Die Wahl-Bonnerin bringt einen Startvorteil im Wahlkampf zum kommenden Bundestag: Sie hat bereits einen Zweitwohnsitz in Berlin. Denn dort arbeitet sie für den stellvertretenden Vorsitzenden der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Oliver Krischer. Katrin Uhlig traf sich digital mit Ansgar Skoda und Johannes Mirus. Wir sprachen – natürlich – über Klimapolitik und Bonn, aber auch über Katastrophenschutz, den Wohnungsmarkt und ihr Wunschministerium.

Bundesstadt.com: Elektro-Mobilität gilt als großer Baustein der Energiewende. Zurzeit gibt es aber lange Lieferzeiten. Zudem werden viele eher große Autos gebaut, vor allem Elektro-SUVs. Wie kann man Elektro-Kleinwagen attraktiver machen? Verdienen die Hersteller an ihnen zu wenig?

Katrin Uhlig: Im internationalen Vergleich haben deutsche Autohersteller zu lange auf andere Arten der CO2-Reduktion gesetzt, beim Dieselskandal sogar mit illegalen Tricks. Wir wollen die Autobranche dabei unterstützen, die Transformation zur E-Mobilität hinzubekommen. Gleichzeitig ist es derzeit tatsächlich eher so, dass sich Leute mit mehr Möglichkeiten E-Autos leisten, die dann größer ausfallen. Wir wollen auch Menschen mit geringeren Einkommen ermöglichen, auf E-Mobilität umzusteigen. Das geschieht durch Unterstützungs- und Fördermaßnahmen, damit es attraktiver wird.

Grundsätzlich muss ich aber auch sagen, dass wir ein anderes Mobilitätsverhalten anstreben. Unser Ziel kann es nicht sein, alle jetzigen Verbrenner 1:1 durch E-Autos zu ersetzen. Wenn wir effektiven Klimaschutz machen wollen, müssen wir auch ein anderes Mobilitätsverhalten bekommen. Wir wollen den Schwerpunkt auf Fußverkehr, Radverkehr, ÖPNV und die Bahn legen. Wir wollen Autofahren nicht unmöglich machen, sondern Bewusstsein dafür schaffen, welches Verkehrsmittel für welchen Anlass am sinnvollsten ist.

„Unser Ziel kann nicht sein, alle Verbrenner
1:1 durch E-Autos zu ersetzen“

Wird es so etwas wie eine „Abwrackprämie“ für Verbrenner zu Gunsten von E-Autos mit den Grünen geben?

Es wird eher Unterstützung für den Kauf notwendiger E-Autos geben. Und es werden sicherlich Maßnahmen von Bundesebene kommen, um den Radverkehr attraktiver zu machen. Es wird auch nötig sein, den ÖPNV leistungsfähiger zu gestalten.

Die Kosten für den ÖPNV in Bonn sind ja sehr hoch.

Jedenfalls was Einzeltickets angeht. Jahrestickets sind noch mal eine andere Betrachtungsweise. Da müssen wir darüber reden, wie der ÖPNV bei uns im Land finanziert wird. Dann wird es noch sehr kompliziert, wenn sie den Verkehrsverbund verlassen oder auf ein anderes Fortbewegungsmittel wechseln möchten. Das möchten wir vereinfachen, indem wir die Möglichkeit schaffen, über eine App eine komplette Strecke zu buchen, inklusive aller Verkehrsangebote, die man benötigt. So hat man alle Tickets beieinander und muss sich nicht durch verschiedene Angebote durchklicken.

Was entgegnen Sie Menschen, die es als Beschneidung ihrer Freiheit empfinden, wenn sie nicht mehr mit dem Auto in die Innenstadt kommen?

Ich möchte das Autofahren ja nicht verbieten, sondern ich möchte einen neuen Rahmen schaffen. Und zwar für alle Bereiche. Im Moment sind ja zum Beispiel Fußgänger eingeschränkt, wenn der Fußweg zu eng ist. Oder Radfahrer, wenn der Radweg auf einmal aufhört. Bisher hatte auf der Straße das Auto Priorität. Wir wollen, dass auch der Rad- und Fußverkehr berücksichtigt wird. Deswegen sehe ich es nicht als Einschränkung, sondern vielmehr als die Ermöglichung für andere Verkehrsteilnehmer, Straßen auch gut und effektiv zu nutzen.

