Die Dekoration hängt und der Kesselskuchen ist im Ofen. Heute geht bei uns im Auerberg der Martinszug. Die Wartezeit nutze ich, um euch vom letzten Sonntag zu berichten, von der Kerzenandacht.

Kerzenandacht Auerberg 2Die Siedlergemeinschaft hatte für letzten Sonntag zur Kerzenandacht am Ehrenmal an der St. Bernhardkirche eingeladen. Eine Ankündigung und kurze Beschreibung der Tradition findet sich hier.

Pünktlich um kurz vor 15 Uhr versammelte sich die Nachbarschaft, tendenziell, die etwas ältere und im Grunde etwas nähere Nachbarschaft der Nordrandsiedlung. Willkommen gewesen, wäre jeder, der hätte kommen mögen! Ich fand es schade, dass es in kleinem Siedlerkreis stattfand.

Sich erinnern

Meine Oma erlebte ihre Kindheit während des Krieges und ihre Geschichten sind mir im Gedächtnis geblieben. Mein Großonkel galt als im Krieg verschollen und seine Feldpostbriefe sind ein Familienschatz. In der Schule tauchten in vielen Fächern die Themen zum Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg immer wieder auf.

Meine Kindheit war geprägt von dem Satz: „Das darf nie wieder passieren!“

Mein Eindruck verhärtet sich immer mehr: Viele wissen gar nicht, was damals passiert ist und wie es dazu kommen konnte oder sie wollen es nicht wahrhaben. Vielleicht verhalten sie sich auch aus andere Gründe so, wie sie sich verhalten. Aus dem: Das darf nie wieder passieren, wird ein: Passiert es wieder?

Wir leben in unruhigen Zeiten, in Zeiten der Flucht und Zeiten von Fremdenfeindlichkeit.

Daher erscheint es mir sehr wichtig, sich zu erinnern, der Opfer von damals zu gedenken und hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen. Dies geschieht zum Glück noch an vielen Orten, gerade auch in der letzten Woche am 9. November im Gedenken an die Reichskristallnacht.

Die Auerberger Kerzenandacht

Pfarrerin Schuster, Pfarrer Kauth und Birgit Fisch, Vositzende der Siedlergemeinschaft Auerberg
Pfarrerin Schuster, Pfarrer Kauth und Birgit Fisch, Vositzende der Siedlergemeinschaft Auerberg

wurde ökumenisch begangen, d.h. im Anschluss an eine Rede von Birgit Fisch, der Vorsitzenden der Siedlergemeinschaft, zum Thema „Nächstenliebe“ sprachen die evangelische Pfarrerin Schuster und der katholische Pfarrer Kauth zu uns. Es wurde gemeinsam gesungen und der Segen gesprochen. Zum Abschluss entzündeten wir Grablichter und stellten sie auf die Gedenksteine.

Eine solche Andacht soll zum Nachdenken anregen und ich kann nur hoffen, dass sich die Nächstenliebe über die wir sprachen nicht nur auf einen beschränkten Kreis der „Nächsten“ bezieht, sondern vor allem auf diejenigen, die unsere Solidarität und Hilfe brauchen, diejenigen, die geflüchtet sind, diejenigen die diskriminiert werden oder in Armut leben, diejenigen, die einsam sind oder diejenigen die nicht beachtet werden.

Mit freundlicher Genehmigung von Birgit Fisch darf ich an dieser Stelle ihre Rede veröffentlichen, die zu großen Teilen aus der Feder von Sabine Loch (Schriftführerin der Siedlergemeinschaft Auerberg) stammt. Nach der Begrüßung, erinnert sie daran, wie es vor 15 Jahren zum Aufstellen des Ehrenmals kam:

„Zu Ende der 90-er Jahre ist das Thema im damaligen Vorstand aufgekommen. Die Jahrhundert- bzw. Jahrtausendwende stand an und damit verbunden die Hoffnung, dass eine friedlichere Zeit kommen würde. Das 20. Jahrhundert kann mit zwei Weltkriegen, dem Vietnamkrieg, dem Krieg zwischen Israel und Palästinensern, Freiheitskämpfen in Südafrika, zwei Golfkriegen und vielen mehr aufwarten. Aus unserer Auerberger Gemeinde sind zu dem Zeitpunkt viele Zeitzeugen von uns gegangen und so ist es dem Vorstand ein Anliegen gewesen, an die im Krieg und durch Kriegseinwirkung im Zweiten Weltkrieg umgekommenen Auerberger und Auerbergerinnen zu erinnern. Die Recherche der Namen ist aufwendig und langwierig gewesen, es hat zahlreiche Spenden gegeben und bei der Ausschreibung hat der Entwurf von Gotthardt Stein überzeugt. Am 6. Mai 2001 ist das Ehrenmal feierlich eingeweiht worden.

