Debakel Viktoriakarree: Was nun bleibt

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Bonn – Es ist geschehen: Der Rat gibt dem Begehren der Initiative Viva Viktoria statt. Der Umbau des Viertels, der seit 2009 geplant wird, ist damit hinfällig. Er wurde durch engagierte Bürger gestoppt, die sich seit rund 5 Monaten interessieren für den Vorgang, die erst aktiv wurden, als der politisch legitimierte Rat eine Entscheidung gefällt hatte.

Nein, der Rat hat dieses Projekt nicht im Geheimen gefällt, wie immer behauptet wird. Seit Jahren konnte man es in den Medien lesen, wenn man es denn wollte. Und natürlich ist es legitim für eine Bürgerinitiative, so zu agieren. Sie hat übrigens wunderbar mobilisiert.

Ergebnisse der Bürgerwerkstatt

Was bleibt jetzt? Eine Bürgerwerkstatt, die natürlich engagiert zu Ende geführt wird. Darin wird höchstwahrscheinlich gefordert (beliebig erweiterbar):

  • Ein lebenswertes Viertel soll entstehen.
  • Keine Mall, der kleinteilige Flair durch Einzelhändler soll erhalten werden.
  • Mieter sollen bleiben dürfen oder nach der Sanierung neue Wohnungen und Mietflächen bekommen.
  • Es soll ein kulturelles Zentrum entstehen, in der sich auch die Subkultur entfalten kann.
  • Möglichkeiten für neue Geschäftsideen.
  • Erhalt der Strukturen, des Stadtmuseums, der Gedenkstätte.
  • Ein grünes Zentrum dort, wo jetzt der Parkplatz ist.

Klingt super, oder? Doch es wird nicht so umgesetzt. Im Kern wird das Viertel in den nächsten zehn Jahren und darüber nicht entwickelt. Ein Parkplatz wird weiterhin das Zentrum prägen. Das Stadtmuseum und die Gedenkstätte werden höchstwahrscheinlich verlegt, denn die Stadt wird weiterhin keinen Cent in eine Renovierung stecken mögen. Abends werden weiterhin Autos mit laufendem Motor an der Tiefgarageneinfahrt stehen.

Widerspruch in sich

Das Viertel ist nicht wirklich zu entwickeln, wenn es so bleiben soll. Derzeit zahlen einige der Mieter einen Quadratmeterpreis von unter vier Euro. Welcher Investor könnte da nach einem Neubau mithalten? Wie kann man das Café Blau, das im Eingangsbereich des ehemaligen Bads untergebracht ist, erhalten, ohne das Bad nicht abzureißen? Jede Veränderung des Bestands hätte eine Veränderung der Mieter zur Folge und das ist von den Bürgern nicht gewollt. Das Projekt ist dadurch alleine zum Scheitern verurteilt. Das wissen die Ratsherren, das wissen die Initiatoren genauso.

Wer mal auf buergerwerkstatt-bonn.de geht, findet übrigens das Ergebnis der letzten Bürgerwerkstatt in Bonn. Die entstand, nachdem eine Initiative vor zehn Jahren die Neugestaltung des Bonner Lochs stoppte. Bis heute wurde nichts davon umgesetzt. Denn wer soll das bezahlen, wenn nicht ein Investor kommt? Somit leben die Bonner weiterhin mit einem Loch, dem Schandfleck, einem ZOB, der nicht mehr als Asphaltprovisorium ist, dort aber als lebenswerte Freifläche deklariert wurde, und ein Parkplatz, der in bester Stadtlage liegt. Mal sehen, ob nächstes Jahr das Nordfeld bebaut wird…

Möglichkeit: Stadt soll bauen

Als einzige Option bliebe für das Viktoriakarree eine städtische Lösung. Die klamme, überschuldete Kommune könnte – vielleicht zusammen mit der Uni Bonn (die damals das Gelände nicht kaufte, als sie es noch konnte) – das Viertel eigenständig entwickeln. Eine Stadt muss keinen Gewinn machen.

Aber ein solches Projekt würde, egal wie und was durch die Stadt gebaut wird, natürlich skandalös teurer als erwartet werden. Siehe Haus der Bildung.

Wird der Rat dafür stimmen, 2026? Eher nein.