In Bonn wurde ja das 365-Euro-Ticket getestet. Dieser Test war offensichtlich nicht so erfolgreich. Liegt das an der mangelnden Attraktivität des ÖPNV oder hatte das andere Gründe?

Ich denke, das Ticket hatte schon für manche Menschen einen Reiz, aber es war auch sehr limitiert. Es galt beispielsweise nur für Bonn, Fahrradmitnahme war nicht erlaubt. Ich denke, wir brauchen ein breiteres Ticketportfolio, um den Ansprüchen der Bürgerinnen und Bürger noch besser entgegenzukommen. So wird die Attraktivität des ÖPNV gestärkt und damit auch die Möglichkeit geschaffen, die Ticketpreise noch einmal neu zu betrachten. Es ist aber auch klar, dass dann nicht erheblich höhere Defizite erwirtschaftet werden dürfen. Ich denke, dass man da von der Bundesebene auch die richtigen Impulse geben kann, um die Finanzierung des ÖPNV neu zu denken.

„Jede und jeder sollte sich den öffentlichen Nahverkehr in der Stadt leisten können.“

Vielleicht sogar so neu, dass man den ÖPNV gebührenfrei macht?

Es gibt ja bereits Versuche in anderen Ländern, das so zu machen. Die sind gemischt ausgefallen. Da steigt man vielleicht auch einmal in den ÖPNV ein, obwohl man gut zu Fuß hätte gehen können. In unserer Partei gibt es dazu eine intensive Debatte. Es ist auf jeden Fall so, dass wir kostengünstigen ÖPNV anbieten möchten. Und das halte ich auch für richtig so. Jede und jeder sollte sich den öffentlichen Nahverkehr in der Stadt leisten können.

Hat die kürzliche Flutkatastrophe Ihren Blick auf die Klimakrise geändert?

Was rund um Bonn passiert ist, ist in diesen Dimensionen nicht vorstellbar gewesen. Das ist mir auch persönlich sehr nahe gegangen, ich habe Freunde und Bekannte, die betroffen sind. Menschen fragen mich jetzt, ob so etwas in Zukunft häufiger vorkommt.

Was antworten Sie auf diese Frage?

Dass ich es nicht hoffe. Und dass ich mein Möglichstes tun werde, sollten die Wählerinnen und Wähler mir ihr Vertrauen aussprechen, damit wir Maßnahmen ergreifen können, dass solche extremen Wetterlagen nicht noch schlimmer werden, als sie ohnehin sind.

Aber selbst, wenn morgen Bundestagswahl wäre und die Grünen mit absoluter Mehrheit gewählt würden, könnte man den Klimawandel ja nicht von heute auf morgen beenden. Das heißt doch, wir müssen uns darauf einstellen, dass solche Katastrophen in Zukunft häufiger passieren.

Das ist richtig. Wir müssen unsere Infrastruktur entsprechend ausrichten, wir müssen darüber nachdenken, wie wir unsere Städte und Kommunen so konzipieren, dass wir mit Starkregenereignissen, mit Dürren, mit Extremwettersituationen besser zurechtkommen. Man kann nie alles vorhersehen und abdecken. Aber es gibt gute Ideen, wie zum Beispiel die so genannte Schwammstadt, die so geplant wird, dass Regenwasser aufgenommen werden kann und es gezielt abgeleitet wird. Bonn ist da schon auf einem guten Weg. Das müssen wir überall so planen und es ist auch wichtig, dass der Bund dabei unterstützt. Das können Kommunen nicht allein schaffen.

„Wir müssen den Katastrophen­schutz stärken“

In der jüngsten Katastrophe gab es offenbar zwei große Probleme. Einerseits wurde nicht genug oder richtig gewarnt, anderseits wurde nicht richtig mit der Warnung umgegangen. Vielleicht auch, weil man nicht genug Erfahrung in diesen Gebieten mit Fluten hatte. Wie kann man die Bevölkerung für die Zukunft mehr sensibilisieren und vorbereiten?

Wichtig ist, dass wir den Katastrophenschutz stärken. Die Bevölkerung muss auch besser gewarnt werden. Da werden jetzt sicherlich in den nächsten Wochen noch intensive Debatten laufen. Man sollte der Bevölkerung noch näherbringen, dass Warn-Apps wichtig sind. Die „Nina“-App beispielsweise warnt immer wieder davor, dass es stark regnet.

