Wer hätte das gedacht, die Südüberbauung ist so gut wie weg. Der hässliche Bau vor dem Bahnhof ist perdue, der Stein des Anstoßes so gut wie abgeräumt. Jahrelange erfolglose Bemühungen mit spekulativem Beigeschmack wurden vom tatkräftigen Bauunternehmer Ten Brinke, der zweifellos kräftig in die Hände gespuckt und tief in die Taschen gegriffen hat, ins Gegenteil verkehrt. Nun ist Ten Brinke kein Wohltäter im Dienste der Stadt, sondern erfolgreicher Geschäftsmann, er hat also was davon, wenn er eine derartige Anstrengung unternimmt. Das hat er auch nie verhehlt, er will dort ein großes Geschäftshaus mit dem Ankermieter Primark bauen, der auf etlichen tausend Quadratmetern alles für Beauties verkaufen wird. Nun sind die Bonnerinnen durchaus nicht in Sack und Asche herumgelaufen, doch die Profis werden einen Erfolg versprechenden Businessplan in der Tasche haben. Und die Stadt hat dabei sicher nicht im Wege gestanden. So weit, so gut, bleibt zu fragen, ob man im Vorfeld seitens der Kommune auch alles Nötige bedacht hat und da gibt es Zweifel.

Selbiges kann man mit Fug und Recht auch auf die gegenüberliegenden Seite der Poststraße, das Nordfeld ausdehnen. Nach äußerst holpriger Ausschreibung bekam das Unternehmen „Die Developer“ den Zuschlag; seinen Entwurf hatte es auf den blödsinnigen Namen „Urban Soul“ getauft. Grotesk, dass ausgerechnet Düsseldorfer den Bonnern eine Seele einhauchen wollen.

Beide Bauvorhaben werden den Bonner Bahnhofsvorplatz prägen und damit das Eingangstor der Stadt gestalten.

Doch wo ist Kritik angebracht und was kann man hier noch zukunftsträchtig gestalten? Dazu muss man sich die Funktionalität des Ensembles rund um den Bahnhof ins Gedächtnis rufen. Hier treffen täglich acht verschiedene Verkehrsarten aufeinander, ohne die die Innenstadt nicht lebensfähig wäre, vom ein- und abreisenden Touristenstrom ganz zu schweigen. Bundesbahn, U-Bahn und Straßenbahn, Busse und Taxis, Autos, Radfahrer und Fußgänger müssen hier miteinander klarkommen. Und jeder will möglichst zügig, gefahrlos und wenn möglich komfortabel an sein Ziel kommen. Wie soll das gehen?

Es wäre gegangen, wenn man bei der Planung des Gebiets mutig und zukunftsgerichtet vorgegangen wäre und sich nicht durch uralte Pläne und zuletzt hektischen Aktivismus der Zukunft beraubt hätte. Anstöße und Vorstellungen gab es. Man hätte vor der Festlegung auf die Bebauung eine aktuelle Verkehrskonzeption erstellen und sie den Investoren vertraglich vorgeben müssen. Ein Fehlverhalten, das sich nun rächt, wo die Planung für den neuen Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) unumgänglich wird.

Nun ist die Verwaltung kreativ geworden und schlägt u.a. die Kappung des Cityrings vor, um der Verkehrsströme Herr zu werden. Mit dem Gegenwind hatte sie wohl nicht gerechnet.

IHK, Marketing-, Gewerbe- und Einzelhandelsverband, Hauseigentümer- und Mietervereine laufen Sturm und wissen sich im Recht. Eine derartige Lösung wäre das Aus für etliche Geschäfte. Denn jeder weiß, dass es für die meisten Konsumenten immer noch das Ideal ist, mit dem Auto möglichst bis an den Verkaufstresen fahren zu können. Die Einstellung wird sich möglicherweise ändern, aber absehbar nicht radikal. Das einzig Positive an dem Vorschlag ist, dass man bei der Stadt offenbar bereit ist, planerische Altlasten über Bord zu werfen und gedanklich jenseits des Zaunes zu grasen.

Doch wäre es jetzt nicht an der Zeit, Fachleute an Bord zu holen und im Einklang mit den Investoren zum Wohle der Stadt und ihrer Bürger ein Konzept zu entwickeln, das zwar das Optimum nicht mehr erreichen kann, aber zumindest die beste Lösung im Einklang mit der heutigen Realität gewährleisten würde. Und dabei darf man auch darüber nachdenken, ob es nicht Sinn machen würde, Bus- und Straßenbahnlinien, die von einem zum anderen Ende quer durch die Stadt verlaufen, zu unterbrechen, um so bessere Konnektivität und mehr Freiraum für Fußgänger und Radfahrer zu schaffen. Selbst eine Umkehr der Verkehrsführung des Cityrings könnte interessante Denkmodelle oder Lösungsansätze bieten.

Dass es ohne die Neukonzeption des ZOB nicht geht, ist jedem klar, der sich mit der Materie befasst. Und Ten Brinke wird sicher in seinem Areal ein Auge darauf haben, schließlich hat er ein für die Stadt offenbar unlösbares Problem gemeistert, was allen Beteiligten bewusst ist.

Es rächt sich eben, dass man das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt hat: Erst die Verkehrsplanung und dann die Bauplanung hätte die Chance auf ein bürgerfreundliches Entree geboten, großzügig und kommunikativ, funktional und stressvermeidend, ein gelebtes Willkommen für Einheimische und Gäste. Die jetzige Aufgabe dürfte schwerer sein, anhand der nunmehr faktischen Vorgaben ist eine menschenfreundliche Lösung eine riesige Herausforderung. Hier sollten Planungsprofis den Takt vorgeben.

Dass es leider nicht zu einer neuen Kaiserhalle, die dem U-Bahnbau weichen musste, kommen wird, werden nur noch die bedauern, denen es vergönnt war, auf der wunderbaren Außenterrasse im sonntäglichen Sonnenschein ein kühles Bier zu trinken.

Offenlegung: Der Autor ist Angestellter der parteiunabhängigen Ratsfraktion Allianz für Bonn. Er veröffentlicht hier seine persönliche Meinung.

2 Kommentare

  1. „Mutig“ ist in unserer Verwaltung und den entscheidenen Gremien leider niemand. Zukunftsorientiert oder visionär leider ebenfalls nicht.
    Ein „Entree“ mit zwei Konsumpalästen ist kein Eingang. Hier wäre ein freier Platz mit viel Grün und Möglichkeiten zum Verweilen „mutig“ gewesen. Bringt aber leider keine Kohle.
    Genauso werden die Planer vermutlich auch beim City-Ring einknicken. Es geht nicht um Lebensqualität in der Stadt, sondern um Konsum. Leider wird das immernoch gleichgesetzt und man verpasst, dass es eine immer stärker wachsende Bevölkerung gibt, die in einer Stadt LEBEN will und für die Leben nicht bedeutet, Geld auszugeben.
    Ich tippe, dass wir uns in spätestens 8 Jahren fragen, wie wir es haben zulassen können, dass man den Bereich vor dem Bahnhof, das Stadt-Entree, so hat mit seelenlosen Gebäuden zupflastern können.

    • Es gab eine detaillierte derartige Planung. Sie wurde von der Verwaltung torpediert. Der Ratsmehrheit war es recht. H.A.

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