Told you, Bundesfreilichtmuseum

Bonn ist eben ein Bundesfreilichtmuseum, das Veränderungen für per se schlecht hält. Auf jene Art wurde der Bahnhofsneubau gestoppt, deshalb gibt es keine Hardtbergbahn, wurde und wird nix aus der Sanierung Beethovenhalle/Festspielhaus, aus diesem Grund muss um jeden kranken Baum gekämpft werden. Lieber in zweiter Reihe parken, als familien- und radfreundlich werden. Lieber ein Provisorium über einhundert Jahre erhalten, als alle vierzig Jahre etwas neues schaffen.

(Dieser Beitrag ist im Original hier erschienen.)

20 Kommentare

  1. Es ist traurig, dass der Erfolg der Initiative zum Aushängeschild für den Stillstand in Bonn gemacht wird. Und nun springen auch alle auf den Zug auf, die zu faul sind, um sich eigene Gedanken zu machen oder die Geschehnisse ernsthaft zu hinterfragen.

    • Danke für deinen Kommentar. Wenn du den Beitrag gelesen hast, siehst du vielleicht, dass ich mir Gedanken gemacht habe.
      Und darin wird auch deutlich, dasss es mir nicht um das geht, was passiert ist. Viva Viktoria e.V.hat wunderbar mobilisiert und demokratisch ihre Möglichkeiten genutzt.

      Ich äussere mich übeigens seit längerem differenziert über die Ereignisse, bin also nicht erst gerade auf den Zug aufgesprungen. ;)

      Mir geht es hauptsächlich um das, was jetzt kommt. Ich habe meine Gedanken zum Fortgang der Ereignisse geschildert. Dass die einzige Möglichkeit, das Viertel zu entwickeln, durch eine städtische Baulösung wäre, die ich in den nächsten 10 Jahren für nicht umsetzbar halte.

    • Meiner Ansicht nach ist da nichts Differenziertes an dem Artikel. Du lobst die Vorgehensweise von Viva Viktoria, ja, lässt aber kein gutes Haar an dem Ergebnis. Das Viktoriakarree wird von dir in eine Sparte mit dem Festspielhaus und dem Bonner Loch getan. Ergebnis der Initiative ist deiner Meinung nach der Stillstand. Die Bonner wollen ja alle keine Veränderung im Stadtbild. Und überhaupt kommen nun gar keine Investoren mehr nach Bonn. Das ist für mich gedankenloses Geschwurbel und Stimmungsmache gegen ein alternatives und kreativ werdendes Bonn. Leider höre ich diese Worte gerade von sehr vielen Seiten. Darauf bezog ich mich. Es wird sich zeigen, welche finanziellen Lösungen gefunden werden können. Ein Investor mit zweifelhaftem Ruf und unterirdischen Vorstellungen von Fortschritt ist hier jedenfalls nicht zum Zug gekommen – zum Glück! Wenn aber von allen Seiten schwarz gemalt wird, zieht das die Stimmung nach unten und drückt die Bürgerbeteiligung. Dieses destruktive, passive Verhalten steht meiner Meinung nach eher für Bonn – und endlich gibt es eine Initiative, die daran etwas ändern möchte.

    • Um es mal zusammenzufassen: Die Parallelen zum Bürgerbegehren 2004/5, an dem der Umbau des Bahnhofsvorplatzes zuletzt scheiterten, und der Folgenlosigkeit der Bürgerwerkstatt sollten offensichtlich sein. Damals nahm man lieber in Kauf, dass lieber nichts passiert, als dass ein Entwurf für einen neuen Vorplatz umgesetzt wird. Statt die Bürger zu befragen, gab man dem Protest nach (nicht zum ersten Mal dort.

      Und man kann abwarten, was passieren wird, wenn der aktuelle Investor seinen Bauantrag am Bonner Loch vorlegt. Erst kritische Stimmen haben sich dazu schon geäußert.

      Ich finde es gut, dass sich Bürger in Bonn für eine Sache engagieren, und das Vorgehen von VV war ausgezeichnet. Und ich wäre begeistert, wenn die Ideen umgesetzt.Fakt aber ist: Die Bürger interessierten sich erst, nachdem ein jahrelanger Entscheidungsfindungsprozess abgeschlossen waren. Sie brachten sich nicht in die Gestaltung ein, bieten auch kein Alternativkonzept auf (anders als bei S21/K21), dabei steht seit rund 10 Jahren fest, dass das Viertel umgebaut werden soll. Dafür werden jetzt (!) Ideen gesammelt und abgestimmt. Das ist natürlich gut und auch wichtig, denn Bürger sollten sich immer einbringen können.
      Das bedeutet aber auch weitere Jahre des Stillstands für ein Projekt, das bereits jahrelang verschleppt wurde. Das ist das eigentliche Debakel am gesamten Projekt, und das ist der Stillstand, den es in Bonn überall gibt. Dinge werden halbherzig und ängstlich angegangen, kleinteilig umgedacht und beim geringsten Problem wird verschoben.

