Gedanken zur Busfahrer-Diskussion

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Der Generalanzeiger hat über einen kürzlich veröffentlichten Artikel wieder einmal eine Bashing-Kampagne losgetreten, und wieder ist der öffentliche Nahverkehr das Ziel. Es ist schade, dass diese Zeitung es nicht hinbekommt, eine Diskussion in ihren Beiträgen zu versachlichen, sondern offensichtlich lieber denen Raum und Gehör schenkt, die ihren Frust loswerden wollen. Wozu ein solch undifferenzierter Artikel aufruft, zeigt sich an diversen Leserbriefen, die in der heutigen Ausgabe des GA großflächig zu finden sind. Dazu zitiere ich unten Beispiele und Auszüge.

Einzelfälle werden verallgemeinert

Ich erkenne an, dass jeder der geschilderten Einzelfälle für die Betroffenen eine Härtesituation darstellt, die sich niemand von uns wünscht. Dennoch denke ich, dass es einer etwas differenzierteren Betrachtung bedarf, will man sich dem Thema sachlich nähern.

Wir sollten uns zu allererst daran erinnern, dass Busfahrer und Busfahrerinnen in erster Linie eines sind: Menschen. Menschen wie Du und ich mit Gefühlen, Gedanken, Regungen, Fehlern und einem Anspruch auf Respekt – wie jeder von uns. Sie sind keine Maschinen, die ständig gleichförmig und gut funktionieren – wie niemand von uns. Es mag wünschenswert erscheinen, ist aber nicht so. Und wenn Fahrlehrer Moll in seinem Leserbrief moniert

Da wurde in den Gegenverkehr gefahren, hart abgebremst – und ein kleines Dankeschön oder eine Entschuldigung durch ein Handzeichen Fehlanzeige. Ehrlich, das ist nicht partnerschaftliches Verhalten im Straßenverkehr.

frage ich mich, was er damit sagen will – angesichts der Tatsache, dass er wissen wird, dass die sehr viele andere ehemaligen Fahrschüler es mit Regeln und Partnerschaft im Straßenverkehr nicht immer so genau nehmen.

In dieser Diskussion wird wieder einmal der grundsätzliche Fehler der Verallgemeinerung gemacht, in der wir das Fehlverhalten der anderen überbewerten und das eigene unterbewerten – oder gleich ganz ausblenden. Es gibt jetzt Menschen, die fühlen sich berufen, ihren Einzelfall zu zitieren und daraus eine allgemein gültige Aussage zu machen oder zumindest diese nahezulegen. Das ist schlichtweg unzulässig, will man sich an einer inhaltlich sachlichen Diskussion beteiligen. Niemand von uns will mit anderen über einen Kamm geschoren werden und wir fordern zurecht eine individuelle Differenzierung unserer Person. Gleichzeitig tun wir uns aber schwer damit, anderen das gleiche Recht zuzugestehen.

Ein Blick auf das Gesamtsystem

Es gilt hier, die Verhältnismäßigkeit zu wahren: Auf Bonns Straßen sind an einem Werktag zur Tageszeit mehr als 130 Busse gleichzeitig im Einsatz. Alleine vor diesem Hintergrund wird ein einzelnes Fehlverhalten zu einem Anteil von 0,7%! Würden sich zu einem gegebenen Zeitpunkt tatsächlich 10 Fahrer gleichzeitig falsch verhalten, hätten wir gerade mal eine Quote von 7% – im Umkehrschluß ließe sich sagen, dass sich 93% aller Fahrer korrekt verhalten. Wäre nicht diese Tatsache vielmehr eine Meldung wert?

All die, die jetzt die Gelegenheit nutzen, ihrem Frust Raum zu geben, möchte ich darüberhinaus fragen: Wann haben Sie sich zuletzt bei einem Busfahrer für eine „gute“ Leistung bedankt?

