Bonn – Betrachtet man die Meldungen der vergangenen Tage im Revue, so scheint der Raum für die Ränder der Gesellschaft in Bonn eng zu werden. Es bleibt die Frage: Muss das sein?
Jahrzehntelang scherte sich niemand um das Bonner Tierheim am Dickobskreuz, es war einfach da. Auch beim Straßenstrich war man mit den Verrichtungsboxen froh, Ruhe in das Thema legale Prostitution gebracht zu haben. Jetzt müssen beide weg, denn die Weststadt wird aus dem Tiefschlag geholt. Doch wohin sollen sie ziehen in einer Stadt, in der Raum für die Schwachen knapp ist? Nicht der einzige Fall: Die Bahnhofsmission soll durch die Träger geschlossen werden. Und von der Szene am ehemaligen Bonner Loch gar nicht zu sprechen. Eine Bestandsaufnahme.
Kein Platz mehr da
Dass das Tierheim gehen muss, ist schon länger bekannt. Die Sanierung des Tausendfüßlers, der bekannten Bonner Autobahn, an dessen Säulen sich die Zwinger des Tierheims anschmiegen, ist seit fast einem Jahrzehnt geplant. Kaum vorstellbar, dass man das Heim darüber nicht informiert haben soll. Die Autobahn wächst, das Tierheim verliert Raum. Wie es weiter geht, damit hat man sich bei Stadt und Land offenbar nicht beschäftigt.
Das älteste Gewerbe der Welt findet immer einen Platz. Nur ob dieser der richtige ist, darüber wird lange und oft gestritten. Mit der Verlegung des Straßenstrichs in Bonn an die Immenburgstraße, samt Verrichtungsboxen und Steuerautomaten, hatte man eigentlich eine gute Lösung gefunden. Jetzt müssen die Prostituierten gehen. Doch wohin, damit will man sich nicht beschäftigen. Damit riskiert man eine unorganisierte Verlagerung und viel Ärger im Nachhinein.
Wie diese aussieht, erkennt man bei der Szene im Bonn, ehemals im Bonner Loch, dann am ZOB beheimatet. Diese hat sich selbst an den Kaiserbrunnen verlagert, sehr zum Unmut der Passanten, deren Sicherheitsgefühl abgenommen hat. Für viele ist der Anblick störend, sowohl der sowieso schon schäbigen Unterführung als auch der oft lautstarken Personen drum herum. Doch diese Menschen müssen irgendwo sein. Die Stadt hat mit der Unterführung und dem Brunnen offenbar eine stillschweigende Lösung gefunden. Ob es die beste ist, ist fraglich. Priorität hat es jedenfalls keine wahrnehmbare.
Die Alte VHS hat sich unter der dem Verein Rhizom zu einem Kulturzentrum entwickelt. Seit September 2018 hat der Verein gar einen unbefristeten Mietvertrag für die Zwischennutzung. Täglich gibt es dort Veranstaltungen, Konzerte und mehr. Die Stadt will es umbauen, für eine Kita und Büroräume der Verwaltung. Sie spricht in ihrer Vorlage von einem „leerstehenden Gebäude„. Der Verein hat eine gewisse Schlagkraft: Neben einer Petition hat die kürzlich Leserbriefseite des Generalanzeigers gekapert. Die Ratsmehrheit hat es wahrgenommen und einen Antrag gestellt.
Und die kirchlichen Träger schließen die Bahnhofsmission mangels Nachfrage. Ob dies vielleicht mit der jahrelangen Sperrung von Gleis 1, an dem die Mission liegt, zusammenhängt, oder den Sanierungsmaßnahmen? Eine andere Lösung soll jetzt gefunden werden. Ehrenamtliche sollen gehalten, Bedürftige an andere Anlaufstellen verwiesen werden.
Kein Raum ist ein schwaches Argument
Es gibt keinen Raum mehr, kein Ausweichplatz, keine andere Stelle, die gut wäre, heißt es immer. Ein schwaches Argument. Eine Stadt, die innerhalb weniger Monate ein altes Studenten/Flüchtlingsheim am Rheinufer an eine Hotelkette verkaufen kann, findet nicht genügend Raum? Statt eines Drei-Sterne-Hotels hätte man dort ja auch eine 150 Platz-Großkita mit Büroräumen hinsetzen können.
Es rächt sich, dass in Bonn immer klein geplant wird. Das Haus der Bildung etwa, welches so viel inklusives Potential geboten hätte. Kita mit Garten in Innenstadtlage samt Bücherei? Eine Bonner Version des Dokk1 hätte entstehen können. Das Stadtarchiv und Stadtarchiv hätte gleich mitintegriert werden können.
