Premierenapplaus für 'Maria Stuart' in der Werkstatt des Theater Bonn | Foto (c) as

In Vor­freu­de auf das mor­gi­ge Bon­ner Bar­camp ei­ne Re­vue mei­ner letz­ten Thea­ter­aben­de: Nach dem Januar-Rückblick er­leich­tert es das Ge­wis­sen, nun­mehr wie­der die­ses Blog zu füt­tern. Mitt­ler­wei­le braucht das Pu­bli­kum auch im Thea­ter Bonn nicht mehr den Impf­nach­weis für Co­ro­na vor­zu­le­gen, es gilt je­doch wei­ter­hin ei­ne Maskenpflicht. 

Ei­ni­ge Pro­duk­tio­nen, wie die Kin­der­oper Iwein Lö­wen­rit­ter nach Fe­li­ci­tas Hop­pe, lau­fen be­reits nicht mehr in Bonn. An­de­re Pre­mie­ren, wie das sel­ten ge­spiel­te Ein Feld­la­ger in Schle­si­en (zu­letzt vor 130 Jah­ren auf­ge­führt), ein pa­trio­ti­sches Sing­spiel mit Mi­li­tär­re­vue von Gi­a­co­mo Mey­er­beer, wur­den mehr­fach ver­scho­ben. Of­fi­zi­ell ver­zö­ger­te sich die Wie­der­ent­de­ckung nicht we­gen mög­li­cher Mi­li­tär­ver­klä­rung zu Zei­ten des Ukraine-Krieges, son­dern we­gen Corona-Erkrankungen im En­sem­ble. In der um­strit­te­nen Pro­duk­ti­on wird im­mer­hin auch Wo­lo­dym­yr Se­len­skyj zum ak­tu­el­len Krieg zitiert. 

Das En­sem­ble sam­mel­te nach Vor­füh­run­gen am Thea­ter­aus­gang re­gel­mä­ßig Spen­den für die Ukrai­ne und es kam ei­ne stol­ze Sum­me zu­sam­men. Vie­le Thea­ter­be­su­cher hat­ten je­doch be­reits un­ab­hän­gig von der Samm­lung am Thea­ter für die Ak­ti­on Deutsch­land und an­de­re Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen ge­spen­det, um die zahl­lo­sen Op­fer von Pu­tins An­griffs­krieg zu unterstützen.

Premierenapplaus für 'Ernani' an der Oper Bonn | Foto (c) as

Ernani von Giu­sep­pe Ver­di an der Oper Bonn, nächs­te Vor­füh­run­gen am 7., 20. und 27. Mai im Opernhaus.

Ver­dis frü­he Chor­oper Ernani be­ruht auf ei­nem ro­man­ti­schen Schau­spiel Vic­tor Hu­gos, das sich wie­der­um auf his­to­ri­sche Er­eig­nis­se be­zieht. Drei Män­ner be­geh­ren El­vi­ra, die selbst je­doch nur ei­nen von ih­nen liebt, Don Ju­an de Ara­gon. Die­ser ist ge­äch­tet und wird auch Ernani ge­nannt. El­vi­ras On­kel und Vor­mund, Don Ruy Go­mez da Sil­va, er­wägt ei­ne List, um El­vi­ra viel­leicht doch noch zu hei­ra­ten. Au­ßer­dem macht ein an­de­rer mäch­ti­ger Mann ihr den Hof, Kö­nig Carlo.

Das En­sem­ble agiert die meis­te Zeit auf meh­re­ren Ebe­nen, ins­be­son­de­re vor und auf ei­nem dreh­ba­ren Ku­bus, der mit­tels Stel­zen ober­halb der Büh­ne schwebt.

Ka­pell­meis­ter Will Hum­burg di­ri­giert tem­po­reich. Das Beet­ho­ven Or­ches­ter Bonn über­zeugt mit scharf kon­tu­rier­ten Me­lo­die­li­ni­en und dy­na­mi­schen Ab­stu­fun­gen. Der ge­or­gi­sche Te­nor Ge­or­ge Onia­ni strahlt mit fei­ner Stimm­füh­rung und prä­gnan­ten Phra­sie­run­gen in der Ti­tel­par­tie. Stimm­lich kraft­voll und ins­be­son­de­re in tie­fen La­gen dramatisch-temperamentvoll mimt Yannick-Muriel No­ah die El­vi­ra. Dar­stel­le­risch aus­drucks­stark und mit voll­tö­nen­dem Bass ver­kör­pert Pa­vel Ku­di­nov den rach­süch­ti­gen Sil­va. Fre­der­i­co Longhi glänzt als Don Car­lo mit hö­hen­si­che­rem Ba­ri­ton so­li­de Vi­ta­li­tät und Kampf­geist aus. Auch der Chor un­ter der Lei­tung von Mar­co Med­ved ge­fällt schluss­end­lich klang­far­ben­reich mit spiel­freu­di­ger Intensität.

