Pre­mie­ren­ap­plaus für ‚Leo­no­re 40/45‘ an der Oper Bonn | Fo­to (c) as

Der letz­te Thea­ter­rück­blick ist schon über an­dert­halb Jah­re her. Kul­tur­ver­an­stal­ter ha­ben es wäh­rend der CO­VID 19-bedingten Mas­sen­be­schrän­kun­gen seit März 2020 schwer. Auch das Thea­ter muss­te co­ro­nabe­dingt die Häu­ser in Ab­stim­mung mit dem Kri­sen­stab der Stadt Bonn mo­na­te­lang schlie­ßen. Pre­mie­ren und Pro­duk­tio­nen wur­den ver­scho­ben. Se­hens­wer­te In­sze­nie­run­gen, wie Ten­nes­see Wil­liams‘ Die Glas­me­na­ge­rie, wur­den nach der Pre­mie­re (hier am 29.10.2020) pan­de­mie­be­dingt lei­der kaum auf­ge­führt. Die thea­ter­lo­se Ru­he durch­brach in Bonn nur ei­ne kon­takt­lo­se Web-Serie von Vol­ker Ra­cho mit zwölf teils recht un­ter­halt­sa­men Lockdown-Liebe-Lagerkoller-Kurz­fil­men. Im Au­gust er­öff­ne­te das Bon­ner Thea­ter nun wie­der sei­ne Spiel­stät­ten. Laut Hy­gie­ne­kon­zept gilt die 3G-Regel. Am Sitz­platz ist die Mas­ken­pflicht auf­ge­ho­ben. Auch die bis­lang ob­li­ga­to­ri­sche Kon­takt­da­ten­er­he­bung ent­fällt. Die Bon­ner Häu­ser zei­gen der­zeit span­nen­de Produktionen:

Pre­mie­ren­ap­plaus für ‚Ara­bel­la‘ an der Oper Bonn | Fo­to (c) as

Ara­bel­la von Ri­chard Strauss an der Oper Bonn, nächs­te Vor­stel­lun­gen am 20. und 31. Ok­to­ber so­wie 6. und 14. No­vem­ber im Opernhaus

Re­gis­seur und Aus­stat­ter Mar­co Ar­turo Ma­rel­li zeigt in Bonn die letz­te Oper des Er­folgs­du­os Ri­chard Strauss und Hu­go von Hof­manns­thal. Die zeit­lo­se Ko­mö­die Ara­bel­la, 1933 in Dres­den ur­auf­ge­führt, ist ein Al­ters­werk mit Mär­chen­mo­ti­ven. Sie han­delt von der Angst ei­ner Fa­mi­lie vor dem so­zia­len Abstieg.

Graf Wald­ner hat das Fa­mi­li­en­ver­mö­gen ver­spielt. Des­we­gen möch­te er sei­ne schö­ne Toch­ter Ara­bel­la wohl­ha­bend ver­hei­ra­ten. Er schickt das Bild sei­ner Toch­ter an ei­nen schwer­rei­chen Freund aus dem Re­gi­ment, der je­doch be­reits ver­stor­ben ist. Des­sen Er­be Man­dry­ka ver­liebt sich in das schö­ne Ant­litz auf dem Bild und reist von weit­her an. Ara­bel­la und Man­dry­ka wer­fen ein Au­ge auf­ein­an­der. Doch Wald­ners jün­ge­re Toch­ter Zden­ka, die sich als Jun­ge ver­klei­det, weil der Fa­mi­lie das Geld für ei­ne wei­te­re stan­des­ge­mä­ße Aus­staf­fie­rung fehlt, sorgt für amou­rö­ses Durcheinander. 

Die Büh­ne be­steht aus ei­nem zeit­lo­sen, de­korar­men und wan­del­ba­ren Raum mit dreh­ba­ren Wand­ele­men­ten und ver­schie­de­nen Durch­gangs­tü­ren. Mo­bi­li­ar fehlt wei­test­ge­hend, wo­durch sich be­reits die Ar­mut der Fa­mi­lie an­deu­tet. Ins­be­son­de­re die So­pran­stim­men der bei­den Haupt­fi­gu­ren (die Gast­sän­ge­rin­nen Ni­ko­la Hil­le­brand als Zden­ka re­spek­ti­ve Bar­ba­ra Se­na­tor als Ara­bel­la) ra­gen ne­ben der sinnlich-schwelgerischen Or­ches­trie­rung des Beet­ho­ven Or­ches­ters her­aus. Hö­hen­si­cher und sou­ve­rän glän­zen Hil­le­brand und Se­na­tor un­ter an­de­rem bei ih­rem Du­ett im ers­ten Akt mit fe­dern­der Leich­tig­keit und lei­sen Zwi­schen­tö­nen. Lei­der ver­mit­telt die Oper ein recht über­hol­tes Frau­en­bild, wenn Ara­bel­la im Lie­bes­du­ett mit Man­dry­ka be­tö­rend un­ter­wer­fungs­wil­lig tönt: „Und Du wirst mein Ge­bie­ter sein und ich Dir un­ter­tan.