Stattdessen schimmelt es weiter und tropft das Wasser ins Bonns Gedächtnis. Aber halt, da war ja was: Auch die Pestalozzischule, in Blickweite des Stadthauses, sollte dafür umgebaut werden. Zum dringend notwendigen Stadtarchiv und fürs Stadtmuseum. Geplant hat man das, eine Entscheidung gab es nicht. Schade, dass man wiederum zu klein denkt.
Es rächt sich, dass in Bonn Gebäude und Flächen brach liegen, und dann immerzu verkauft werden. Auch Gebäude wie der Windeckbunker stehen seit Jahren leer. Eine Eigennutzung ist nicht geplant, ein Verkauf schon. Auf dem Nordfeld wächst ein Parkhaus, ein Hotel und Bürogebäude. Der alte Schlachthof vergammelt.
Das Viktoriakarree träumt weiter vor sich hin, mit riesigen, ungenutzten Kapazitäten. Die Stadt könnte es selbst mittelfristig entwickeln, inklusive Kitas, Büroräumen und Kulturzentrum. Ach ja, die Bürgerbeteiligung ist schon ein paar Tage her und versandet.
Wohin mit Tierheim, Kitas, Straßenstrich, Szene und Kulturzentrum? Offenbar ist die Verwaltung der Stadt derart überlastet, dass viele solche Fragen erst geklärt werden, wenn es eigentlich zu spät ist. Schade eigentlich. Denn ein ganzheitlicher Ansatz würde der ganzen Stadt und ihren Menschen nutzen.
„Jetzt müssen die Prostituierten gehen. Doch wohin, damit will man sich nicht beschäftigen.“ – Vielleicht sollte die Stadt Bonn mal überlegen, was die Frauen wirklich brauchen. Vielleicht wollen sie sich ja gar nicht jeden Tag von wildfremden Männern in alle Körperöffnungen penetrieren lassen? Vielleicht haben die Frauen aus Bulgarien und Rumänien von einem Job als Floristin oder Zimmermädchen in einem Hotel geträumt? Wenn die Stadt schon Geld investieren will, dann doch besser nicht in Verrichtungsboxen, sondern in soziale Arbeit. Das ist für die Frauen besser und nachhaltig noch dazu.
Der jetzige Straßenstrich bietet nicht nur Verrichtungsboxen und Steuerautomat, sondern auch einen Panikknopf, Wachdienst und einen geschützten Bereich, in den nur die Frauen Zutritt haben. Mehrfach in der Woche ist der Sozialdienst vor Ort und bietet Kontakt an – im geschützten Umfeld. https://mobil.express.de/bonn/strassenstrich-eroeffnet-so-klappt-s-mit-den-verrichtungsboxen-14971696
Dieses Modell steht auf der Kippe, weil man nicht geplant hat.
Wenn es eine Wildverlagerung gibt, dann arbeiten die Damen wieder ohne jeden Zugang zu sozialen Arbeitern, nur mit ihren eventuellen Zuhältern.
Von daher IST es wichtig sich um ein solches Modell wie bislang zu kümmern, egal wie die Hintergründe sind, die zur Tätigkeit führten. Aber man kann auch die Augen verschließen.
Moderne Stadtplanung möchte eine Aufgabe und Funktion übernehmen, die es heute mit mehr Transparenz, Sicherheit, Verkehr, Tourismus, Kultur und mehr zu tun hat, als während der Gründung früher Siedlungen. Dass dabei besondere Aspekte umverteilt und umsortiert werden mag nicht überraschen, spielen besonders städtische Finanzen vordringlich dort mit ein. Tiere sind wenig innovativ und deutlich als Haustier in erster Umschreibung erfasst. Kultur und Prostitution sind so stark institutionalisiert, dass der Einheitsblick daneben durch den Tunnel der Geschichte rast und alles andere wie kurze Wirbel da herum in Kleinexistenzen ihr Dasein fristen. Der Spielraum misst gegen Null. So bleibt keine Lösung, sondern nur der Existenzerhalt übrig, der in Steuer sich erklärt. So ein Altes Spiel in 2019, das es bis zum heutigen Tage geschafft hat immer eine Fortsetzung zu schreiben. Andererseits Freier die es in Verrichtungsboxen zieht, könnten auch selber einmal daran denken sich einen Hund aus dem Heim zu nehmen und etwas gepflegt sich und Hund einen Spaziergang mit Dame zu schenken.