Fragen an Direktkandidat:innen im Wahlkreis Rhein-Sieg I

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Als Bundesstadt.com beschäftigen wir uns nicht nur mit der Bundesstadt, sondern auch mit dem umgebenden Rhein-Sieg-Kreis. Der ist in zwei Wahlkreise Rhein-Sieg I und Rhein-Sieg II aufgeteilt. In jedem der beiden Wahlkreise haben wir sechs Kandidatinnen und Kandidaten für ein Direktmandat für den kommenden Bundestag identifiziert. Ihnen haben wir einen Fragekatalog mit zehn Fragen geschickt.

Hier sind die Antworten aus dem Wahlkreis Rhein-Sieg I, der die Gemeinden Eitorf, Hennef, Lohmar, Much, Neunkirchen-Seelscheid, Niederkassel, Ruppichteroth, Siegburg, Troisdorf und Windeck umfasst.

Sobald ein Kandidat bzw. eine Kandidatin die Fragen beantwortet hat, wird dieser Beitrag aktualisiert und das Interview hier verlinkt. Die Navigation erfolgt über die Schaltflächen „Voherige“ und „Nächste“. Die Reihenfolge richtet sich nach dem Eingang der Antworten. Die Antworten selbst wurden nicht durch Bundesstadt.com überarbeitet, sondern stammen direkt von den Kandidat:innen.

  1. Lisa Anschütz (Bündnis 90/Die Grünen)
  2. Sebastian Hartmann (SPD)
  3. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU)
  4. Ralph Lorenz (FDP)
  5. Alexander S. Neu (Linke)
  6. Hans Eifler (AfD)

1. Lisa Anschütz, Bündnis 90/Die Grünen

Lisa Anschütz, Grüne

1. Sollte Bonn mit dem Rhein-Sieg-Kreis fusionieren?

Die Lage der Bundesstadt Bonn und des Rhein-Sieg-Kreises vergleiche ich immer mit einem Spiegelei. Bonn ist das Eigelb, der Rhein-Sieg-Kreis das Eiweiß. Eine Fusion wäre aus geographischer Hinsicht, aus versorgungstechnischer Sicht für die Planung von Rad, Bus oder Bahnverkehr und allem anderen sehr sinnvoll. Abgesehen von den sehr verschiedenen Verwaltungsstrukturen klappt so ein Projekt nur bei einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

2. Wie wichtig wäre eine Erneuerung des Bonn-Berlin-Gesetzes für den Rhein-Sieg-Kreis?

Als Berlin Hauptstadt wurde war ich geschockt. Die Kompensation aus dem Bonn-Berlin-Gesetz hat viel neue Organisationen und Funktionen installiert, während die Regierungsfunktionen wegfielen. In den letzten 30 Jahren hat sich unsere Region zu einem zusammenhängenden Ballungsraum entwickelt.

Wir haben einen hohen Druck auf die Fläche. Die Mietpreise sind sehr hoch. Es gibt wenig bezahlbaren Wohraum. Freiflächen und landwirtschaftliche Nutzflächen stehen massiv unter dem Druck bebaut zu werden.Die Vielzahl an Wasserflächen und einzigartigen Naturschutzgebieten macht die Situation nicht einfacher. Nach der Starkregenkatastrophe sollten wir alle kommunalen Planungen prüfen und für die Region die maximale Versiegelung festlegen, danach wird man sehen wieviel Freifläche es noch gibt und was damit geschehen soll, könnte unter Beteiligung der BürgerInnen herausgefunden werden.

3. Soziale Brennpunkte/Stadtbezirke waren Corona-Infektionsherde. Sollten oft beengter lebende Menschen mit anderen kulturellen Hintergründen nicht nur in Krisenzeiten mehr in den Blick genommen und unterstützt werden?

Es wäre schön, wenn es immer so wäre, dass Menschen mit Problemen besonders unterstützt werden. Das sollte für alle Menschen in unserem Gemeinwesen so sein. Hinsehen wie es dem Nachbarn geht, sich gegenseitig unterstützen, wenn Not herrscht und einen wertschätzendes Miteinander pflegen. Gerade Corona hat gezeigt, wie schwer es ist in Isolation zu leben.

4. Gibt es Ihrer Meinung nach islamische Parallelgesellschaften in Bonn-Rhein-Sieg und Deutschland? Sehen Sie hier eine Gefahr oder nehmen Sie hier eher positive Multikulturalität wahr?