Ist es nicht auch Teil des Problems, dass zu viel gewarnt wird? Wenn so oft vor Regen gewarnt wird, wird die Warnung vor richtig schlimmen Starkregen vielleicht nicht mehr ernst genommen.

Das habe ich jetzt noch nicht gehört. Wenn dem so ist, muss das sicherlich überprüft werden. Aber ich persönlich habe das bisher noch nicht als zu viel wahrgenommen. Grundsätzlich muss entschieden werden, wann die App auslöst und wann nicht. Da kommt natürlich noch der menschliche Faktor dazu.

Warum ist das mit der Digitalisierung immer wieder so schwierig in Deutschland? Mit der Corona-Warn-App gibt es ja ein weiteres Beispiel, das viel Geld kostete, aber zu spät und mit zu wenig Funktionen kam.

In Deutschland existiert grundsätzlich mehr Skepsis als in anderen Ländern, was Tracking, Kontaktverfolgung, standortspezifische Daten und so weiter anbelangt. Transparenz ist da der richtige Weg. Bei der Corona-Warn-App kam sicherlich noch hinzu, dass es Menschen in Deutschland gibt, die dem Thema Corona skeptisch gegenüberstehen oder den Ernst der Lage anders wahrnehmen.

Das ist ja eine eher kleine Gruppe. Das Problem bei der Corona-Warn-App war doch wohl eher, dass so viel über Datenschutz diskutiert wurde, dass die App so spät kam, dass sie in eine Phase sinkender Fallzahlen veröffentlicht wurde und deshalb Menschen nicht die Notwendigkeit sahen, sie sich zu installieren.

In meinem Bekanntenkreis hat jeder die App. Ich habe sie sogar auf zwei Telefonen. Ich habe auch am Stand noch nie jemanden gehabt, der über die App diskutieren wollte oder sie negativ gesehen hat. Deshalb kann ich Ihnen leider nicht sagen, warum sich Menschen die App nicht installieren wollen. Ich kenne höchstens Menschen, die kein Smartphone haben.

„In meinem Bekanntenkreis haben alle die Corona-Warn-App“

Noch einmal nachgefragt: Ist Datenschutz in Deutschland wichtiger als Innovation?

Das würde ich nicht sagen. Aber wir sind schon ein Land, in dem Datenschutz eine wichtige Rolle spielt. Jede und jeder sollte selbst und bewusst entscheiden können, was mit den eigenen Daten passiert. Das geht zum Beispiel auch für Cookies auf Webseiten. Wir sind nicht gegen Innovationen und mir ist bewusst, dass Daten das Gold der Zukunft genannt werden, weil sie wichtig in der Produktentwicklung sind. Es ist immer ein Abwägen von Interessenslagen. Und da ist mir einfach Transparenz und die bewusste Entscheidung der Nutzerinnen und Nutzer wichtig.

Windkraftanlagen gelten als die effizienteste Form der erneuerbaren Energien. Gleichzeitig wird oft beklagt, dass Windkraft das Panorama verschandelt und der Landtourismus beeinträchtigt wird. Wären vertikale Kleinwindkraftanlagen eine Lösungsmöglichkeit? Warum werden solche Anlagen noch nicht in Stadtnähe getestet?

Es ist gut und wichtig, viele Möglichkeiten zu haben, erneuerbare Energie zu gewinnen. Es wird aber nicht reichen, Kleinanlagen zu installieren, um den Strombedarf zu decken, den wir benötigen. Große Anlagen können sehr viel Energie bereitstellen, aber auch nur bis zu einem gewissen Grad. Es weht ja nicht immer Wind. Deshalb ist es wichtig, einen guten Mix aus erneuerbaren Energien zu haben. Ich möchte den Eindruck vermeiden, dass es nur eine Form davon gibt. Mir ist klar, dass jede Form der Energiegewinnung einen Eingriff in die Natur und das Landschaftsbild darstellt. Wenn sie nur ein bisschen rausfahren in das Rheinische Revier, dann sehen Sie auch, dass nicht nur Windkraft ein Eingriff in die Natur ist.