      Ich habe nie behauptet, dass sich nie wieder ein Investor für eine Mall finden wird. Wohl aber, dass kein Investor ein Projekt umsetzen wird, wie es das Ergebnis der Bürgerwerkstatt liefert. Dass, was dort gefordert werden wird, ist nicht durch einen Großinvestor realisierbar, der an Gewinn interessiert ist. Alleine das Grundstück zu erwerben, die Auflagen der Stadt bezüglich Museum und Gedenkstätte, sind kaum für kleinere zu stemmen.

      Ein solche Umbau wäre nur möglich, wenn die Stadt selbst das Viertel entwickeln sollte, etwa in Kooperation mit der Universität. Zudem müsste auf jeden Fall der marode Riegel an der Uniseite und das Bad abgerissen bzw. aufwendig entkernt und kernsaniert werden. Was das für die Mieter dort bedeutet, die ja den Charme des Viertels ausmachen, dürfte klar sein.Die Stadt kann das derzeit nicht bezahlen und wird politisch auch kein Interesse an einer so teuren Lösung haben. Deshalb wird nach der Bürgerwerkstatt auch nichts passieren. Das ist der Stillstand, der kommen wird.

    • Im Umkehrschluss bedeutet Fortschritt für dich, überall Einkaufszentren zu errichten, die das Stadtbild vereinheitlichen und den Einzelhandel und die Mieter vertreiben? Ich sehe hier keine Halberzigkeit, keine Ängstlichkeit beim Vorgehen der Initiative. Die spiegelt sich eher in deiner Haltung und Meinung wider. Wie soll man sich in die hanebüchenen Gestaltungsideen eines offensichtlich korrupten Investors einbringen? Die Grundidee der Umgestaltung nach Benko ist einfach falsch – daran lässt sich nicht rütteln. Das sprichst du anscheinend nur nicht so gerne an, ist allerdings Grundlage für die jetzige Situation, die du Stillstand nennst. Ganz ehrlich: Wenn die einzige Lösung für das Viktoriakarree eine übergroße Shoppingmall ist (denn das scheint der Gewinnorientierung der Investoren momentan in allen Städten am ehesten gerecht zu werden), dann ist es so besser wie es jetzt ist. Mit Stillstand hat das nichts zu tun, sondern mit der Abwendung eines weiteren Schrittes in Richtung Gentrifizierung. Es wird sich zeigen, was passiert und welche alternativen Lösungen gefunden werden können. Zum Glück kann hier ja keiner die Zukunft voraussagen.

    • Sarah Kloss Niemand braucht eine auf Teufel komm raus eine Mall. Diese wurde aber vom Stadtrat, der von Bürgern wie dir und mir gewählt werden konnte und uns vertritt, so bestellt. Signa hat das in etwa geliefert, der Rat entschied sich dafür.

      Die Initiative ist Gott bewahre auch nicht kreativ- oder mutlos. Es ist nur schade, dass wenn man ein Projekt – endlich – nach Jahren der Debatten und Ratsvorlagen zum Abschluss bringt in Bonn, sich dann ganz am Schluss Unmut regt, und alles wieder auf Anfang gesetzt wird.

      Gentrifizierung wird bei jedweder Art von Umbau stattfinden, denn die Mieten in dem Viertel sind oft deshalb so günstig (und nur deshalb konnten auch spannende Einrichtungen entstehen), weil die Vermieter froh sind, jemanden kurzfristig zu finden, und weil sie keinen Cent hineinstecken wollten. Eine Gentrifizierung zu verhindern, wird nur möglich sein, indem man das nicht groß ändert.

      Ich habe im Kommentar aufgezeigt, dass in den nächsten Jahren nichts ändern wird, eben weil man wieder am Anfang ist. Das mögen Leute gut finden. Ich aber wäre froh, in einer Stadt zu leben, in der man endlich die Probleme, die aus den 70ern Stammen, angeht, in einer Stadt, die sich auch traut sich zu verändert.