Multikulturalität ist meist ein Gewinn. Es ist so spannend andere Kochtechniken kennen zu lernen, die der Lebensweise in einem anderen Land oder Kontinent angepasst sind. Als Frau habe ich manchmal Sorge um meine Freiheitsrechte;dann wenn die strengsten islamischen Regeln, die Regeln orthodoxer Sekten oder rückwärts gewandter Nationalisten in unserem Land gelten würden.

5. Wie sehen Sie den Einfluss von Lobbyisten im Bundestag?

Sehr kritisch, es dürfte ihn nicht geben. Schon als Kandidatin werde ich mit Unterlagen von Verbänden überschüttet, mit kostenlosen Webinaren von Facebook und YouTube geködert, das RWE schickt mir eine Zeitung….

6. Was hat Deutschland für die nächste Pandemie aus der jetzigen gelernt?

Die Pandemie ist noch nicht vorbei, die Regierung arbeitet ständig daran, mit dem so schnell mutierenden Virus und dem aktuellen Infektionsgeschehen auf Augenhöhe zu bleiben. Das wird uns auch in der nächsten Legislaturperiode begleiten.

7. Von den Corona-Hilfen profitierten insbesondere Großunternehmen, die sogar Dividenden ausschütten konnten. Wie möchten Sie KMUs und Selbstständige nach der Wirtschaftskrise unterstützen?

Indem ich persönlich nicht bei Amazon, Aldi und IKEA einkaufe. Die heimische Wirtschaft unterstütze ich durch den Einkauf regionaler Produkte.

8. Was ist Ihr Programm, um jungen Menschen mehr Sichtbarkeit in der Politik zu verschaffen?

Junge Menschen, die sich aktiv an Politik beteiligen möchten werden in unserer Partei durch vielfältige Bemühungen unterstützt. Es gibt die Grüne Jugend in der Sie sich organisieren. Es steht Ihnen frei sich um Posten in der Partei zu bewerben.

9. Wie schaffen wir ausbaufähige Windkraft, ohne mit Widerstand in der Bevölkerung zu rechnen?

Für mich ist es im Vorfeld sehr wichtig eine Energiebilanz für Alltagsdinge zu erstellen. Was kostet der „normale TV Film“ was kostet der gestreamte Film an Energie. Welche Energie benötige ich, was kann ich vor Ort erzeugen, wie schaffe ich es möglichst regionalen Strom zu verbrauchen, der nicht 40% Leitungsverluste aus der Überlandverschickung hat. Wie kann ich mit regionaler Erzeugung und Verteilung Großanlagen vermeiden.

10. Braucht es eine höhere Besteuerung der Superreichen?

Ja. Nicht nur Menschen mit sehr großem Vermögen sondern auch Großkonzerne müssen mehr zur Finanzierung der staatlichen Aufgaben beitragen.

Vielen Dank für Ihre Antworten!

2. Sebastian Hartmann, SPD

Sebastian Hartmann, SPD

1. Sollte Bonn mit dem Rhein-Sieg-Kreis fusionieren?

Die Idee einer Städteregion ähnlich der Städteregion Aachen habe ich immer positiv begleitet. Insbesondere in meiner Zeit als Kreistagsabgeordneter des Rhein-Sieg- Kreises habe ich immer wieder Unterstützung für Kooperationsmodelle signalisiert, hier zum Beispiel in den Bereichen der Stadtwerke oder der kommunalen Mobilität, oder Initiativen eingebracht. Eine Fusion halte ich dennoch für unrealistisch, zumal dieser Prozess langwierig ist und das Gebilde hiernach sehr groß wäre. Zudem ist Bonn nicht in allen Teilen des Rhein-Sieg-Kreises der erste Bezugspunkt. Wichtiger ist es, dass die vorhandenen Strukturen wie Metropolregion oder Stadtwerke Koope- ration wirklich mit Leben gefüllt werden.

