Freifunk in Bonn: Freies Netz für alle?

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Nicht selten war in den letzten Wochen wieder die Rede von freien WLAN-Hotspots in der Bundesstadt. Die offizielle Internetpräsenz der Stadt Bonn und ebenso die lokale Tageszeitung gaben kürzlich gar zu Protokoll, dass das „City-WLAN-Projekt“ von Stadt und Telekom gut angenommen und daher fortgesetzt werde. Damit ist ein seit dem Jahr 2013 laufende Kooperation zwischen Stadt und deutscher Telekom gemeint, die Bonn mit einer größeren Anzahl freier Internetzugänge abdecken soll. Die Kehrseite: Die Stadt ignoriert durch die enge Bindung an das Großunternehmen die sehr aktiven Bonner Freifunker – diese bieten im Gegensatz zur Telekom tatsächlich unbegrenzt nutzbare Hotspots an. Es lohnt, sich die einmal näher anzuschauen.

Bonn. Auf den ersten Blick haben die 150 Hotspots der Telekom schon ihre Vorteile. Und es scheint auch nachvollziehbar, warum die Stadt bei diesem Thema mit der Telekom kooperiert und das Projekt auf ihren Seiten bewirbt. Die Nachteile dagegen nimmt man schulterzuckend in Kauf – frei nach der Devise: Hauptsache, es bietet überhaupt irgendjemand Hotspots an. Deren Nutzung gestaltet sich allerdings eher eingeschränkt und umständlich. Die Freischaltung von 30 Minuten pro Tag ist beinahe lächerlich kurz und lohnt sich kaum für die umständliche Einwahlprozedur: Zuerst muss der Hotspot im Menü des Smartphones oder Laptops ausgewählt werden, dann wird zunächst einmal die Einwahlseite der Telekom aufgerufen. Die verlangt dann nach Eingabe der Telefonnummer, worauf ein Zugangscode per SMS auf’s Handy geschickt wird. Erneut muss darauf das Hotspotportal aufgerufen und der Code aus der SMS eingegeben werden. Klingt umständlich? Ist es. Ab der 31. Minute wird zudem ein kostenpflichtiger „Hotspot-Tagespass“ fällig. Deutschland einig Neuland? Irgendwie schon.

Die Stadt feiert das trotzdem als Erfolg. Bislang ignoriert sie damit – auch auf ihrer eigenen Internetpräsenz – , dass es schon lange ganz anders und deutlich einfacher geht. Denn mit der Initiative Freifunk Köln-Bonn und Umgebung (KBU) existiert ein stetig wachsendes Netz von derzeit 259 kostenlosen WLAN-Hotspots in der gesamten Region – die Netzabdeckung kommt für die Bundesstadt allein zwar (noch) nicht an die Anzahl der Telekom Hotspots heran, dafür decken die Mesh-Netzwerke vor allem die Altstadt und den Stadtteil Endenich zunehmend besser ab (siehe Karte). Auch am Bonner Marktplatz in der Fußgängerzone existiert ein solcher Zugangspunkt.

Freifunk-Hotspots in Bonn und Bad Godesberg (CC-BY-SA OpenStreetMap)
Freifunk-Hotspots in Bonn und Bad Godesberg (CC-BY-SA OpenStreetMap)

Der Autor dieses Texts wollte natürlich wissen, wie gut das Versprechen eines freien und unbegrenzten Internetzugangs wirklich funktioniert und ließ das WLAN am Smartphone bei Ausflügen in die Innenstadt zuletzt immer eingeschaltet. Es wurde schnell klar: Praktisch schlägt der Freifunk die Telekom-Hotspots überraschend deutlich – sofern man sich in dessen Reichweite aufhält. Vor allem die Einwahl geht einfacher und unkomplizierter als über das Telekomnetz vonstatten: Man wählt einmal das offene Netz (kbu.freifunk.net) über das Menü am Smartphone / Laptop aus und das war’s auch schon. Sowohl am Bonner Marktplatz als auch im etwas weiter davon entfernten Stadtteil Plittersdorf funktionierte das Netz dann automatisch, sobald dessen Nähe erreicht war. Handynummer, SMS und Zugangscode braucht es nicht, eine Zeitbeschränkung fehlt ebenfalls. Der Freifunk macht seinem Namen alle Ehre.

Das Netz teilen

Das klappt einfach so, kostenlos? Im Prinzip schon. Weil jede_r Freifunker_in an den eigenen Hausrouter ein zusätzliches, modifiziertes Gerät anschließt – darauf läuft eine eigene Firmware, die ein separates WLAN-Netz erzeugt. Der entstehende Datenverkehr wird verschlüsselt und über ein VPN des Chaos Computer Clubs (CCC) geschickt. Damit schlägt das Prinzip Freifunk zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen soll das separate Netz über den CCC verhindern, dass die Freifunker selbst zur Rechenschaft gezogen werden, wenn jemand über den freien Anschluss beispielsweise illegal Filme herunterlädt. Die sogenannte Störerhaftung entfällt, der CCC agiert als eigentlicher Provider. Zum anderen sichert dieses Prinzip die Sicherheit und Verschlüsselung des eigenen Datenverkehrs und trennt den Freifunk vom heimischen Netzwerk. Im Prinzip teilen also die Bonner BürgerInnen ihren Heimanschluss mit der Außenwelt – allerdings ohne diese in ihr privates Netzwerk zu lassen.

