Personen, zusammengebracht durch den ehrenamtlich agierenden Axxessio-Geschäftsführer Goodarz Mahbobi, der als Projektleiter zwischen beiden Gremien vermitteln möchte. Das Advisory Board wird bewerten und beraten, die über 50 Mitglieder des Innovation Boards sollen Ideen sammeln und Konzepte schreiben.

Herr Mahbobi hatte mich unter anderem auch in das Innovation Board eingeladen, weil ich bereits kurz nach der Pressemitteilung kritisch zur Initiative „Digitales Bonn“ gebloggt hatte, aber auch beim IHK-ITK-Ausschuss mit Johannes Mirus fĂĽr Bonn.digital die Gelegenheit hatte, die Bonner digitalen Communities vorzustellen. Besonders bei Herrn Oberlies von der IHK Bonn möchte ich mich bedanken, dass er mich fĂĽr die Aufnahme in das Board vorgeschlagen hat.

Digitalisierung killed the analog star

Im Alten Rathaus wurde zuerst ein Vortrag gehalten: ich kam trotz aller digitalen Hilfsmittel zu spät und konnte nur auf der letzen Folie erkennen, dass wir kurz vor einer exponentiell steigenden Kurve stehen, die bald ganz stark abheben wird. Zusammengefasst: es muss jetzt in Sachen Digitalisierung Bonns gehandelt werden. Mein Stehtischnachbar meinte, dass der Vortrag ganz interessant gewesen sein muss und das Thema auf den Punkt gebracht habe.

Es fiel sofort auf, dass auch das Innovation Board hauptsächlich aus Personen mit Rang und Namen bestand. Ich vermisste die digitale Bonner Community, die ich sonst vom BarCamp Bonn und den vielen digitalen Meetups und Stammtischen in Bonn gewohnt zu sehen bin. Ich erkannte Mitglieder der Wirtschaftsförderung, der kommunalen IT, einen Pressevertreter und ein paar Wissenschaftler der Uni Bonn, daneben erkannte ich die Mitglieder der IHK und ein paar Wirtschaftsvertreter, die meisten waren mir aber unbekannt. Es waren wie erwartet sehr wenige Frauen dabei, auch in diesem Board war Vielfalt eher Mangelware: ich zählte nur 5 Frauen unter etwa 50 Männern, die meisten in dunklen Anzügen.

Kommunikation zwischen Noch-Analogen und Schon-Digitalen

Mein zweiter Blick galt dem Smartphone. Ich wollte andere teilhaben lassen an der Veranstaltung. Es war das übliche: kein bis kaum Netz (max. auf Modemniveau von 1996), kein WLAN, kein gemeinsamer Hashtag und nach Steckdosen brauchte ich nicht zu suchen. Später fand ich dann eine kreative Lösung, um zumindest ein paar Tweets loszuwerden.

Die Zielgruppe im Raum war aber nicht bei Twitter, auch wenn einige ihre Köpfe Richtung Smartphone senkten. Außer mir twitterte nur Michael Lobeck, der Pressesprecher der IHK Michael Pieck und Jörg Haas aus der Veranstaltung.

Ganz allgemein fiel mir schon zu Beginn der Veranstaltung auf, dass in Bonn die digitalen Communities und die „Entscheider“ noch in ganz anderen Sphären unterwegs sind. Die einen wollen twittern, die anderen lesen Zeitung. Die einen gehen zu offenen Stammtischen um sich auszutauschen, die anderen treffen sich lieber in geschlossenen Clubs. Auch zum Ende der Veranstaltung wurde das noch mal besonders deutlich, als gefordert wurde, es mĂĽsste doch mal ein digitales Meetup in Bonn geben. Wer mal einen Blick auf Bonn.jetzt geworfen hat, weiĂź, dass es bereits eine Vielzahl gibt. Aber das und viele andere Dinge, wie zum Beispiel Coworking, die in Bonn bereits bestehen, waren den meisten Experten vor Ort nicht bekannt. Ich finde das tragisch und suche immer noch nach Ideen und Wegen, wie man diese Welten zusammenbringen kann. Wer Bonn digital machen will, muss in Bonn auch analog kommunizieren. In meiner Verzweiflung ĂĽberlegte ich, ob ein Fax-Newsletter hierbei hilfreich sein könnte. Aber bevor das Innovation Board Ideen sammeln durfte, wurden vier Gruppen gebildet. Ich bekam einen blauen Punkt und wurde der Gruppe „GrĂĽnderszene“ zugewiesen.

GrĂĽnderszene in Bonn: Ideensammlung

Wir wechselten den Raum. 15 Mitglieder (darunter als einzige Frau die Wirtschaftsförderin Frau Appelbe) stellten sich zuerst einmal vor. Ich war geneigt mich in Hashtags vorzustellen, aber der Firmenname reichte neben zwei Sätzen schon aus, um klarzumachen, was meine Mission war.

Schon kurz danach ging es ans Eingemachte. An drei Flipcharts sollten wir unsere Ideen anpinnen, wie wir Bonn zu einer der attraktivsten Gründerstädte Deutschlands machen möchen. Ich hatte viele Ideen, wollte aber trotzdem irgendwie den Kanal nach außen öffnen und bekam so viele Inspirationen. Die Vorschläge reichten von einem Gründungsberatungsbüro, über ermäßigte gewerbliche Mieten, besseres Marketing, Umfragen bei gescheiterten und abgewanderten Gründern und mehr Venture Capital bis zu einer attraktiven Infrastruktur (nachzulesen hier). Im Grunde haben meine Twitter-Follower, damit alle wichtigen Punkte angesprochen, die auch im Raum gefunden wurden.