Pre­mie­ren­ap­plaus für ‚Leo­no­re 40/45‘ an der Oper Bonn | Fo­to (c) as

Leo­no­re 40/45 von Rolf Lie­ber­mann an der Oper Bonn, nächs­te Vor­stel­lun­gen am 15., 17. und 22. Ok­to­ber im Opernhaus

Bei der Erst­auf­füh­rung am Bas­ler Stadt­thea­ter 1952 war Lie­be un­ter Kriegs­fein­den zur Be­set­zungs­zeit ei­ne Pro­vo­ka­ti­on. In Bonn wird die Oper pro­vo­kant mit ka­ba­ret­tis­ti­schen Bil­dern dar­ge­bo­ten. Die Ge­sich­ter Adolf Hit­lers und Win­s­ton Chur­chills wer­den re­spekt­los als me­ter­gro­ße Klappmaul- und Schieß­bu­den­skulp­tu­ren ge­zeigt, auf die Sta­tis­ten Bäl­le wer­fen. Die se­hens­wer­te Oper zur Völ­ker­ver­stän­di­gung wird im his­to­ri­schen Kon­text bei­be­hal­ten und trotz­dem auch ko­mö­di­an­tisch auf­be­rei­tet. Der Opern­abend bie­tet geistreich-amüsante aber auch er­schre­cken­de Un­ter­hal­tung mit Tief­gang. Zur Be­spre­chung

Ab­schluss­ap­plaus für ‚Chi­ca­go‘ an der Oper Bonn | Fo­to (c) as

Chi­ca­go von Fred Ebb, Bob Fos­se und John Kan­der an der Oper Bonn, nächs­te Vor­stel­lun­gen am 23. Ok­to­ber und 1. No­vem­ber im Opernhaus

Das Mu­si­cal kam 1975 am Broad­way zur Ur­auf­füh­rung. Die gleich­na­mi­ge Ver­fil­mung von 2002 wur­de mit gan­zen sechs Os­cars prä­miert. Gil Meh­mert in­sze­niert die zy­ni­sche Ge­schich­te über Ver­bre­chen, mit de­nen man Be­kannt­heit er­langt, an der Oper Bonn poin­tiert und höchst un­ter­halt­sam. Die kurz­wei­li­ge Show-Revue be­leuch­tet zy­nisch und sa­ti­risch den Um­gang mit Ver­bre­chen in Chi­ca­go; hier als ein Hot­spot des Ka­pi­ta­lis­mus ge­zeich­net. Auch die Ei­tel­kei­ten und Skru­pel­lo­sig­keit im Show­biz wer­den ef­fekt­voll vor­ge­führt. Zur Be­spre­chung

Ab­schluss­ap­plaus für ‚Un­se­re Welt neu den­ken‘ am Schau­spiel­haus | Fo­to (c) as

Un­se­re Welt neu den­ken nach Ma­ja Gö­pel im Schau­spiel­haus, nächs­te Vor­stel­lun­gen am 16. und 20. Ok­to­ber so­wie 9. und 25. No­vem­ber im Schauspielhaus

Ver­zicht fällt den Men­schen schwer. Je­de Par­tei ver­liert so­fort Wäh­ler­stim­men, wenn sie Ver­zicht pre­digt. Ein be­kann­tes Werk, das zu ei­ner neu­en Kon­sum­hal­tung an­regt, ist Ma­ja Gö­pels Sachbuch-Bestseller Un­se­re Welt neu den­ken (2020). Die Nach­hal­tig­keits­for­sche­rin schrieb ein Plä­doy­er für ei­ne Neu­ori­en­tie­rung auch öko­no­mi­scher Wer­te an­ge­sichts der Kri­se des Öko­sys­tems und der Ge­sell­schaf­ten. Si­mon Sol­berg, Haus­re­gis­seur am Thea­ter Bonn, in­sze­niert nun In­hal­te des er­zäh­len­den Sach­buchs als un­ter­halt­sa­me Büh­nen­show mit ei­ner Band-Begleitung, Live-Gesang und Tanz. Zur Be­spre­chung

Ab­schluss­ap­plaus für ‚Lie­be etc.‘ an der Werkstatt-Bühne | Fo­to (c) as

Lie­be etc. von Ema­nu­el Tand­ler am Thea­ter Bonn, nächs­te Vor­füh­run­gen am 20., 21., 26., 28. und 29. Ok­to­ber in der Werkstatt

