Die Pandemie brachte die Kultur-Branche vielerorts an den Abgrund. Die besorgniserregende Omikron-Variante verstärkt nun die aktuelle Gesundheitskrise. Auch am Theater Bonn gilt mittlerweile die 2G-Regelung. Der Generalintendant Dr. Bernhard Helmich wurde jüngst von der Stadt Bonn bis 2028 verlängert. Der letzte Rückblick ist schon etwas her. Zum Jahresauftakt lasse ich eindrückliche, meist noch aktuelle Produktionen Revue passieren:
Don Carlo von Giuseppe Verdi an der Oper Bonn, nächste Vorstellungen am 9., 22. und 29. Januar sowie 10. und 28. Februar im Opernhaus.
Nach dem Vorbild von Friedrich Schillers gleichnamigem, dramatischem Gedicht (1787) erzählt Don Carlo von bedrohlichen Konflikten, Zwängen und Unterwerfungen. Die Kirche und die Inquisition und einflussreiche Königshäuser wüten im 16. Jahrhundert in permanenten Kriegen.
Die französische Prinzessin Elisabetta von Valois soll mit dem Infanten von Spanien, Don Carlo, vermählt werden. So soll Frieden zwischen den beiden Ländern hergestellt werden. Beide begegnen sich in Frankreich und verlieben sich ineinander. Doch dann wird Elisabetta aus neuen Erwägungen mit dem alten spanischen König Philipp II., Vater von Don Carlo, verheiratet. Dieser wird alsbald von der spanischen Inquisition bedroht.
Mark Daniel Hirsch inszeniert die Geschichte eher konventionell mit detailreichem Dekor, eher dunklen Schauplätzen und Kulissen und atmosphärisch kühlen Stimmungen. Die exzellenten Solisten glänzen mit emotionalen Arien voll ergreifender Intensität und dem so charakteristischen Verdi-Klang. Es gab regelmäßig Szenenapplaus.
Tobias Schabel überzeugt mit seiner facettenreichen Gestaltung Königs Philipp II. mit geschmeidig sonorem Bass und starkem, tiefem Stimmvolumen. Anna Princeva gestaltete ihre vom Schicksal gebeutelte und zerbrechlich wirkende Elisabetta stimmschön mit sensiblem, wandlungsfähigem, ausdrucksstark leuchtendem Sopran. Dshamilja Kaiser mimt ihre intrigante Hofdame, Prinzessin Eboli, temperamentvoll hintergründig mit flexiblen, strahlenden und lyrisch gefärbten Mezzosopran. Auch Giorgos Kanaris hinterlässt als Rodrigo mit präsenter Ausdruckskraft und samtig-warmen Tenor einen bleibenden Eindruck.
Der große Chor und Extrachor sorgten als Stimme des versammelten Volkes couragiert für monumentale und dramatische Strahlkraft. Es wurde hierbei vom groß besetzten Beethoven Orchester Bonn eindrücklich unterstützt.
Highlights des internationalen Tanzes an der Oper Bonn. Nächste Vorstellung vom Spellbound Contemporary Ballet mit Rossini Ouvertures von Mauro Astolfi am 8. Februar im Bonner Opernhaus.
Das Staatsballett Stara Zagora tanzte vor Weihnachten in ausverkauften Vorstellungen die klassischen Handlungsballette Schwanensee und Der Nussknacker von Pjotr Tschaikowsky. Die Ballett-Compagnie der Staatsoper aus Stara Sagora in Bulgarien zog bei den Klassikern mit aufwendigen Kostümen, schnellen Schrittfolgen und kunstvolle Pirouetten Jung und Alt in den Bann.
Die Schwäne im Schwanensee harmonierten im durchgetakteten Corps de Ballet in schlichten weißen Tutus synchron schwebend. Im Nussknacker gefielen tanzende Mäuse, Nussknacker, Prinzen, Mädchen, Jungen und Erwachsene mit Posen voller Leichtigkeit. Die Ausdruckskraft bewegter Körper der jungen, international besetzten Truppe erzählte oft von Emotionen innerer Bewegung. Eine variantenreiche Körpersprache, schwungvolle Drehungen und aufgeladene Gesten sorgten für solide Spannung.
Auch tänzerisch geschmeidige Solistenduos überzeugen mit einfühlsamen Darstellungen, virtuosen Sprüngen und präzisen Hebefiguren. In Spielpausen tanzten Schwäne respektive Schneeflocken als Bildprojektionen auf den geschlossenen Theatervorhängen. Leider erklang die Musik etwas scheppernd bei allen Vorführungen von Band.