      Die Probleme, die es offenkundig in dem Viertel gibt – Parkplatz statt vom Bürger nutzbare Fläche, eine raumfordernde Tiefgarageneinfahrt, an der es sich ständig staut, eine Einbahnstraße für Radfahrer, die deshalb nicht zum Hofgarten kommen, eine für Fußgänger nach heutigen Maßstäben nicht nutzbare Rathausgasse, bei der Autos statt Menschen Vorfahrt haben, zu enge Fußgängerwege, eine unsinnige Ampel, an der man ewig warten muss, die dringend nötige Unterbrechung des Cityrings, um Autos aus der Innenstadt zu halten – all das sind Dinge, die man endlich angegangen wäre, ein Baustein.

      Das Problem mit dem Stadtmuseum und der Gedenkstätte, die dringend erneuerte Räume brauchen. Das Problem eines seit Jahren leerstehenden Bades, ungenutzten Raums.

      Von der Uni ganz zu schweigen, die wegen der anstehenden Innensanierung tricksen muss, mit Folgen für alle Studis. (Sie hätte es ja auch selbst kaufen können…)

      Das alles wird sicherlich innerhalb der Bürgerwerkstatt thematisiert. Am Ende ist es immer immer eine Frage des Geldes. Die Stadt müsste das Viertel zum Beispiel selbst entwickeln, nach anderen Maßstäben (z.B. kleinteilige Ausschreibung und Vergabe einzelner Abschnitte mit einem Impulszentrum im Inneren).

      Aber nicht mit der aktuellen wackeligen und mutlosen schwarz-gelb-grünen-Ratsmehrheit, wie die letzten zehn Jahre deutlich zeigen.

      Gleich welche Wünsche die Bürgerwerkstatt sinnvollerweise auch hat, am Ende wird es wieder bei noch so tollen Wünschen bleiben, und ungelösten Problemen. Das ist der Stillstand, unter dem diese Stadt seit Jahren leidet.

  2. Liebe Bundesstadt.com!

    Ihr lasst bei F***book Herzchen fliegen. Das ist süß. Ihr republiziert einen Beitrag über das „Debakel Viktoriakarree“. Mit zwei Doppelpunkten in der Überschrift; muss also wichtig sein.

    Den Beitrag (ich mag’s irgendwie gar nicht Artikel nennen, das klänge so redaktionell) hat der Sebastian geschrieben, Eckert der Familienname. Der schreibt auf Twitter so Sachen wie zum Beispiel „Auf der A3 stehen gerade rund 30 LKW mit Warnlicht am Standstreifen.“ oder „Das windows 8 und 10 nativ kein mpg unterstützt, ist schon ne Hausnummer…“.

    Ich lasse mal Orthografie und so unwichtige Dinge außen vor (ist ja Twitter). Aber Ihr erklärt gar nicht, was diesen Sebastian so derart qualifiziert, dass er bei Euch auf die Seite darf.

    Oder ist das eigentlich auch egal, weil er ja Eure Meinung teilt? Oder gehört er womöglich zu den „Autorinnen und Autoren von Bundesstadt.com“? Das, fände ich, wäre wirklich ein Debakel.

    Manchmal verstehe ich aber auch ein paar Sachen einfach nicht. Liegt bestimmt an mir.

    Schöne Adventszeit noch!

    • Lieber Tom, Familienname Schwarz.
      es ist schön zu sehen, dass du erkannt hast, wer den Artikel, auch Geschreibsel genannt, verfasste und auf die Diskussionsplattform für Bonn, bundesstadt.com, brachte. Solche Hinweise stehen ja meist nur klein leserlich am Ende des Artikels, verschämt weggedrückt.

      Es stimmt, dass ich die harten Bedingungen zur Abschlussprüfung als Autor (im Kern: Jeder darf, der will) auch nur knapp bestanden habe, was vorallem an orthographischen Schwächen lag, die du dankenswerterweise nicht, oder irgendwie doch, zu einem deiner Hauptargumente machst. Aber um es mit deinen Worten vor einigen Stunden zu sagen: „no forther comment needed.“ Schwamm drüber.

      Nur weil etwas auf bundesstadt.com in der Rubrik Disskussion steht, ist es nicht Redaktionsmeinung.

      Ich twittere übrigens nicht nur über Alltäglichkeiten, sondern schreibe gelegentlich auch Prosa, und bericht ab und zu auch mal über Ereignisse in der Stadt, nur so nebenbei, falls dich meine Twittertimeline langweilt.

      Zum Thema: Du hast sich offenbar mit Überschrift, Autor und Plattform auseinandergesetzt. Wenn dich etwas an meinem Artikel auch inhaltlich stören sollte, was ich deinem Kommentar jetzt direkt nicht entnehmen konnte, dann erkläre es mir doch. Ich setze mich gerne damit auseinander.

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