Bonn – Das Beben durch den zweiten Bürgerentscheid, der das Wasserlandbad und damit den ersten tragfähigen Entscheid in der Bonner Bäderdebatte seit fast 20 Jahren beendete, ist noch immer zu spüren. Im ersten Teil unserer Zusammenfassung hattet ihr gelesen, was von 2006 bis 2016 in Bonn rund um die Bäder diskutiert wurde.

Wasserlandbad erster tragfähiger Entscheid seit Jahrzehnten

Das Ergebnis war das Wasserlandbad in Dottendorf und ein Bäderkonzept, das mit der Jamaika-Ratsmehrheit im September 2016 verabschiedet wurde: Das Frankenbad und das bereits seit Frühjahr 2016 geschlossene Kurfürstenbad werden aufgegeben. Das Frankenbadgrundstück wird in Zusammenarbeit mit den Bürgern für eine stadtteilnahe Verwendung umgewidmet. Das Kurfürstenbad wird vermarktet.

Gleichzeitig werden die Beueler Bütt und das Hardtbergbad umfassend saniert. Das Friesi wird mit einer Traglufthalle ausgestattet, die im Winter Schwimmen ermöglicht, bis das Wasserlandbad 2021 fertiggestellt ist. Damit wäre eine Neuordnung geschaffen worden, die einen zentralen Ersatz zwischen den beiden Bädern in der Altstadt und Godesberg bietet und die westliche und rechtsrheinische Peripherie durch eigene Bäder abdeckt.

Erster Bürgerentscheid gegen das Kurfürstenbad 2017

Waren die Pläne anfangs noch ungenau, regte sich in Godesberg Kritik. Ein Bürgerbegehren wurde initiiert, unter Mitführung durch Axel Bergfeld, der bereits das Viktoriakarree gestoppt hatte. Im April 2017 entschieden die Bürger: Das Kurfürstenbad bleibt geschlossen. 50.072 Bürgerinnen und Bürger (51,64 Prozent) stimmten bei der Frage „Soll das Kurfürstenbad erhalten, wieder nutzbar gemacht und saniert werden?“ mit „Nein“. Mit „Ja“ votierten 46.888 Bonnerinnen und Bonner. Das entspricht 48,36 Prozent.

Bürgerwerkstätten und finale Planung

In mehreren Bürgerwerkstätten und mit 2400 Menschen, die sich beteiligten, wurde das Wasserlandbad nach den Wünschen von Bürgern, Vereinen und Interessensgruppen sowie in Abwägung der finanziellen Möglichkeiten gestaltet. Im Kern wurde dabei das Konzept von Kim Adam aus dem Jahr 2012 aufgegriffen. Das Bad, von Gegnern gerne als reines Spaßbad in Abgrenzung zu erreichbaren, rein funktionalen Stadtteilbädern klassifiziert, hätte geboten:

  • 25-Meter-Becken mit 10 Bahnen für Schul- und Vereinssport in separater Badehalle, mit separatem Zugang, Zuschauertribüne
  • 25-Meter-Becken mit 8 Bahnen für die Öffentlichkeit und Sprunganlage mit 2 Mal 1er-Brett und 3er-Brett
  • Lehrschwimmbecken (12,5 x 8 Meter)
  • Fitnessbecken (10 x 10 Meter)
  • Multifunktionsbecken (10 x 8 Meter)
  • Rutschenanlage mit fünf separaten Landebecken
  • Erlebnisbecken innen (Strömungskanal, Sprudelliegen etc.) Erlebnisbecken außen (Sprudelliegen etc., mit Abdeckung)
  • Planschbecken (80 Quadratmeter, Kleinkinderrutsche)

Es war komplett barrierefrei konzipiert. Den Bau sollten die Stadtwerke Bonn (SWB) übernehmen, damit Kostensteigerungen und Zeitverzögerungen verhindert werden. Die Stadtwerke hatten in der Vergangenheit das Heizkraftwerk Nord in Eigenregie gebaut und waren vor Zeitplan und weit günstiger fertig als kalkuliert, beim Müllbunker lag man leicht über den Kostenschätzungen. Durch die Lage am Heizkraftwerk Süd und durch den Betrieb durch die SWB ließen sich Betriebskosten sparen. Das Gründstück lag ziemlich genau zwischen Frankenbad und altem Kurfürstenbad, jeweils rund 4,5 Kilometer entfernt.