George Oniani nimmt für seine Titelpartie in 'Ernani' den Premierenapplaus entgegen | Foto (c) as

Lei­der er­scheint die Per­so­nen­re­gie et­was kon­ven­tio­nell. Die Fi­gu­ren blei­ben ein biss­chen ober­fläch­lich und holz­schnitt­ar­tig. Das Schick­sal der Fi­gu­ren be­rührt so in der düs­te­ren, je­doch durch­aus mitreißend-stimmungsvollen In­sze­nie­rung von Ro­land Schwab recht wenig.

Die Fle­der­maus von Jo­hann Strauß an der Oper Bonn, nächs­te Vor­füh­run­gen am 26. Mai und 16. Juni.

Die wohl be­kann­tes­te Ope­ret­te von Jo­hann Strauß aus dem Jah­re 1874 be­leuch­tet lust­voll ei­ne über­spann­te Ge­sell­schaft mit al­ler­lei köst­lich über­zeich­ne­ten Mo­men­ten und ab­sur­der Situationskomik.

Schwung­voll tan­zen Männer- und Frau­en­bei­ne wäh­rend der Ou­ver­tü­re hin­ter leicht ge­öff­ne­tem Vor­hang. Bär­bel Sten­zen­ber­ger über­zeugt auch spä­ter mit Gags und Ti­ming in ih­ren fei­nen und wal­zer­se­li­gen Cho­reo­gra­phien. Ori­gi­nell mu­ten ins­be­son­de­re die Kos­tü­me an, wenn männ­li­che Tän­zer et­wa fe­dern­be­deck­te Tu­tus tragen.

Da­ni­el Jo­han­nes Mayr di­ri­giert die sub­ti­len Wen­dun­gen der Par­ti­tur und das Beet­ho­ven Or­ches­ter mu­si­ziert de­tail­reich schil­lernd. Die rus­si­sche So­pra­nis­tin An­na Prince­va über­zeugt dar­stel­le­risch in der Rol­le der flirt­freu­dig sou­ve­rä­nen Ro­sa­lin­de. Sie ver­mag auch stimm­lich mit leuch­ten­dem So­pran Ak­zen­te zu set­zen. Ne­ben Ma­rie Heeschen als mä­ßig am­bi­tio­nier­ter, aber vo­kal for­scher Kam­mer­zo­fe Ade­le hin­ter­las­sen wei­ter­hin die stimm­präch­ti­gen Te­nö­re Kai Klu­ge und Jo­han­nes Mer­tes den nach­hal­tigs­ten Eindruck.

Die Ko­pro­duk­ti­on mit dem Thea­ter Dort­mund und dem Saar­län­di­schen Staats­thea­ter bie­tet ei­nen sehr dy­na­mi­schen, leich­ten und be­schwing­ten Thea­ter­ge­nuss, der je­doch ge­gen En­de et­was ermüdet.

Ap­plaus für ‚Die Fle­der­maus‘ an der Oper Bonn | Fo­to (c) as

High­lights des in­ter­na­tio­na­len Tan­zes an der Oper Bonn. Nächs­te Vor­stel­lung von Les nuits bar­ba­res ou les pre­mie­res du mon­de mit der Com­pa­gnie Her­vé Kou­bi aus Frank­reich und Al­ge­ri­en am 24. Mai in der Oper Bonn.

Die Bal­lett­com­pa­gnie Ol­den­burg be­geis­ter­te am 13. April mit ei­nem sehr he­te­ro­ge­nen drei­tei­li­gen Bal­lett­abend. Wäh­rend der cho­reo­gra­phi­schen Ur­auf­füh­rung von Guil­laume Hul­ots Oga­mi be­weg­ten sich sie­ben Tän­ze­rin­nen und Tän­zer in haut­engen Suits mit fa­cet­ten­rei­chen Ges­ten zu Mu­sik von Aphex Twin und Tschaikowsky. 

