So langsam dämmert es wohl auch den Festspielhaus-Apologeten, dass sie sich von ihren Bilbao-Illusionen in Bonn verabschieden müssen. Man kehrt zu den ursprünglichen Überlegungen zurück und favorisiert wieder das integrative Konzept im Verbund mit der Beethovenhalle, auch wenn Festspielhaus-Freund Wolfgang Grießl davor warnt, nur einen Anbau als eine Art Wurmfortsatz der Beethovenhalle in Erwägung zu ziehen. Wäre das wirklich so falsch? Was der IHK-Präsident in seiner Freizeit im Förderverein so treibt und meint, ist seine Privatsache und interessiert mich nicht die Bohne. Entscheidend ist die Meinungsbildung in der Bonner Bürgerschaft und ein Rückblick auf die politische Achterbahn-Fahrt, die Beethoven in dieser Form nun wirklich nicht verdient hat.
Wie gut ist doch Wikipedia bei der Dokumentation der planerischen Peinlichkeiten, die sich in den vergangenen Jahren um den neuen Musen-Tempel abgespielt haben – ein Ende ist nicht absehbar. Hier nur die „Highlights„: Im Juni 2007 hieß es in einem Beschluss des Rates der Stadt: „Das neue „Festspielhaus Beethoven“ soll in unmittelbarer Nähe zur bestehenden Beethovenhalle errichtet werden. Hierbei sind planerische Lösungen für die Anbindung zum Komplex der bestehenden Beethovenhalle vorzuschlagen. Als Baufenster vorgesehen ist das östlich angrenzende Grundstück am Ufer des Rheins zwischen den Straßen Wachsbleiche im Norden und Theaterstraße im Süden.“
Im April 2008 vollzog die damalige Oberbürgermeisterin Dieckmann einen Schwenk: das Festspielhaus sollte weder neben der Beethovenhalle oder gar an einem anderen Standort gebaut werden.
„Das wäre mit 75 Millionen Euro nicht zu machen“, zitierte sie der Bonner General-Anzeiger am 19./20. April 2008.
Sie setze sich nun für eine „integrative Lösung“ ein. Danach sollten Außenansicht und Dach der Halle „weitgehend erhalten bleiben“, der Innenraum aber völlig umgebaut werden mit zwei Sälen und der Verlagerung des Haupteingangs zum Rhein hin. Zu diesem Konzept würden nun auch die Bauherren tendieren.
Drei Monate nach der Wahl eines neuen Stadtrates und eines neuen Oberbürgermeisters im September 2009 teilte der Bonner Stadtdirektor Volker Kregel mit, der gleichzeitig städtischer Projektleiter für das Festspielhausprojekt war, dass es hinsichtlich des Standortes eine Alternativ-Planung gebe. In Absprache mit Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch werde laut darüber nachgedacht, „die Entscheidung für den Standort auf dem Gelände der Beethovenhalle aufzugeben“. Als Alternativstandort nannte Kregel ein Grundstück neben der Telekom-Zentrale, auf dem sich derzeit noch das „Landesbehördenhaus“, das ehemalige Bonner Polizeipräsidium, befindet. In einer Stellungnahme vom Februar 2010 erklärte die Verwaltung, es gebe „keine Pläne zum Standortwechsel, sondern lediglich den Hinweis auf andere Optionen“.
Zwei Wochen später teilte Oberbürgermeister Nimptsch mit, dass „die Projektpartner jetzt Alternativen“ prüften, „die am Rhein liegen: am Alten Zoll, im Park zwischen Villa Hammerschmidt, Kanzlerbungalow und Palais Schaumburg. Und in der Rheinaue.“ In der dem Projektbeirat im März 2010 vorgelegten „Ergänzenden Standortbewertung“ kam die Verwaltung für den Standort Rheinauenpark/Rheinpavillon zu der Bewertung „sehr eingeschränkt geeignet“, die drei anderen seien nicht geeignet.
Ähnlich kurios ist die Bauplanung verlaufen.