Die Baukosten lagen bei rund 60 Millionen Euro, die die Stadt der SWB als Kredit mit Zinszahlungen gab. Dafür hätte die die SWB jährlich 160.000 Euro zurückgezahlt. Die Betriebskostendefizite, die Bäder produzieren, sollten steuersparend mit den Gewinnen der SWB-Energiesparte verrechnet werden. Den verbleibenden Verlust ziehen die SWB von ihren Ausschüttungen an die Stadt ab. Weitere Steuervorteile waren eingerechnet, das HKW Nord hätte das Bad mit Wärme versorgt. Einen Überblick über das Modell gibt es hier.

Die Stadt hätte Betriebskosten für die Bäder gespart, die in den letzten Jahren immer höher geworden sind. So hätte laut Stadt der Weiterbetrieb eines sanierten Franken- und Kurfürstenbads 3,94 Millionen Euro, der des Wasserlandbads 2,89 Millionen Euro gekostet.

Das Bad hätte zeitgleiches Schul-, Vereins und Bürgerschwimmen ermöglicht und wäre gut per Rad, Bahn und Auto zu erreichen gewesen.

Bürgerinitiativen und Parteien werben für Baustopp

Während die Jamaika-Ratsmehrheit das Projekt befürwortete, stellten sich BBB, SPD, Sozialliberale und Linke dagegen, unterstützt von Initiativen, die das Frankenbad retten und das Kurfürstenbad reaktivieren wollten. Der Ratsbeschluss dazu fiel am 14. Dezember 2017. Kurz darauf wurde ein Bürgerbegehren durch die Bürgerschaft initiiert.

Die Argumente waren teils abstrus, muss man festhalten. So wurde etwa in Beuel behauptet, mit einem „Ja“ zum Baustopp würde die Beueler Bütt gerettet. Es wurde behauptet, das Projekt wäre mit riesigen Kostensteigerungsrisiken verbunden, gleichzeitig forderte man die Sanierung oder gar den Neu- und Erweiterungsbau zweier Bäder durch die Stadt, für die Baurisiken, Verzögerungen und Sanierungskostenexplosionen keine Seltenheit sind – siehe Beethovenhalle und Römerbad.

Zugleich wurde die zusätzliche Entfernung von rund 4,5 Kilometern als unüberwindbares Hindernis für viele Bürger deklariert. Für das Schulschwimmen wurden abstruse Anfahrtswege aus dem Bonner Norden angefertigt, die etwa vom Brüser Berg nicht das nächste Bad (Hardtberg, Sportpark Nord) nehmen, sondern bis nach Dottendorf fahren.

Die Gegner des Bades entwarfen auch Sanierungsvorschläge und Erweiterungen für das Kurfürstenbad mit neuem Becken. Das hätte dann durch die Stadt gebaut werden sollen und gemeinsam mit der Sanierung des Frankenbads 35 Millionen Euro gekostet – durch eine Stadt, die bereits durch die Bestandsanierung der Beethovenhalle mehr als überfordert ist.

Wasserlandbad wird gestoppt – Scherbenhaufen Bäderdebatte 2018

Nun denn, die Bürger stoppten den Neubau im Bürgerentscheid vom 3. August 2018. Insgesamt 106.070 Bonnerinnen und Bonnern nahmen an der Brief-Abstimmung teil. 54.932 antworteten auf  die Frage „Soll der Neubau eines Schwimmbades in Bonn-Dottendorf gestoppt werden?“ mit „Ja“; 50.833 stimmten mit „Nein“. Der Bürgerentscheid ersetzt den Ratsbeschluss vom 14. Dezember 2017, in dem die Konzeption zum Bau und Betrieb des Wasserlandbades verabschiedet worden war.

Der Stopp kostete die Stadt neben den Demokratiekosten des Bürgerentscheids von rund 300 000 Euro auch 6,7 Millionen Euro, die für die bisherigen Planungen und Projektkosten angefallen waren. Das Geld stammt aus dem allgemeinen Haushalt, nicht aus dem für die Bäder.

In den Tagen darauf gab es abstruse Vorschläge: So forderten die CDU in Godesberg, das Friesi, schlecht zu erreichen, mitten im Dorf, klein, als neues Kombibad auszubauen. Es befindet sich rund 1500 Meter vom Standort des Wasserlandbades entfernt.

2019: Bürgerbeteiligung zur Bonner Bäderlandschaft – das Bürgergutachten

Der Stadtrat beschloss, die Bürger wieder ins Boot zu holen: Im Mai 2019 begann die Mitarbeit der Bürger in vier Planungszellen. Mit einer Auftaktveranstaltung. Im Zeitraum vom 2. bis zum 9. September 2019 und vom 9. bis zum 12. September 2019 fanden die vier Planungszellen im Bonn mit 92 ausgewählten Bürgern statt. Das Ergebnis war das Bürger-Bädergutachten, dass Oberbürgermeister Sridharan am 21. November vom ältesten und dem jüngsten Mitglied der Planungszellen entgegen nahm.