Dar­auf folg­te die Ur­auf­füh­rung von An­toine Jul­lys Cho­reo­gra­phie Ver­klär­te Nacht nach dem gleich­na­mi­gen Opus von Ar­nold Schön­berg. Zu Live-Musik vom Ol­den­bur­gi­schen Staats­or­ches­ter er­zähl­ten sechs Tän­ze­rin­nen und Tän­zer in wech­seln­den Pas-de-deux von Mo­men­ten der Zwei­sam­keit, star­ken Ge­füh­len, Har­mo­nie und Zweifeln. 

Er­fri­schend un­kon­ven­tio­nell war schließ­lich Mer­ce Cun­ning­hams Cho­reo­gra­fie How to pass, kick, fall and run ganz oh­ne Mu­sik­un­ter­ma­lung. Der US-amerikanische Avantgarde-Choreograph Cun­ning­ham ar­ran­giert mit acht Tän­ze­rin­nen und Tän­zern ath­le­ti­sche, phy­sisch kom­pli­zier­te Zu­falls­be­we­gun­gen im Raum. Ko­misch wird die­se Cho­reo­gra­fie, weil ei­ne Spre­che­rin und ein Spre­cher un­ab­hän­gig von der Tanz­com­pa­gnie mit Blick gen Pu­bli­kum kur­ze An­ek­do­ten aus In­de­ter­mi­nacy von John Ca­ge vor­tra­gen und da­bei fei­er­lich Sekt trin­ken. Ein viel­schich­ti­ger, an­re­gen­der und ab­wechs­lungs­rei­cher Tanztheaterabend.

Ap­plaus für das En­sem­ble von ‚How to pass, kick, fall and run‘ an der Oper Bonn | Fo­to (c) as

Kas­san­dra von Chris­ta Wolf mit dem Frin­ge En­sem­ble am 7. Mai im Thea­ter im Ball­saal Bonn.

Die DDR-Schriftstellerin Chris­ta Wolf durch­dringt in Kas­san­dra (1983) den ur­alten My­thos und die an­ti­ke Tra­gö­die des Un­ter­gangs der Stadt Tro­ja in­tel­lek­tu­ell und be­zieht ihn auf ei­ge­ne Le­bens­um­stän­de in der DDR. Die lei­den­schaft­li­che Per­for­mance der drei Dar­stel­le­rin­nen schafft ei­nen se­hens­wer­ten, poin­tier­ten und kurz­wei­li­gen Ein­blick in Chris­ta Wolfs wohl be­kann­tes­tes Meis­ter­werk. Zur Be­spre­chung

Hans Fal­la­das Klei­ner Mann – Was nun? am Schau­spiel­haus Bad Go­des­berg, nächs­te Vor­füh­run­gen am 14. und 25. Mai.

Das Schick­sal meint es nicht gut mit dem jun­gen Glück aus Hans Fal­la­das Ro­man Klei­ner Mann – was nun? (1932). Jan Neu­mann zeigt die Le­bens­um­stän­de, den kur­zen Auf­stieg und lan­gen Fall des ein­fa­chen Ar­bei­ters und Fa­mi­li­en­va­ters Jo­han­nes Pin­ne­berg. Vie­le, oft auch ko­misch ge­stal­te­te Sze­nen be­bil­dern den un­ge­bro­che­nen Op­ti­mis­mus des Paa­res, das bald das ers­te Kind auf­zieht. Zur Be­spre­chung

Pre­mie­ren­ap­plaus für ‚Klei­ner Mann – Was nun?‘ am Schau­spiel­haus Bad Go­des­berg | Fo­to (c) as

The Bro­ken Cir­cle von Jo­han Hel­den­bergh und Mie­ke Dob­bels in der Werk­statt, nächs­te Vor­füh­run­gen am 12. und 14. Mai.

The Bro­ken Cir­cle der Bel­gi­er Jo­han Hel­den­bergh und Mie­ke Dob­bels war 2012 ein Überraschungs-Kinoerfolg, der so­gar für ei­nen Os­car no­mi­niert wur­de. Das Dra­ma er­zählt die lei­den­schaft­li­che Lie­bes­ge­schich­te der Tä­to­wie­re­rin Eli­se und des Bluegrass-Musikers Di­dier. Das ins­ge­samt be­rüh­ren­de Stück ver­han­delt ein­drück­lich exis­ten­ti­el­le Fra­gen, wie den Ver­lust ei­nes Kin­des und das Ge­fühl der Aus­weg­lo­sig­keit, der Sehn­sucht und der Ver­geb­lich­keit. Zur Be­spre­chung.