Die meisten Menschen haben nichts gegen Windenergie, aber ein Problem damit, wenn das Windrad in ihrem Garten steht, überspitzt formuliert. Wie wollen Sie denn die Menschen mitnehmen?

Die Energiewende wurde und wird von Bürgerinnen und Bürgern im Kleinen angestoßen. Wir wollen Bürgerinnen und Bürgern noch mehr ermöglichen, sich an der Energiewende zu beteiligen. Sei es durch eine Beteiligung am Windpark oder die Solaranlage auf dem Dach. Das betrifft auch Mieterinnen und Mieter, wir wollen auch ihnen ermöglichen, sich an der Energiegewinnung zu beteiligen. Das heißt, wenn es eine Solaranlage auf dem Dach oder ein Blockheizkraftwerk im Keller gibt, sollen Mieterinnen und Mieter die Möglichkeit haben, den günstigen Strom von dort zu beziehen. Auch Kommunen sollen einen finanziellen Vorteil davon haben, wenn Windparks bei ihnen gebaut werden. Und generell ist es wichtig, dass gut kommuniziert wird, warum diese Maßnahmen wichtig sind. Die Klimakrise können wir nur angehen, wenn wir alle gemeinsam anpacken.

„Die Klimakrise können wir nur alle gemeinsam angehen“

Sollten im Sinne des Umweltschutzes und der Arbeitsbedingungen in ärmeren Ländern auch globale Lieferketten überdacht werden? Geht der Weg zu mehr Umweltschutz über regionale Landwirtschaft?

Das Lieferkettengesetz, wie es jetzt ausgestaltet ist, reicht nicht. Es umfasst aus Sicht der Grünen noch nicht so viele Unternehmen, wie wir uns das vorgestellt haben. Höhere Umweltstandards hätten wir uns auch gewünscht. Vom Grundsatz her ist es aber richtig, dass wir ein Lieferkettengesetz haben. Das sollte wir auf die europäische Ebene bringen, um einheitliche Gesetzgebung zu haben und noch besser die Lieferketten nachvollziehen zu können.

Wir müssen auch aus Klimaschutzgründen und zur Stärkung der Landwirtschaft regionaler werden, was unsere Produkte angeht. Wir sollten uns gleichzeitig ansehen, wie wir Landwirtschaft betreiben. Sie muss naturverträglicher, tierwohlfreundlicher und biologischer werden. Die Auswirkungen industrieller Landwirtschaft sind massiv, zum Beispiel bei der Tierhaltung oder der Belastung des Grundwassers durch Nitrat.

Lohnt sich Landwirtschaft in Deutschland überhaupt noch, so stark, wie sie von der EU subventioniert wird?

Bei dem sehr großen Topf der Landwirtschaftssubventionen sollten auf jeden Fall Korrekturen vorgenommen werden. Das ist ein großer Hebel. Da muss es eine Stärkung der umweltfreundlichen, ökologischen Landwirtschaft geben. Die Finanzierung sollte sich an der Klimafreundlichkeit ausrichten, sodass Umweltstandards eingehalten werden und auch die Tiere in den Fokus rücken.

Sollten in diesem Sinne nicht auch Fleisch verboten werden, das aus nicht tiergerechter Haltung stammt, viel Futtermittel verbraucht und hohe Umweltbelastung verursacht?

Ich halte in diesem Zusammenhang nichts von Verboten. Wir sollten die Verbraucherinnen und Verbraucher darüber informieren, welche Produkte sie kaufen und welche Auswirkungen ihr Konsum hat. Transparenz ist da wichtig. Bei den Eiern hat das schon super funktioniert. Wir müssen uns aber auch darüber im Klaren sein, dass wir bei Biofleisch über höhere Preise reden müssen, denn artgerechte und biologische Tierhaltung kostet mehr. Fleisch ist aktuell zu billig, weil es billig produziert wird.

„Verbraucher:innen sollten besser informiert werden, welche Auswirkungen ihr Konsum hat“

Kommen wir zu Bonn. Stadtteile die Tannenbusch waren Corona-Infektionsherde. Sollten Menschen aus sozialen Brennpunkten und beengten Wohnverhältnissen nicht nur zu Pandemiezeiten stärker in den Blick genommen werden?