Mercedes von Thomas Brasch in der Werkstatt am Theater Bonn, nächste Vorstellungen am 7. und 29. Januar sowie 5. und 23. Februar.
In Julie Grothgars pointierter Bonner Inszenierung des Dramas Mercedes besetzt kein Auto die Werkstadt-Bühne. Thomas Braschs Drama erzählt davon, dass die beiden Hauptfiguren Oi und Sakko Schwierigkeiten haben, sich in eine als sinnlos empfundene Gesellschaft einzugliedern. Am Theater Bonn überzeugt die Vorführung dank des ausdrucksstarken Darstellerzusammenspiels mit starken Bühnenmomenten. Zur Besprechung
Istanbul – Ein Sezen Aksu Liederabend im Schauspielhaus, nächste Vorstellungen in Bad Godesberg am 18., 19. und 29. Januar sowie 1., 10., 17., 18. und 26. Februar.
Istanbul behandelt die Nostalgie und den Schmerz des Schicksals des Wanderarbeiters, der seine Heimat verlassen hat; nur dass die „Gastarbeiter-Situation“ umgedreht wurde. Es erzählt vom fiktiven Schicksal deutscher Arbeiter in der bevölkerungsreichsten Stadt der Türkei. Die Melancholie und Stimmung fängt Roland Riebelings Inszenierung auf fabelhafte Weise ein. Melancholisch-bilderreiche Lieder der türkischen Sängerin Sezen Aksu werden dabei temporeich von fünf wechselnden Akteuren vorgetragen. Ein Abend auf hohem, künstlerischem Niveau. Zur Besprechung
November von Sascha Hawemann in der Werkstatt am Theater Bonn, nächste Vorstellungen am 8. und 15. Januar sowie 12. Februar.
Das Theater traut sich mit November etwas. Regisseur Sascha Hawemann verzapft lustvoll ein sprödes, störrisches, komplex wucherndes Feuerwerk der Political Incorrectness. Das starke vierköpfige Ensemble lässt ordentlich „die Sau raus“, es wird gellend laut gewütet und dabei rebellisch mit Tabus gebrochen. Auf der Bühne wird eine desillusionierte Weltsicht des Punk (Englisch für „Dreck“ oder „Mist“) zelebriert. Die Aufführung bleibt in weiten Teilen schwer zugänglich und kryptisch. Ein Glücksgriff gelang insbesondere mit den Darstellern, die das über zweistündige Drama trotz der erdrückenden Textlast wenigstens zeitweise zu einem eindrücklichen Erlebnis machen. Zur Besprechung
Der zerbrochene Krug von Heinrich von Kleist im Schauspielhaus, nächste Vorstellungen in Bad Godesberg am 7. und 30. Januar sowie 5. und 23. Februar.
Im Verlauf von Heinrich von Kleists Lustspiel von 1808 bleibt die ehrwürdige Gerichtshoheit zweifelhaft, denn der Amtsträger der Gerichtsgewalt engagiert sich betont wenig im Sinne der Wahrheitsfindung. Nicht nur die Sprache von Kleists Blankversen und das spießig-biedere Setting wirken in Jens Großes Inszenierung veraltet; auch die Ideen erscheinen oft altbacken, umständlich und allzu boulevardesk. Leider ist die Personenführung auch wenig pointiert. Das vorhersehbare Geschehen wird konventionell und uninspiriert in die Länge gezogen. Zur Besprechung
Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt) im Schauspielhaus, nächste Vorstellung in Bad Godesberg am 6. Februar.
Die Erfolgskomödie Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt) der Amerikaner Adam Long, Daniel Singer und Jess Winfield ist eine Klamotte und Tour-de-force über den wohl größten Dichter aller Zeiten. Mit starker Mimik und Gestik, experimentellen Wortspielen und herausragenden Gesang agieren in Roland Riebelings Inszenierung drei junge Akteure in den 37 Stücken und 1834 Rollen William Shakespeares. Lebendige Schauspielkunst und eine rasante Vorführung voll gelungener und schöner Pannen, die der Kunst, Größe und dem Genie Shakespeares allemal das Wasser reicht. Zur Besprechung
Alle Fotos vom jeweiligen Abschlussapplaus (c) Ansgar Skoda