Ziehen wir jetzt, 15 Jahre später, ein Resümee. Die Hoffnung, dass es in der Welt friedlicher wird, hat sich bislang noch nicht erfüllt. Ängste prägen weiterhin unser Leben. Die Angst vor Terror, die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, die Angst vor einem sozialen Abstieg, die Angst vor Armut. Es sollte uns aber auch beunruhigen, dass Parteien mehr Einfluss bekommen, die mit kernigen Wahlparolen viele Wähler und Wählerinnen haben gewinnen können. Wie sie aber ihre Versprechen umsetzen wollen, haben sie uns noch nicht verraten.

Spätestes seit dem Sommer 2014 sind solche negativen Entwicklungen in Deutschland, in Europa und weltweit zu beobachten. Die vorläufige Spitze ist die Flüchtlingskrise 2015, die Deutschland unmittelbar betroffen hat. Ist sich heute jeder nur noch selbst der Nächste?

Zur Nächstenliebe sind wir alle angehalten. Sie findet sich in den Weltreligionen, in der Ethik und ist wesentlicher Bestandteil der katholischen und evangelischen Kirche. Die St.-Martins-Umzüge beginnen in der kommenden Woche. Der Heilige St. Martin ist für die Kinder ein Vorbild für gelebte Nächstenliebe und wird auch als Samariter bezeichnet. Die Bedeutung des Wortes kennen wir alle.

Nächstenliebe heißt, Menschen in einer Notlage zu helfen. Sie kann viele Gesichter haben. Der Grundgedanke unseres sozialen Systems, dass wir über Steuern eine finanzielle Grundlage schaffen, um in Not geratene Mitmenschen unterstützen zu können, gehört dazu. Sie kann auch die Unterstützung eines einzelnen Menschen oder eines gemeinnützigen Vereins durch Geld- oder Sachspenden oder durch die eigene Arbeitskraft bedeuten.

Nächstenliebe in unserer heutigen globalisierten Welt zu leben, stellt uns vor eine Herausforderung. Wir sind heute mehr denn je durch Medien wie Radio, Fernsehen, Internet und die Social Media weltweit miteinander verbunden. Mal eben nach Italien zum Urlaub? Was zu Zeiten der Pferdekutschen eine beschwerliche Fahrt von mehreren Tagen war, ist heute eine reine Flugzeit von 2-3 Stunden. Mit dem Zug und Auto dauert es etwas länger, aber innerhalb von 24 Stunden wären wir angekommen.

Bei der Nächstenliebe zählt nicht die große Geste und wer den höheren Geldbetrag gespendet hat. Vielmehr sind es die kleinen Hilfen, die jeder von uns im Rahmen seiner Möglichkeiten leisten kann. Jeder sollte sich nicht der Nächste sein.

Und was ist mit der Liebe, die in dem Wort Nächstenliebe enthalten ist? Liebe bedeutet oftmals ein Wechselbad der Gefühle. Sie ist ein tiefes, inniges Gefühl, Sehnsucht und Sorge, Vertrauen und Treue. Sie ist etwas großes, kommt ohne Ankündigung und ist einfach da. Wir können sie nicht sehen oder fassen.

Sie ist aber auch ein Band, das Familien zusammenhält – zum Teil über Generationen hinweg. Diese Liebe haben unsere Auerberger und Auerbergerinnen, die namentlich am Ehrenmal genannt sind, und ihre Familien gefühlt, bevor sie durch den Tod auseinandergerissen worden sind. Im Herzen hat sie weitergelebt.

Daraus ist uns eine Verantwortung erwachsen: Lerne aus den Fehlern der Vergangenheit und lasse nicht zu, dass sie sich wiederholen. Diese Liebe ist es wert, dass wir sie für uns bewahren und an unsere Nächsten weitergeben.“


 

Alle Artikel über die Siedlergemeinschaft Auerberg findet ihr unter „Siedler Auerberg“.

Ich selbst bin Mitglied in der Siedlergemeinschaft und nehme an den Treffen des Vorstandes teil, damit ich über aktuelle Geschehnisse informiert bin, um auf Bundesstadt.com berichten zu können.

 

1 Kommentar

  1. Ich bastle uns mal ein manuelles Ping-Back, denn der Artikel ist in Kurzform im „Blättche“ erschienen, der Ortszeitschrift von Graurheindorf und Auerberg.
    Direktlink zum PDF: file:///C:/Users/Stephanie/Downloads/DatBlaettche0316.pdf
    Link zur Webseite, aktuell steht die neue Ausgabe auf der Startseite zum Download, keine Ahnung wie lange das noch so ist und wohin sie dann verschwindet, die Seite ist noch ganz neu:
    http://www.bonn-graurheindorf.de

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