Ich finde es sehr sinnvoll, dass es spezielle Angebote gibt, sich in diesen Stadtteilen impfen zu lassen. So erreicht man Menschen, für die das Impfzentrum zu weit weg ist oder in deren Tagesablauf das Impfen sonst nicht reingepasst hätte. Diese Angebote werden sehr gut angenommen. Das zeigt, dass es oft nicht an der Impfunwilligkeit liegt, sondern an den Lebensumständen. Abgesehen davon leistet das Quartiersmanagement eine wichtige Aufgabe. Ich bin froh, dass der Plan ist, weitere Quartiersmanagementstationen in anderen Stadtteilen einzuführen. Es ist sehr wichtig, vor Ort ansprechbar zu sein.

Es gibt viel zu wenige Wohnungen in Bonn. Das erleichtert das Problem der beengten Wohnverhältnisse nicht unbedingt. Welche Ansatzpunkte haben Sie dafür, mehr Wohnraum zu schaffen und die Mieten zu senken?

Es ist ein Strauß an Maßnahmen, die hier ergriffen werden müssen. Die Mietpreisbremse hat sich als durchaus sinnvolles Instrument herausgestellt. Sie sollte entfristet und weiterentwickelt werden. Es gibt da auch noch Verbesserungsmöglichkeiten, aber grundsätzlich hat sie die richtigen Impulse gesetzt.

In Berlin gab es eine große Diskussion zum Mietendeckel, für den die nächste Bundesregierung prüfen sollte, wie man einen bundesweiten Rahmen geben kann.

Wir brauchen mehr Wohnungsbau, insbesondere sozialen und geförderten. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass wir nicht jede Fläche, die existiert, versiegeln können. Grünflächen, das hatten wir anfangs schon besprochen, dienen ja auch dem Hochwasserschutz, aber auch zu der Abkühlung der heißen Städte im Sommer. D.h., es muss eine sehr gute Abwägung erfolgen zwischen Wohnungsbau und der Frage, welche Flächen wir erhalten möchten.

Speziell in Bonn muss das durch die Verwaltung geprüft werden. Dabei stellt sich auch die Frage, ob der Bund nicht noch Flächen hat, die ungenutzt sind. Ich setze mich dafür ein, dass für diese Flächen das kommunale Vorkaufsrecht noch gestärkt wird. Die Flächen in der Stadt Bonn sind begrenzt, wir müssen da alles klug unterbringen, was wir uns wünschen.

„Es kann nicht sein, dass wir nur Wohnungen für Menschen ab einem bestimmten Einkommen schaffen“

Maßnahmen wie Mietendeckel oder eine Quote an Sozialwohnungen – so sagen es zumindest viele – stehen im Widerspruch zu mehr Wohnungen. Es wäre nicht mehr wirtschaftlich genug, mit so vielen Auflagen zu bauen.

Es ist erst einmal eine freie Entscheidung der Wirtschaft, in Städten wie Bonn zu bauen. Ich sehe da im Moment kein mangelndes Interesse. Grundsätzlich kann es nicht sein, dass wir nur Wohnungen für Menschen ab einem bestimmten Einkommen schaffen. Wir müssen da gesamtgesellschaftlich denken. Eine Quote für geförderten Wohnungsbau bedeutet nicht, dass der Rest nicht am freien Markt angeboten werden kann. Kommunale Wohnungsbaugesellschaften – wie bei uns die Vebowag – bauen außerdem auch viel.

Zu den begrenzten Flächen nachgefragt: Sollten Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis fusionieren?

Ich bin sehr froh das Bonn Bonn ist und finde die Situation, wie sie aktuell ist, sehr gut. Aber die Frage wird mir immer häufiger gestellt.

Sie möchten ja von Bonn nach Berlin. Vermutlich nicht nur, weil sie dort schon einen Wohnsitz haben, sondern weil sie etwas für Bonn bewegen wollen. Was wird das denn sein? Was haben wir als Bonnerinnen und Bonner davon, dass sie nach Berlin gehen?

Ich möchte Bonn zur internationalen Klimahauptstadt weiterentwickeln. Wir haben hier sehr viele wichtige und interessante Organisationen wie das UN-Klimasekretariat. Auch die Ministerien sind vor Ort, da müssen wir aber sicherlich über die Weiterentwicklung des Bonn-Berlin-Gesetzes reden. Ansonsten können Kommunen die große Herausforderung des Klimawandels nicht ohne Unterstützung von Bund und Land bewältigen. Ich möchte meinen Beitrag dafür leisten, dass dies in Bonn gelingt.