Ein Blick von der Brü­cke von Ar­thur Mil­ler am Schau­spiel­haus Bad Go­des­berg, nächs­te Vor­füh­rung am 27. Mai.

Mar­tin Nimz zeigt Ar­thur Mil­lers so­zi­al­kri­ti­sches Dra­ma Ein Blick von der Brü­cke (1955) am Thea­ter Bonn mit vie­len Bewegungs- und Stim­mungs­bil­dern. Un­ter­stützt wird er hier­bei durch Cho­reo­gra­phien von Jo­han­nes Brüss­au, wel­che die Fi­gu­ren in der Ge­mein­schaft aber auch al­lei­ne span­nungs­voll por­trä­tie­ren. Zur Be­spre­chung.

Pre­mie­ren­ap­plaus für ‚Ein Blick von der Brü­cke‘ am Schau­spiel­haus Bad Go­des­berg | Fo­to (c) as

Ma­ria Stuart von Fried­rich Schil­ler mit Tex­ten von Kat­ja Brun­ner in der Werk­statt. Nächs­te Vor­füh­run­gen am 27. Mai.

Das Schick­sal der Ma­ria Stuart (1542-1587), eins­ti­ge Kö­ni­gin von Schott­land und Frank­reich, be­wegt bis heu­te. Das Thea­ter Bonn zeigt nun mit üp­pi­gem De­kor ei­ne pop­pi­ge In­sze­nie­rung von Fried­rich Schil­lers Dra­ma in ei­ner Be­ar­bei­tung von Pe­ter­Licht. Zahl­rei­che ein­ge­floch­te­ne Tex­te der Schwei­zer Au­torin Kat­ja Brun­ner be­rei­chern durch neue Ak­zent­set­zun­gen. Zur Be­spre­chung.

Pre­mie­ren­ap­plaus für ‚Ma­ria Stuart‘ in der Werk­statt | Fo­to (c) as

On­kel Wan­ja nach An­ton Tschechow am Schau­spiel­haus Bad Go­des­berg, nächs­te Vor­füh­run­gen am 8., 13. und 28. Mai.

In On­kel Wan­ja in­ter­es­siert sich der rus­si­sche Dra­ma­ti­ker An­ton Tschechow für Sze­nen aus dem Land­le­ben zy­ni­scher, ver­leb­ter und des­il­lu­sio­nier­ter In­tel­lek­tu­el­ler und Künst­ler. Sa­scha Ha­we­mann skiz­ziert in sei­ner In­sze­nie­rung am Thea­ter Bonn die ab­grün­di­ge Ver­ein­ze­lung, Sehn­süch­te und ab­sur­de Selbst­kas­tei­un­gen von Tschechows Fi­gu­ren, lässt gleich­zei­tig aber auch ih­ren Trotz an­klin­gen. Lei­der por­trä­tiert Ha­we­mann da­bei den schlei­chen­den Kon­flikt der Fa­mi­li­en­wirt­schaft im Her­zen Russ­lands recht lang­at­mig, un­zu­sam­men­hän­gend und ver­wir­rend. Zur Be­spre­chung.

Pre­mie­ren­ap­plaus für ‚On­kel Wan­ja‘ am Schau­spiel­haus Bad Go­des­berg | Fo­to (c) as

Mer­ce­des von Tho­mas Brasch in der Werk­statt, nächs­te Vor­füh­rung am 15. Mai.

In Ju­lie Groth­gars poin­tier­ter Bon­ner In­sze­nie­rung des Dra­mas be­setzt kein Au­to die Werkstadt-Bühne. In Tho­mas Braschs Dra­ma Mer­ce­des (1983) steht der Mer­ce­des für ein kul­tu­rel­les Sta­tus­sym­bol par ex­cel­lence. Spie­le­risch nä­hern sich zwei Fi­gu­ren an, mi­men mal Cow­boy und -girl, Dea­le­rin und Dro­gen­kon­su­ment, Pro­sti­tu­ier­te und mit­tel­lo­ser Frei­er. Wenn sich bei­de auf der Büh­ne über die durch Sak­ko re­prä­sen­tier­te Li­mou­si­ne un­ter­hal­ten, spre­chen sie auch über Träu­me. Zur Be­spre­chung.

Ap­plaus für Tän­zer­paar vom Tanz­gast­spiel ‚Fos­si­le‘ an der Oper Bonn

Al­le Fo­tos vom je­wei­ligen Ab­schluss­ap­plaus | Fo­to (c) Ans­gar Skoda

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