Geförderter Wohnraum in Bonn: Zahl günstiger Wohnungen sinkt weiter

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Bonn – Wer in Bonn auf günstigen Wohnraum angewiesen ist, hat in Zukunft noch schlechtere Karten: Die Zahl geförderter Wohnungen sinkt weiter, um 21,23 Prozent in den letzten zehn Jahren. Die bisherigen Gegenstrategien gehen nicht auf. Alles was du über die derzeitige Situation wissen musst.

Gab es 2009 noch 14.945 geförderte Wohneinheiten, sind es zehn Jahre später nur noch 11.773. Das bedeutet: Nur noch 6,8 Prozent aller Bonner Wohnungen sind für einkommenschwache Familien vorgesehen. Dabei hätte jede zweite Bewohnerïn Anrecht auf eine solche Wohnung, schätzt die Stadt. Eine Trendwende ist nicht in Sicht.

Maßnahmen wirkungslos – Baulandmodell greift nicht

Es wurden keine effektiven Maßnahmen ergriffen. Die Stadt räumt auf Anfrage der LINKEN ein, dass sich dieser Trend fortsetzen wird:

Sie teilt mit: „Die bisherigen Maßnahmen sowie der Ankauf von Besetzungsrechten können den Rückgang von Wohnungen mit Sozialbindung am gesamten Wohnungsbestand derzeit höchstens abschwächen.“

Mit bisherigen Maßnahmen ist unter anderem das sogenannte Baulandmodell der Stadt gemeint. Es sieht im Kern vor: Werden neue Wohnungen gebaut, sind stolze 40 Prozent zwingend für einkommensschwächere Mitmenschen vorgesehen. Sogar eine Kita müssen die Bauherren einrichten. Doch die Vorgaben greifen nur, wenn mindestens 24 Wohnungen oder 2200m² Bruttogrundfläche gebaut werden. Ab zwölf Wohneinheiten sind 20 Prozent Förderwohnungen vorgesehen.

Bloß: Solche Großprojekte gibt es nicht viele. 2019 und 2020 entstehen etwa 700 solche Wohnungen – insgesamt! Deutlich mehr Wohnungen werden allerdings aus der Preisbindung herausfallen – der freie Markt bestimmt dann die Mietpreise. Die Zahl der geförderten Wohnungen sinkt also effektiv.

Und: Wenn in Bonn gebaut wird, dann meist unterhalb der Grenze von 12 Wohneinheiten. Stattdessen wird etwa nachverdichtet. Die Stadt dazu: „Im Innenbereich stehen für Baugebiete jedoch nur geringe Flächenkapazitäten zur Verfügung, sodass eine große Anzahl an Wohneinheiten […] zunehmend schwierig zu realisieren ist. Aufgrund der Bemessungsgrenzen des Bonner Baulandmodells sind kleinere Bebauungsplanverfahren von der Anwendung ausgenommen.

Dabei stehen sogar 18,48 Millionen Euro Zuschuss für Investoren zur Verfügung – doch die rufen die Mittel nicht ab. Denn Geld ist günstig.

Stadt: Ankauf oder Enteignung ist keine Lösung – Lage wird sich verschlimmern

Auch ein zusätzlicher Ankauf bestehender Wohnungen, so die Stadt, könne den Verlust an geförderten Wohnungen höchstens bremsen, nicht aufhalten. Besonders schlimm: Bis 2040 wird sich die Lage dramatisch verschlimmern. Denn die Bonner Bevölkerung soll Schätzungen zufolge um 12,1 Prozent wachsen.

Enteignung oder Ankauf sei da nicht der richtige Weg, so die Stadt. Helfen könnte nur eines: BAUEN.

Die Stadt plant nun die Einrichtung der Projektgruppe „Geförderter Wohnungsbau in Bonn“, um „den geförderten Wohnungsbau zu stärken und einen gesellschaftspolitisch erforderlichen und sinnvollen Anteil an gefördertem Wohnungsbau am Bonner Wohnungsmarkt zu etablieren.“

LINKE: Ablenkungsmanöver!

Die LINKE spricht von einem Ablenkungsmanöver. Holger Schmidt, sozialpolitischer Sprecher, erklärt: „Obwohl vollkommen klar ist, dass Neubau alleine keinesfalls zu einem ausreichenden Anteil von Wohnungen mit Preis- und Belegungsbindungen führt, wird Neubauen in einer Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion weiter als Allheilmittel verkauft und der Ankauf von Wohnungen explizit abgelehnt – eine mögliche Enteignung großer Wohnungskonzerne natürlich auch.