Verkriechen Sie sich dann in Berlin oder sehen wir Sie noch ab und zu in Bonn?

Ich habe ja schon die letzten zwei Jahre in Berlin gearbeitet. Das erste Jahr war ich so gut wie jedes Wochenende in Bonn. Und in der Corona-Pandemie hieß Homeoffice für mich meistens auch, aus Bonn zu arbeiten. Bonn ist mein Lebensmittelpunkt, mein Zuhause. In Berlin arbeite ich, arbeite ich auch gerne und dort möchte in Zukunft noch mehr erreichen. Aber selbstverständlich werden Sie mich weiterhin viel in Bonn sehen.

„Bonn ist mein Lebensmittelpunkt, mein Zuhause“

Sie haben – ähnlich wie Katja Dörner vor vier Jahren – einen aussichtsreichen Listenplatz. Dörner warb damals für die „Zweitstimme Grün“, was man als Erstimmen-Empfehlung für den SPD-Kandidaten verstehen konnte. Gilt das dieses Mal auch?

Wir kämpfen um „alle Stimmen Grün“ bei dieser Wahl, also um Erst- und Zweitstimme. Als Direktkandidatin werbe ich explizit um die Erststimme.

Haben Sie eine Wunschkoalition?

Ich kämpfe und werbe für extrem starke Grüne im nächsten Bundestag. Ich sehe nur uns als Garanten für einen echten und ambitionierten Klimaschutz. Die Wählerinnen und Wähler entscheiden am 26.09 darüber. Wichtig ist mir, dass wir den Wandel sowohl ökologisch, als auch sozial gestalten.

Dann fragen wir mal anders: Die Grünen besitzen nach der Wahl die absolute Mehrheit, Kanzlerin Baerbock möchte sie unbedingt im Kabinett haben und bietet Ihnen ein Ministerium ihrer Wahl an. Welches wählen Sie?

Ich trete ganz klar als Klima- und Energiepolitikerin an, ich möchte Klimaschutz, Energiewende und Kohleausstieg voranbringen.

Also wollen Sie das kürzlich vorgestellte Klimaministerium mit Vetorecht?

Ich weiß nicht, wie ein solches Ministerium oder ein solcher Themenbereich ggf. heißen würde. Aber das sind die Themen, die mir am Herzen liegen – neben allem, was Bonn betrifft.

Dann reden wir noch mal über ein ganz anderes Thema. Man assoziiert Hartz IV oft mit der SPD, aber die Grünen waren daran ja genauso beteiligt. Wie stehen Sie zu Hartz IV?

Aus meiner Sicht gehört Hartz IV abgeschafft und ersetzt durch eine Grundsicherung, die sanktionsfrei ist und ein auskömmliches Leben ermöglicht. Das wird aber nicht über Nacht funktionieren, deshalb ist es erst einmal wichtig, Hartz IV entsprechend anzupassen.

„Wir möchten Hartz IV durch eine sanktionsfreie Grundsicherung ersetzen“

Wie möchten Sie erreichen, dass Menschen wieder ins Arbeitsleben zurückkehren, wenn sie doch ein auskömmliches Einkommen haben?

Das ist erst mal eine Frage des Menschenbildes. Ich sehe Menschen positiv. Ich glaube, dass jede und jeder ein Interesse daran hat, sich in die Gesellschaft einzubringen und zu beteiligen. Es gibt aber Rahmenbedingungen, die sie davon abhalten. Ein Sanktionssystem, wie es derzeit existiert, das viele Menschen gar nicht mehr nachvollziehen können, möchten wir durch ein Anreizsystem ersetzen. Es soll möglich sein, durch Maßnahmen aktiv zu werden und ein zusätzliches Einkommen zu erzielen. Dafür müssen wir auch über die Frage des Mindestlohns reden, den wir auf mindestens zwölf Euro pro Stunde erhöhen möchten. Wir sollten Menschen dabei unterstützen, Teil dieser Gesellschaft zu sein. Dazu gehört auch ein gutes Einkommen.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Wahl!

Das Interview führten Ansgar Skoda und Johannes Mirus am 4. August 2021 per Videokonferenz.

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