2. Wie wichtig wäre eine Erneuerung des Bonn-Berlin-Gesetzes für den Rhein- Sieg-Kreis?

Ich setze mich seit vielen Jahren für einen Berlin-Bonn-Vertrag ein. Es ist dramatisch, dass dieser Vertrag auch durch die mangelnde Entscheidungsbereitschaft der regionalen Kommunalpolitik trotz mehrfacher Initiativen nicht vorangekommen ist. Bonn leistet als Stadt der internationalen Zusammenarbeit und UNO-Standort vor allem in den Bereichen Nachhaltigkeit, Gesundheit, Bildung und Sicherheit einen wichtigen Beitrag für das gesamte Bundesgebiet. Im Bereich Sicherheit sind hier neben der Sicherheitsforschung zentrale Bundeseinrichtungen wie das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik (BSI), das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und das Technische Hilfswerk (THW) angesiedelt. Sie sind von bundesweiter Bedeutung und müssen kontinuierlich massiv ausgebaut werden. Dafür habe ich mich als zuständiger Berichterstatter im Bundestag eingesetzt: So wurden zum Beispiel die Bundeshaushaltsmittel für das BBK und THW in der vergangenen Legislaturperiode mehr als verdoppelt – auf 258 Millionen Euro bis 2022 für das BBK und 499 Millionen Euro für das THW.

Für mich ist klar: Bonn soll ein eigenständiges bundespolitisches Zentrum sein. Davon würde auch der Rhein-Sieg-Kreis profitieren. Die Zusagen des SPD- Kanzlerkandidaten Olaf Scholz sind eindeutig, was die Sicherung des Standorts Bonn angeht. Eine ähnliche Aussage würde ich mir auch von der Mitbewerberin der Grünen wünschen.

3. Soziale Brennpunkte/Stadtbezirke waren Corona-Infektionsherde. Sollten oft beengter lebende Menschen mit anderen kulturellen Hintergründen nicht nur in Krisenzeiten mehr in den Blick genommen und unterstützt werden?

Es ist richtig und wichtig, dass auch durch mobile Impfteams Menschen in sozialen Brennpunkten Zugang zu Impfungen erhalten. Denn Impfen darf keine soziale Frage sein. Als Sozialdemokrat trete ich ein für eine weltoffene und vielfältige Gesellschaft, in der alle gleichberechtigt teilhaben. Ein wichtiges Fundament dafür ist ein chancengleicher Zugang zu Bildung für alle. Bildung ist der Schlüssel einer offenen Gesellschaft und sozialem Zusammenhalt. Für ein sozial gerechtes und inklusives Bildungssystem brauchen wir mehr Investitionen in Kitas, Schulen und Berufsschulen sowie mehr qualifizierte Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrkräfte. Zudem ist es mein Ziel, allen Kindern und Jugendlichen unabhängig vom Elternhaus und dessen finanziellen Möglichkeiten gute Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten zu bieten. Bildung muss für alle gebührenfrei sein, von der Kita bis zur Ausbildung, der Meisterprüfung und dem Studium.

4. Gibt es Ihrer Meinung nach islamische Parallelgesellschaften in Bonn-Rhein- Sieg und Deutschland? Sehen Sie hier eine Gefahr oder nehmen Sie hier eher positive Multikulturalität wahr?

Parallelgesellschaften können nicht das Ziel einer solidarischen Politik des Zusammenhalts und der Teilhabe sein. Der Bereich strafbarer Handlungen und organisierter Kriminalität – Stichwort „Gefahr“ – muss streng getrennt werden. Dem muss überall entgegen gewirkt und im Zweifel ein entsprechender Schwerpunkt bei den lokalen Polizeipräsidien gesetzt werden.

Zu betonen ist jedoch die große Toleranz und das weitestgehend friedliche Miteinander in unserer Region, was die überwältigende Mehrheit in unserer Gesellschaft pflegt. Sowohl zugewanderte Menschen als auch internationale Organisationen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereichern die Gesellschaft unserer Region.

5. Wie sehen Sie den Einfluss von Lobbyisten im Bundestag?

Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten kämpfen wir seit Jahren für mehr Transparenz im Bundestag. Deshalb bin ich froh, dass wir dieses Frühjahr ein Lobbyregister beschlossen haben. Interessenvertreterinnen und -vertreter müssen künftig umfassende Angaben zu ihrer Identität, zum Gegenstand und zur Finanzierung der Interessenvertretung machen. Zudem haben sie sich an einen verbindlichen Verhaltenskodex zu halten. Bei Verstößen gegen die Registrierungspflicht droht ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro. Verstöße gegen den Verhaltenskodex werden im Register veröffentlicht. Das ist ein wichtiger Schritt für eine transparente Arbeit der Bundestagsabgeordneten.

Zudem halte ich einen sogenannten „exekutiven Fußabdruck“, der die Kontakte zwischen Bundesregierung und Lobbyistinnen und Lobbyisten dokumentiert, für dringend notwendig. Er wird eine der ersten Maßnahmen sein, die die SPD bei einer Regierungsübernahme einführen wird.