Mit Sternchen durfte jeder seine Favoriten auf den Flipcharts auswählen. So wurden die wichtigsten Themen identifiziert: Räume, Finanzierung, Kommunikation, Ausbildung und Beratung, die auf einer Zeitleiste nach kurzfristigen, mittelfristigen und langfristen Projekten sortiert wurden.

Nun wurden erneut Kleingruppen gebildet: ich schloss mich der Gruppe „Räume“ an, da ich als Idee hatte, das bestehende Coworking-Konzept in Bonn zu einem GrĂĽnderzentrum auszubauen, so dass mehr Freiräume zur VerfĂĽgung stehen, mehr Beratung stattfinden kann und das Konzept bekannter gemacht wird. Leider verlief die Diskussion etwas im Sande und wir haben vom mehrseitigen Konzeptbogen nur drei kleine Felder ausfĂĽllen können, nachdem wir uns gegenseitig ĂĽber die Ideen intensiv und kontrovers ausgetauscht haben. Das war etwas schade, aber wir beschlossen das Dokument digital kollaborativ weiter zu fĂĽhren und fanden noch einen anderen persönlichen Termin im Coworking Bonn, wo wir uns das bestehende Coworking-Konzept einmal anschauen können.

Gruppenergebnisse des Kick-Offs

Die „Bonn Business School auf Entrepreneurship“ war eine sehr beliebte Idee aus der Gruppe „Startups“. Es macht auch Sinn, von der Ausbildung bis hin zum konkreten Arbeiten nach der Ausbildung z.B. in einem Coworking-Space zu denken. Der in Bonn bekannte Investor Jörg Haas brachte diese Idee mit groĂźem Elan in die Runde, die sich der Idee engagiert anschloss und konzeptionell in den Projektbögen festhielt. In der gemeinsamen Abschlussrunde wurden auch die Ideen aus den anderen drei Gruppen vorgestellt:

Die smarte Straßenbeleuchtung sollte alles können: per LED Strom sparen, zeitgesteuert eingeschaltet werden, aber auch Feinstaub messen, WLAN zur Verfügung stellen und Verkehrsflussmessungen vornehmen, also quasi die eierlegende Wollmilchsau werden.

Zumindest zum Thema „freies WLAN“ kannte ich nach den vier Stunden Internetentzug bedingungslos meine Zustimmung geben.

Tja, ich musste beim Punkt „Bonn braucht ein digitales Meetup“ etwas lachen, ein Sitznachbar schaute mich auch mit der Frage an: kennt er denn nicht Bonn.jetzt? Nein, kannte er nicht. Netterweise fand ich später beim Bier danach heraus, dass der Moderator meiner Gruppe selbst schon ein Meetup in Bonn gegrĂĽndet hatte.

Zum Thema Sicherheit hoben Mahbobi und Sridharan gemeinsam am Ende hervor, dass besonders die Sicherheit von Kindern im Internet wichtig sei und dass Bonn dort glänzen müsse. Niemand würde da widersprechen wollen, nur gilt für mich das gleiche online wie offline.

Fazit

Geschenkt, dass ich vier Stunden quasi offline sein musste, bei einer Veranstaltung, die sich digitales Bonn nennt, aber keine Hashtags kennt. Klar wurde mir, dass die Kommunikation zwischen den verschiedenen Gruppen verbessert werden muss. Das bestehende digitale Bonn muss sichtbarer werden, dass Bonn, das digital werden möchte, sollte sich vielleicht auch mal informieren, was schon da ist. Man muss ja nicht alles neu erfinden.

Positiv ist, dass sich endlich mal eine Menge Entscheider zusammengetan haben und „irgendwas mit digital“ machen wollen. „Digitales Bonn“ hat das Potential eine Menge Geld locker zu machen, sei es durch Sponsoren, Förderprogramme oder Stiftungen. Und einige der Beteiligten sind sich sehr wohl des digitalen Wandels und seiner Konsequenzen bewusst. Aber die wenigsten davon kenne ich durch aktive Beteiligung in den lokalen digitalen Communities, die viele Ideen haben, denen aber oft die Möglichkeiten fehlen.

Die Zusammenfassung ist ganz einfach: die einen haben mehr Geld und Einfluss, die anderen haben mehr Ideen und Wissen ĂĽber das bestehende digitale Bonn. Ich hätte mir gewĂĽnscht, dass beim Prozess mehr Teilhabe durch alle möglich gewesen wäre. Was Bonn fĂĽr mich von anderen „digitalen Städten“ abhebt, ist die fast dörflich anmutende, aber doch extrem gut digital vernetze Stadtgesellschaft. Augenhöhe, das sollte doch fĂĽr unsere Bundesstadt ein leichtes sein, wo frĂĽher hohe Bundespolitiker und einfache BĂĽrger in der gleichen Kneipe ihr Bier getrunken haben.

Und so war es auch der Lichtblick des Tages, als ich bei einem Bier im „em Höttche“ neben dem alten Rathaus dann noch Gespräche ĂĽber die Blockchain und Bitcoins fĂĽhren konnte, aber auch: wie wir nach Bonn gekommen sind und wie die Schönheit Bonns uns hier gehalten und zusammengefĂĽhrt hat.

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