Ist es nicht so, dass wir normalerweise den Fahrer oder die Fahrerin gar nicht zur Kenntnis nehmen? Die meisten Menschen steigen an den hinteren Türen der Busse ein, weil dort mehr Platz ist und man statistisch eine größere Chance auf einen freien Platz bekommt. Wer schaut da schon auf den Fahrer? Und wann haben Sie beim Aussteigen zuletzt gedacht: „Das war jetzt aber eine erfreulich ereignislose Fahrt?“ Machen Sie sich noch Gedanken darüber, wenn eine Fahrt so abläuft wie Sie sie sich vorstellen? Ich vage mal die kühne Behauptung, dass das nicht der Fall ist.

Über den eigenen Tellerand hinausschauen

Wir erwarten ja schließlich, dass eine Dienstleistung genauso funktioniert, wie wir sie uns im aktuellen Moment gerade wünschen und brauchen. „Wir zahlen ja schließlich dafür“ – diesen Satz kann ich, ehrlich gesagt, auch nicht mehr hören. Nehmen wir als Beispiel einmal den Leserbrief von Herrn Helmut Rösler, den ich hier kurz zitieren will:

Ich bin nicht gut zu Fuß und oft an Krücken unterwegs. Des Weiteren bin ich schwer übergewichtig, was das Gehen an Krücken noch erschwert. Ich bat einen Busfahrer der Linie 640 an der Haltestelle Sankt Augustin-Mülldorf so lange zu warten, bis ich an der Haltestelle aufgestanden bin und den Bus verlassen habe.
Der Bus hält an der Haltestelle und ich setzte mich in Bewegung. Kurz bevor ich an der Tür angekommen war, schloss der Fahrer die Tür und fuhr los. Ich rief ihn zu, dass ich doch den Bus verlassen wollte. Er brüllte nur rum dass ich mich hätte beeilen müssen. Er müsse sich an den Fahrplan halten.
Die Station Sankt Augustin-Mülldorf ist die letzte Station vor der Endhaltestelle, und der Bus hatte auch schon mehr als 10 Minuten Verspätung. […]

Abgesehen von der sehr einseitigen Darstellung des Dialoges („ich bat“, „er brüllte rum“) zeigt dieser Brief, wie isoliert dieses Ereignis im Gesamtzusammenhang betrachtet wird und wie wenig Herr Rösler – in all seiner berechtigten Betroffenheit – bereit ist, über seinen Tellerrand zu schauen. Auf die Bedürfnisse des Fahrers nimmt er beispielsweise in keinem Wort Bezug. Der Bus war also bereits zu spät. Vielleicht hat der Fahrer an der Endhaltestelle eine gesetzliche Ruhezeit, die er nicht mehr einhalten kann. Möglicherweise beeinträchtigt das seine Konzentration für den Rest seiner Dienstzeit. Möchte Herr Rösler das?

Stellen wir uns vor, Herr Rösler wartet nun auf den Bus in Gegenrichtung. Es regnet und Herr Rösler ist bereits reichlich naß, als der Bus fahrplanmäßig abfahren sollte. Aber der Bus kommt 13 Minuten zu spät, weil der Fahrer auf der Hinfahrt so freundlich war, auf alle Fahrgäste reichlich zu warten. Worüber wird sich Herr Rösler jetzt beschweren? Wo soll der Fahrer beginnen, abzuwägen? Es wird Herrn Rösler (und andere) so oder so unzufrieden zurück lassen. Ich halte es zudem für sehr problematisch, einen anderen für die Folgen der eigenen körperlichen Beschwerden verantwortlich zu machen.

Ausweg: Sich selber vorbereiten

Ich könnte an dieser Stelle haufenweise Beispiele vorbildlichen Verhaltens von Busfahrern und Busfahrerinnen zitieren. Es würde aber ebensowenig zur Diskussion beitragen wie die negativen Beispiele. Stattdessen möchte einen Vorschlag machen: Bereiten Sie sich vor. Da ich selber täglich Busse und Bahnen nutze, weiss ich, was mich theoretisch erwarten kann – und ich bereite mich darauf vor. Mein Fahrlehrer hat mir „vorausschauendes Fahren“ eingetrichtert. Das bedeutet nichts weiter als einfach vorbereitet sein auf Dinge, die passieren „können“.