Die Ergebnisse sind teils inkompatibel, sehr teuer, letztlich aber keine Überraschung: Dezentralisierung, mehr Wasserflächen, Sanierung, Erhöhte Attraktivität, Spezialisierung – und ein familienfreundliches Bad am Hardtberg. Weiterhin der Erhalt des Frankenbads, aller Freibäder, ein neues Bad für Godesberg, eventuell ein neues Bad am Wasserlandbad.

Überraschenderweise hatte das Bürgergutachten Einfluss auf den Stadtrat: Er folgte in vielen Bereichen und beschloss sechs Monate später, dem weitestgehend zu folgen.

Sommer 2020: Rat beschließt Rahmenplan Neuordnung der Bäderlandschaft – es wird geprüft

Im Sommer, kurz vor der Kommunalwahl, nahm die Diskussion um die Bonner Bäderlandschaft wieder fahrt Fahrt auf: Der Stadtrat beschloss am 18. Juni 2020 einen Rahmenplan zur Neuordnung der Bonner Bäderlandschaft. Die Verwaltung wird beauftragt, einzelne Maßnahmen zu prüfen und dem Rat zum Beschluss vorzulegen.

Geprüft werden soll – es ist nichts entschieden:

  • Die Generalsanierung des Frankenbades. Damit Wettkämpfe auf nationalem Niveau stattfinden können, müsste das Sportbecken zusätzlich auf mindestens acht Schwimmbahnen erweitert werden.
  • Barrierefreie Sanierung der Schwimmhalle im Sportpark Nord, Bau eines weiteren Lehrschwimmbecken und Umkleidekapazitäten.
  • Errichtung eines temporären Schwimmbads in dieser Zeit, vermutlich im Römerbad
  • In Bad Godesberg wird überlegt, an Stelle des geschlossenen Kurfürstenbads ein „Gesundheitsbad“ zu bauen.
  • In Beuel soll die Beueler Bütt verschwinden und ein Kombibad am heutigen Ennertfreibad entstehen
  • Das Hardtbergbad bleibt bestehen und wird erweitert

Die geschätzten Gesamtkosten für diese Maßnahmen lägen bei 130 Millionen Euro.

Entschieden ist weiterhin nichts, aber man ist immerhin wieder in einer Prüfphase nach einer Bürgerbeteiligung.

Unser ursprünglicher Kommentar 2018 zum Fortgang:

Wie geht es mit den Bonner Bädern weiter? – Aussicht 2020–2021

(Variabler Inhalt) Für eine tragbare Zukunft der Hallenbäder in Bonn sieht es düster aus. Seit 2006 sind bereits zwei Hallenbäder geschlossen worden, das Kurfürstenbad und das Viktoriabad. Das Kurfürstenbad ist durch einen Bürgerentscheid bis April 2019 nicht sanierbar. Dass es reaktiviert wird, ist bis zur Kommunalwahl 2020 nicht zu erwarten, genauswenig wie ein Neubau. Dafür fehlen aktuell die Ratsmehrheiten.

Gegner des Wasserlandbades fordern zudem eine echte Bürgerbeteiligung zu zukünftigen Konzepten, im Gegensatz zu der echten Bürgerbeteiligung über die reine Ausarbeitung des Wasserlandbades.

Im Kern würde dies bedeuten: Die Bürger erarbeiten in Werkstätten verschiedene Zukunftskonzepte, über die dann die Bürger in einem Entscheid abstimmen sollen. Ob dabei alle Bürgerinteressen und auch die finanziellen Möglichkeiten der Stadt berücksichtigt werden, bleibt fraglich. Der einzige Vorteil wäre: Das Ergebnis hätte zwei Jahre bestand.
Festzuhalten bleibt, dass mit dem Ausgang des Wasserlandbad-Bürgerentscheids alles auf Anfang steht. Höchstwahrscheinlich wird vorerst keines der zwei verbliebenen Hallenbäder und das Kombibad Hardtbergbad grundlegend saniert, bis man sich auf eine Richtung geeinigt hat.

Alles Bäder stehen damit wieder zur Disposition – und bis 2021 wird es vermutlich keine Entscheidung geben. (Stand: 10 August 2018)

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