Im September wird im Rat erneut über geförderten Wohnraum debattiert. DIE LINKE fordern eine Preisbindung von mindestens 40 bis 60 Jahren. „Wenn schon überhaupt städtische Grundstücke abgegeben werden, dann sollte dies doch das Mindeste sein.“ Laut Beschluss soll die Verlängerung der Förderbindung nur auf 30 statt, bislang, 25 Jahre erfolgen (Hintergrund).

Auch SPD fordert Verschärfung

Auch die SPD fordert eine Verschärfung der Quotenregelungen. In einem Antrag fordert sie, dass bereits ab sechs neuen Wohnungen jede Dritte gefördert werden muss.

Fazit: Keine Lösung in Sicht

Die Lage am Bonner Wohnungsmarkt wird sich rapide verschlechtern. Die Zahl der Sozialwohnungen, von geförderten Wohnungen, wird weiter sinken. Kritiker hatten bereits bei der Verabschiedung des Modells darauf hingeweisen, dass solche Baulandmodelle allgemein und dieses im Besonderen keine Lösung bringen wird. Helfen könnten zumindest, wie etwa in Wien oder München, knallharte Förderregelungen. Werden Wohnungen gebaut, müssen in Wien 30 Prozent gefördert sein. Allerdings hat die Stadt Wien auch nicht ihren eigenen Bestand verkauft.

Auch der Ankauf von Wohnungen könnte helfen. Er schafft zwar keinen neuen Wohnraum, aber er senkt die Mieten. Statt des vielbeschworenen Markteffekts (Trickle Down, wenn hochpreisiger Wohnraum entsteht, wird niederpreisiger frei) wäre es eine Begrenzung von unten. Doch das kostet, und ist politisch und fiskal nur schwer umsetzbar.

Gemeinderat Kurt Stürzenbecher aus Wien urteilt im Deutschlandfunk: „Das Wichtigste ist: Nicht auf den Markt alleine vertrauen, sondern den Markt korrigieren und Wohnen als Menschenrecht sehen und dieses Menschenrecht muss mit den staatlichen und kommunalen Mitteln durchgesetzt werden.“

Letztlich wird es schwierig, die Fehler der Vergangenheit, den Verkauf der eigenen Sozialwohnungen um die Jahrtausendwende an die großen Wohnbaufirmen, zeitnah zu korrigieren. Die damals ausgehandelten Belegungsrechte laufen seit Jahren aus. Es bleibt: Kaufen, bauen und gefördert bauen lassen.

Wohngebäude in Bonn-Tannenbusch. Foto: Michael Lobeck, CC-BY 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/) via https://promediare.com/2017/07/16/bonn-tannenbusch-spaziergang-am-15-7-2017-19-fotos/
Wohngebäude in Bonn-Tannenbusch. Foto: Michael Lobeck, CC-BY 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/) via https://promediare.com/2017/07/16/bonn-tannenbusch-spaziergang-am-15-7-2017-19-fotos/

Quellen Wohnungsberechtigungsschein: GA - Wohnungsberechtigungsschein (29.03.2017).
Quellen Baulandmodell: "Bonner Baulandmodell: Modifizierung des Ratsbeschlusses 'Verbindliche 30%-Mindestquote für sozialen bzw. geförderten Wohnungsbau bei Neubauvorhaben mit Planungsrecht". Ratsbeschluss.  Vorlage: 1811574EB5 (Geänderte Beschlussfassung, 12.07.2018). Erläuterungen bonn.de
Quellen geförderter Wohnraum: Große Anfrage DIE LINKE. "Anhaltendes Wegbrechen des geförderten sozialen Wohnungsbaus" 1911299ST2. 23.04.2019)
Stellungnahme Verwaltung (1911299ST3, 12.06.2019).
Quelle Änderung der Fördergrundlagen: "Förderung des öffentlich geförderten Wohnungsbaus beim Verkauf von städtischen Grundstücken",  19117137 03.06.2019. Änderungsantrag LINKE 11737AA3.
Quelle SPD Antrag: Quote geförderter Wohnungsbau, 1912138, 11.07.2019 
Quellen Kritiker Baulandmodell: Regelung für NeubautenBonner Rat beschließt höhere Sozialbauquote, General Anzeiger Bonn, 11.07.2018. 
Prof. Theo Kötter"Mangel an bezahlbarem Wohnraum – Was leisten kommunale Baulandmodelle?", in: Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V., FWS 3 / Mai – Juni 2018. 
Quellen Wien: Mitteilung Stadt 2018. 
Deutschlandfunk. Sozialer Wohnungsbau. Warum Wiener günstig wohnen. 20.09.2018
Quellen Verkauf Wohnungen, GA: http://www.general-anzeiger-bonn.de/region/Ausverkauf-der-Sozialwohnungen-bef%C3%BCrchtet-article148742.html

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