Ob nun Songs, Ge­dich­te oder Fil­me – kein Su­jet hat die Künst­ler so be­flü­gelt wie die Lie­be. Re­gis­seur und Au­tor Ema­nu­el Tand­ler er­kun­det nun in Lie­be et ce­te­ra an der Bon­ner Werk­statt­büh­ne selbst das wohl höchs­te der Ge­füh­le. In ei­nem ste­ri­len Set­ting schafft er ei­ne Art Er­pro­bungs­raum für ein Lie­bes­thea­ter der Zwei­sam­keit mit al­ler­lei un­ter­halt­sa­men Frik­tio­nen. Zur Be­spre­chung

Shake­speares sämt­li­che Wer­ke (leicht ge­kürzt) von Adam Long, Da­ni­el Sin­ger & Jess Win­field am Schau­spiel­haus, nächs­te Vor­füh­run­gen am 23. und 30. Ok­to­ber so­wie 27. November

Shake­speares Ver­se le­ben von Leich­tig­keit, Groß­zü­gig­keit und au­gen­zwin­kernd le­ben­di­ger Poe­sie. Sie zeich­nen Au­gen­bli­cke vol­ler Le­ben nach. Die Er­folgs­ko­mö­die Shake­speares sämt­li­che Wer­ke (leicht ge­kürzt) der Ame­ri­ka­ner Adam Long, Da­ni­el Sin­ger und Jess Win­field gilt als ein Dau­er­bren­ner. Die Kla­mot­te und Tour-de-force über den wohl größ­ten Dich­ter al­ler Zei­ten wür­digt den eng­li­schen Dra­ma­ti­ker auch in Bonn nicht ganz werk­ge­treu. Mit star­ker Mi­mik und Ges­tik, ex­pe­ri­men­tel­len Wort­spie­len und her­aus­ra­gen­den Ge­sang agie­ren hier drei jun­ge Ak­teu­re in den 37 Stü­cken und 1834 Rol­len Wil­liam Shake­speares. Seh- und Hör­ge­wohn­hei­ten wer­den ad ac­ta ge­legt. Zur Be­spre­chung

Ja­kob, der Lüg­ner von Ju­rek Be­cker in der Werk­statt, nächs­te Vor­füh­run­gen am 4., 5. und 10 No­vem­ber in der Werkstatt

In sei­nem wohl be­kann­tes­ten Ro­man Ja­kob der Lüg­ner (1969) ver­ar­bei­tet der jü­di­sche Schrift­stel­ler Ju­rek Be­cker (1937-1997) ei­ge­ne Kind­heits­er­fah­run­gen im Ghet­to von Lodz wäh­rend der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Be­set­zung in Po­len. Zu­sam­men mit Jut­ta Be­r­en­des kon­den­sier­te und ver­knapp­te Ste­fan Vier­ing Ju­reks Ro­man für sei­ne sze­ni­sche Um­set­zung. Er be­ginnt sei­ne Solo-Performance, in­dem er sie ein­gangs als Er­zäh­lung vor­stellt, im­mer wie­der auch kurz aus ei­nem Heft vor­liest. Die Hand­lung kon­zen­triert sich auf den Ich-Erzähler und den Haupt­prot­ago­nis­ten Ja­kob. Zur Be­spre­chung

Ab­schluss­ap­plaus für Tanz­gast­spiel an der Oper Bonn | Fo­to (c) as

High­lights des in­ter­na­tio­na­len Tan­zes an der Oper Bonn. Nächs­te Vor­stel­lung vom Da­nish Dance Theat­re in Ko­pen­ha­gen mit Si­ren am 30. Ok­to­ber, so­wie die Na­tio­nal Dance Com­pa­ny Wales mit Ludo/ Afterimage/ Why are peo­p­le clap­ping am 15. De­zem­ber im Bon­ner Opernhaus.

Das klas­si­sche Bal­lett hat wahr­schein­lich nir­gend­wo ei­ne so gro­ße Tra­di­ti­on wie in Russ­land. In der Advents- und Win­ter­zeit tou­ren jähr­lich zahl­ei­che rus­si­sche En­sem­bles mit be­deu­ten­den Bal­lett­stü­cken ih­rer Hei­mat durch Eu­ro­pa. Gleich zwei­mal kommt das Bal­lett der Ta­ta­ri­schen Staats­oper aus Ka­san an die Oper Bonn. Am 21. und 22.12. wird Pe­ter Tschai­kow­skys Klas­si­ker Schwa­nen­see und dann am 23.12. Der Nuss­kna­cker bei den High­lights des in­ter­na­tio­na­len Tan­zes ge­zeigt. Zu den Be­spre­chun­gen (von 2019)

Pre­mie­ren­ap­plaus für ‚Ara­bel­la‘ an der Oper Bonn | Fo­to (c) as

Al­le Fo­tos vom je­wei­li­gen Ab­schluss­ap­plaus (c) Ans­gar Skoda

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