Wenn ich so vorbereitet an eine Haltestelle komme, überrascht mich eine Verspätung nicht und es fällt mir leichter, damit umzugehen. Wenn ich weiss, dass Busse (und Bahnen) unterschiedlich stark bremsen und beschleunigen, dann suche ich mir einen sicheren Stand. Wenn ich aber sehe, dass ein Fahrzeug so voll ist, dass meine Sicherheit nicht gewährleistet ist, dann nehme ich den Bus einfach nicht – dafür bin ich doch selber verantwortlich und nicht der Fahrer oder die Stadtwerke!

Zum Abschluss noch dies: Der Leserbrief von Frau Schumacher enthält den Passus

Das Benehmen und der Fahrstil der Busfahrer lässt leider häufig nur den Schluss zu, dass diese nur eine Kurzeinweisung statt eine ordentliche Schulung erhalten haben.

Aus meiner Sicht ist diese Aussage eine unzulässige Anmaßung und bezichtigt nicht nur das Personal, sondern auch den Auftraggeber, ihren Verpflichtungen nicht gerecht zu werden. Solche platten Darstellungen sind inhaltlich nicht nur wertlos, sondern sagen mehr über die Autorin als über die angesprochenen Personen.

3 Kommentare

  1. Liebe Herr Knudsen , welcher Meinung Sie auch immer sind, mir vorzuschreiben wie ich was zu sehen habe steht ihnen nicht an. Vor Jahren fuhr ich auf Kreta Bus. Folgendes hat sich ereignet: Ein Passagier hat überstürzt den Bus verlassen und ein Gepäckstück vergessen. Etliche Kilometer später fiel das auf. Dann kam uns der Gegenbus entgegen, beide Busse hielten an auf einer Brücke, die Fahrerfenster vis a vis.. Der Fahrer reichte den vergessenen Rucksack dem Kollegen. Der Kollege nahm ihn mit, dahin, wo der Fahrgast ausgestiegen war. Das ist guter Service und das was der VRS abliefert ist es zumeist nicht.
    Naturgemäß wiegen 10 positive Fälle einen negativen Fall nicht auf, aber mit der Erkenntnis muss halt der gesamte Dienstleistungssektor leben. Und es gibt zahlreiche Unternehmen, die sich unter den Voraussetzungen ein exzellentes Image erarbeiten konnten. Und der Verkehrsverbund Rhein-Sieg ist dazu nicht im Stande, weil diesem rüden Verhalten der Straßenbahn- und Busfahrer, wie ich es erlebt habe und wie es die Leserbriefe schildern nicht unternehmensseitig entschlossen entgegengearbeitet wird. Offenbar man findet das wohl tolerabel oder Ok, anders ist das nicht zu erklären.
    Im Übrigen über die SWB als Stromanbieter kann ich nur bestes berichten. Die haben einen excellenter Service!