6. Was hat Deutschland für die nächste Pandemie aus der jetzigen gelernt?

Sowohl unser Gesundheitssystem als auch Kitas und Schulen sind durch die Corona-Pandemie an ihre Grenzen gekommen. Deshalb brauchen wir mehr und besser bezahltes Personal, eine vernünftige Teststrategie und mehr Investitionen in die Schulen, zum Beispiel für Luftfilteranlagen. Zudem hat die Pandemie gezeigt, dass wir in der Digitalisierung dringend vorankommen müssen. Der Gigabit-Ausbau muss mehr gefördert werden und digitale Endgeräte müssen kostenfrei für alle Schülerinnen und Schüler zur Verfügung stehen, damit Home-Office und digitales Lernen sowohl in der Stadt als auch auf dem Land gleichermaßen genutzt werden können.

7. Von den Corona-Hilfen profitierten insbesondere Großunternehmen, die so- gar Dividenden ausschütten konnten. Wie möchten Sie KMUs und Selbststän- dige nach der Wirtschaftskrise unterstützen?

Selbstständigen soll unabhängig von der Coronakrise der Weg in solidarische Sicherungssysteme von der Krankenversicherung (Bürgerversicherung) bis hin zum Rentensystem vereinfacht werden. Überbrückungskredite, Umsatzausfallersatz und auch staatliche Unterstützungen und Sicherungen wie das Kurzarbeitergeld oder die Förderung von Ausbildungsplätzen stellen weitere Unterstützungsmöglichkeiten von KMUs dar. Viele Unternehmen, die in der Pandemie staatliche Förderungen erhielten, wie zum Beispiel Lufthansa, durften keine Dividenden ausschütten. In anderen Fällen muss restriktiver vorgegangen werden.

8. Was ist Ihr Programm, um jungen Menschen mehr Sichtbarkeit in der Politik zu verschaffen?

Damit junge Menschen mehr Aufmerksamkeit erhalten, braucht es wirksame Mitsprachemöglichkeiten der Jugendlichen sowie gezielte jugendpolitische Maßnahmen des Bundes. Deshalb begrüße ich Beteiligungsformate wie „Jugendcheck“ oder „Starke Kinder- und Jugendparlamente“. Solche Formate müssen effektiver gefördert werden.

Zudem stehe ich für die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz. Damit würden die Rechte der Kinder für alle sichtbar gemacht werden und sie bekämen einen grundsätzlichen Anspruch auf Schutz, Förderung und Beteiligung mit Verfassungsrang. Daher ist es für mich unverständlich, dass die Union bis zum Schluss dem Gesetzentwurf nicht zugestimmt hatte. Wir haben dafür lange gekämpft und werden uns auch in der kommende Legislaturperiode dafür stark machen, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern.

9. Wie schaffen wir ausbaufähige Windkraft, ohne mit Widerstand in der Bevöl- kerung zu rechnen?

Um die Abkehr von fossilen Energieträgern zu bewältigen, müssen wir den Ausbau erneuerbarer Energien wie Windkraft und Photovoltaik dringend voranbringen. Die Einführung eines Windbürgergeldes kann eine Möglichkeit sein, um mehr Akzeptanz für Windkraft zu schaffen. Auf Dauer können wir uns in Deutschalnd keine langatmigen Planungsprozesse leisten, wenn wir die Transformation der Energieversorgung bewältigen wollen.

10. Braucht es eine höhere Besteuerung der Superreichen?

Im Kampf gegen die Coronakrise hat der Staat mehr als 400 Milliarden Schulden auf- genommen. Ab 2023 muss Deutschland diese Schulden Stück für Stück zurückzah- len. Im Vergleich zur Union wollen wir in dieser Lage Steuern für Menschen mit Spit- zeneinkommen und Unternehmen mit hohen Gewinnen nicht massiv senken. Das wäre für den Staat nicht tragbar. Unser Ziel ist es, 96 Prozent der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu entlasten. Für die obersten vier Prozent Topverdiener wird es dafür etwas teurer. Der heutige Spitzensteuersatz von 42 Prozent bei der Einkom- mensteuer soll künftig sehr viel später greifen, nämlich bei Singels ab einem Jahres- bruttoeinkommen oberhalb von 100.000 Euro, bei Verheirateten oberhalb von 200.000 Euro.

Vielen Dank für Ihre Antworten!

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