Das privatrechtlich ausgerichtete Vergabeverfahren aus dem Jahr 2008 war kein ordentlicher, offener Architektenwettbewerb, wie er bei öffentlichen Aufträgen vorgeschrieben ist. Zu Beginn des Auswahlverfahrens, Mitte Oktober 2008, nannte die Deutsche Post AG für die drei Unternehmen 11 internationale Architekturbüros, die mit Entwürfen für den Bau beauftragt wurden. Drei Leitlinien galten für sie: Das neue Haus soll sowohl architektonisch als auch akustisch Weltniveau haben, das Investitionsvolumen maximal 75 Millionen Euro betragen. Als „Option“ von Seiten der Sponsoren hatten die Architekten, die Beethovenhalle einzubeziehen oder abzureißen, womit die Sponsoren die vom Rat beschlossenen „städtebaulichen Rahmenbedingungen“ ignorierten. Die „städtebaulichen Rahmenbedingungen“ gehen von einem Nebeneinander von alter und neuer Halle aus, nicht von einem Abriss.
Vertreter der Stadt und der Bürger waren bei der Expertenanhörung, so Andreas Rossmann in der F.A.Z. vom 16. Februar 2009, „Zaungäste“. Die Entscheidung, welche Entwürfe ausgewählt wurden, trafen alleine die Sponsoren. Am 16. Februar 2009 berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z), dass die vier ausgewählten Entwürfe der Sponsoren nicht identisch seien mit vier Entwürfen, die das Expertengremium favorisierte. Die Zeitung beruft sich auf Landeskonservator Udo Mainzer, der als Experte an der Anhörung teilnahm. So seien von den Sponsoren zwei Entwürfe, die von Schuster & Schuster und von David Chipperfield „plötzlich“ ausgetauscht und durch die Entwürfe von Hermann & Valentiny und Arata Isozaki ersetzt worden. Begründungen für diese Entscheidung wurden von Seiten der Sponsoren nicht gegeben. Ebenfalls sei kein Wettbewerbsprotokoll geführt worden. Und wie trefflich urteilt doch der FAZ-Redakteur vor fünf Jahren (Stichwort „Bilbao-Illusionen“):
„Zwar zeichnet sich inzwischen ein Ende der Spektakel-Architektur ab, doch die Post möchte in Bonn damit hinterherkleckern. So insistiert die Provinz darauf, Provinz zu bleiben. Zeitgebunden wie sie sind, dürfte jeder der vier Entwürfe, so er gebaut wird, in zwanzig Jahren älter aussehen als die Beethovenhalle von Siegfried Wolske“, die übrigens vor fünf Jahrzehnten von Experten der Musik- und Architekturszene bejubelt wurde – bis sie von der Stadt heruntergewirtschaftet wurde und nunmehr von den Festspielhaus-Freunden schlecht geredet wird.
Nun plant die Post einen weiteren Architektenwettbewerb für einen Neubau neben der Beethovenhalle (kommt Euch dieses Konzept bekannt vor?) – auf eigene Kosten. Zuvor werde der Konzern mit allen Beteiligten einschließlich der Festspielhaus-Initiativen über die gewünschten Vorgaben sprechen. Wie großzügig. Was ist mit den Bürgerinitiativen, die sich für den Erhalt der Beethovenhalle ins Zeug gelegt haben? Was ist generell mit der Bonner Bürgerschaft? Bleiben wir wieder Zaungäste, wird wieder eigenmächtig entschieden, wie 2009? Dann wird es neue Stolpersteine geben, liebwerteste Post. Weiteren Ärger dürfen wir uns nicht leisten, um die Beethovenhalle in altem Glanz herzurichten inklusive Konzertsaal-Anbau.
Ansonsten stellen wir zu seinem 250. Geburtstag nur einen kleinen Kerzen-Reigen vor das Geburtshaus des großen Komponisten.
Siehe auch:
- Kulturpolitischer Provinzialismus.
- Krautökonomie mit Beethoven.
- Bonner Festspielhausfreunde in Abrisslaune – Wo bleibt der republikanische Geist?
- Bonn bekommt wohl doch keine Elbphilharmonie: Puh, noch mal Glück gehabt.
- Beethoven und die Frage der ePartizipation in der Stadtplanung.
- Beethoven und die angeblich erwachte Provinz im Bonner Rathaus.
- Höchste Auszeichnung für Denkmalschutz geht an die Initiative Beethovenhalle.
[…] Bislang war als Standort ein Gebiet irgendwo in den Rheinauen, nahe des Blindengartens, auserkoren gewesen. Genaueres weiß man nicht, obwohl es seit 2007 den Beschluss eines Festspielhauses gibt. Das wo und wie aber blieb in den letzten sieben Jahren ein Hin und Her. Klar war nur: Der Bau (75 – 100 Millionen Euro) wird durch private Sponsoren finanziert. Die Post will 30 Millionen beisteuern. 2020, wenn Beethoven jubiliert, muss die Festhalle fertig sein. […]