    • Hallo Herr Wolf, und danke für Ihre Mitteilung.
      Ich habe nicht vor, jemandem etwas vorzuschreiben, was ich aus meiner Sicht auch nicht tue. Ich berichte von meinen Eindrücken und mache Vorschläge.
      „Was der VRS abliefert ist es zumeist nicht“ ist für mich aber eine Behauptung, für die Sie auf Basis ALLER Fahrten, die der VRS macht, einfach nachweisen müssten, dass die Mehrzahl in schlechter Qualität erbracht werden. Ansonsten ist das Argument hohl und lediglich eine persönliche Sicht auf einen kleinen Ausschnitt einer komplexen Gesamtleistung. (Ich habe übrigens in der Dominikanischen Republik reihenweise Busfahrer erlebt, denen offensichtlich ihr eigenes und das Leben der Passagiere ziemlich egal war – nur mal so als Gegenpart zu Kreta).
      „Naturgemäß wiegen zehn positive Fälle einen negativen Fall nicht auf“ ist eben ganz und gar nicht „naturgemäß“ sondern exakt und ganz genau, was ich im dritten Absatz schreibe: Wir überbewerten das Negative und blenden dabei das Positive aus. Das ist leider nicht „natürlich“, sondern Ausdruck einer gewissen Arroganz und Überbewertung der eigenen Person und WIchtigkeit. Nur dann, wenn ich ALLE Erfahrungen in einen gemeinsamen Kontext stelle, kann ich mir eine sachliche (!) Bewertung erlauben. Alles andere ist schlichtweg nichts als schnöde Meckerei.
      Dass es Situationen oder Tage gibt, an und in denen Fahrerinnen und Fahrer anders fahren, als ich mir selber das wünschen würde, stelle ich gar nicht infrage. Daraus kann aber niemand eine allgemeingültige Meinung über einen Fahrer und schon gar nicht über eine gesamte Dienstleitung ableiten. Nur das ist hier mein Thema.

  2. Sehr geehrter Herr Knudsen,
    mit Erstaunen habe ich meinen Leserbrief in Ihrem Kommentar gelesen.Mal abgesehen davon, dass Sie meinen Namen Falsch geschrieben haben, finde ich Ihre Einstellung erbärmlich. Wenn ein Fahrgast (Betonung auf GAST!) den Busfahrer bittet zu warten, weil er AUGENSCHEINLICH gehbehindert ist, bis er ausgestiegen ist, da er an Krücken geht, dann ist das ein Wunsch, dem der Busfahrer entsprechen MUSS. Einfach die Tür zu schließen, weiter zu fahren und anzufahren, dass der FahrGAST fast stürzt ist Ihrer Meinung also OK?. Sie sprechen auch auf die Pausen des Fahrers an. Ja, die sind wichtig. Aber was ist mit den Terminen des FahrGASTes? Ich wurde, gegen meinen Willen, den ich beim besteigen des Busses und lösen eines Fahrscheines bis zu dieser Haltestelle erklärt habe, nach Siegburg gefahren. Zum ersten ist das eine Schwarzfahrt, da ich in eine andere Preiszone gefahren wurde. Des Weiteren musste ich auch noch ein Ticket für die Fahr von Siegburg zurück nach Sankt Augustin lösen und war erst mehr als eine halbe Stunde später wieder dort, wo ich eigentlich aussteigen wollte. Damals hatte ich einen GdB von 60, heute mehr. Ich dachte eigentlich, dass man auf behinderte Menschen etwas Rücksicht nehmen würde. Aber von Rücksicht gegenüber anderer Menschen scheinen Sie ja anscheinend nichts wissen zu wollen. Schade eigentlich. Auch Ihre (vollkommen unqualifizierte Bemerkung) , dass ich alles etwas einseitig sähe, ist nicht zutreffend. Ich habe von meinen Eltern Höflichkeit gelernt. Wenn einer der Busfahrer in einer Lautstärke kommuniziert, die einem Kunden und in dieser Situation vollkommen unangebracht ist, dann nenne ich das Brüllen. Da Sie nicht dabei waren, sollten Sie Sich solche Unterstellungen lieber sparen. Es tut mir leid, wenn ein Fahrer nicht seine Pausen bekommt. Aber deswegen kann er doch nicht machen was er will.

    Ich hoffe, dass auch Sie einmal darauf angewiesen sein werden, dass man Rücksicht auf Sie nimmt und dass auch Sie diese nicht erfahren werden, sondern anschließend einen genau so dummen und unqualifizierten Kommentar ernten, wie ich mir einen von Ihnen eingefangen habe.

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