Weil das alles schon erstaunlich gut funktioniert und die Infrastruktur ebenfalls vorhanden ist, könnte sich die Stadt also der Förderung der Freifunker annehmen – oder gar selbst ein freies Netzwerk anbieten. Andere Städte machen es bereits vor, anstatt von Großunternehmen gegängelte Pseudo-Hotspots anzubieten. Kosten und Aufwand scheinen zudem überschaubar, die passenden Router gibt es ab 20 Euro im Handel und die Einrichtung geschieht mittels kostenloser Firmware. Je mehr Router sich schlussendlich verbinden können, desto schneller, stabiler und größer wird das Netzwerk. Auch die Bonner Bürger sind hierbei noch gefordert – wie man einen der preisgünstigen Router bestellt und einrichtet, erläutern die Initiatoren auf der eigenen Homepage dabei hinlänglich und durchaus anfängertauglich.

Freifunk – ein Wirtschaftsfaktor?

Noch spannender würde es für Bonn, wenn sich der ansässige Einzelhandel und die Gastronomie der Sache annähmen. Denn besucht man derzeit auf dem Marktplatz eines der Cafés oder ein Geschäft, dann bricht der Empfang des Hotspots sofort weg. Ausgerechnet – wo doch gerade der Mobilfunkempfang in den Erdgeschossetagen der zahlreichen Altbauen schon äußerst dürftig ausfällt. Freifunk im eigenen Laden stellte also zuvorderst eine Art von Kundenservice dar und würde gerade die rar gesäten gastronomischen Angebote in der Fußgängerzone attraktiver machen. Man stelle sich auch folgende Situation vor: Während des Einkaufs muss man in die Umkleide, der/die PartnerIn wartet derweil im Laden – und kann sich mit dem kostenlosen WLAN die Zeit vertreiben. Kein Wunder, dass sich auch manche Stadtmarketing-Organisation zunehmend für das Thema interessiert.

Bis dahin gibt es aber noch einiges zu tun. So spielen bislang nur einige Bäckereien im Stadtgebiet diese Vorreiterrolle. Mit mehr Geschäften, gastronomischen Betrieben oder gar der Stadt im Rücken könnte das Prinzip Freifunk jedoch eine echte Alternative darstellen – nicht nur zur Telekom, sondern auch zum Mobilfunknetz. Und wäre damit ein echter Standortvorteil für Bonn.

Karte aller Freifunk-Hotspots in der Region Köln-Bonn

Karte aller Hotspots der Deutschen Telekom in Bonn

28 Kommentare

  1. Danke! In der Tat, das Problem scheint auch zu sein, dass Freifunk bislang ein Thema in bestimmten Nerdkreisen und bei der Piratenpartei war, die aber anscheinend kaum dessen Bekanntheitsgrad steigern konnten. Und die große Zeitung hier und die Stadt verschweigen die Initiative ja gleich lieber ganz. Dabei böte ein flächendeckens Mesh-Netzwerk in Bonn riesige Vorteile. Die gingen allerdings auch zu Lasten der Mobilfunkanbieter – denn die vollkommen überteuerten Datentarife oberhalb der 500MB leistet man sich ja bekanntermaßen umso weniger, desto weniger man sie wirklich braucht.

  2. Ich will nicht der Telekom meine Mobilfunknummer verraten. Ich will nicht auf einer Freischaltseite ein Formular ausfüllen, worauf ich dann eine SMS bekomme, mit der ich mein Gerät für 30 Minuten freischalten kann. Ich will mich in den Hotspot einloggen und loslegen. Aus genau dem Grund habe ich bei mir einen Freifunk-Router aufgestellt. Die paar Watt Strom und die in Stoßzeiten etwas schmalere Bandbreite sind mir es wert, um mein Umfeld mit dem Komfort zu versorgen, den ich bei anderen Freifunkern ebenfalls bekomme. Aber die Stadt Bonn schmückt sich lieber mit einem kastrierten „City-WLAN“, statt eine Initiative zu unterstützen, die von ihren eigenen Bewohnerinnen getragen und aus eigener Tasche finanziert wird. Was vom Volk kommt, kann ja nichts taugen.

  3. Schöne Grüße, liebe Nachbarn, aus Köln :-)

    Bei uns ist das im Übrigen nicht anders. Auch hier tut die Stadt in einer Kooperation mit Netcologne so, als ob sie freies WLAN hätten. Bei uns sind das sogar eine Stunde, aber das Anmeldeverfahren ist ähnlich jämmerlich wie bei euch.

    Freifunk ist eigentlich ein wirklich alter Hut und gibt es schon ewig. Zum ersten Mal hab ich vor 5(!) Jahren im Küchenradio davon gehört. Das Thema wurde von jeder Zeitung des Landes schon mehrere Male aufgegriffen. Ich bin mir auch sicher, das die Verantwortlichen in den den Stadtverwaltungen davon wissen. Sie werden mit Sicherheit des öfteren mit der Nase darauf gestoßen.
    Es zeigt sich aber ein Muster: Großes Unternehmen, das irgendwie mit der Stadt in Verbidnung steht, sei es, das sie Steuern zahlen, sei es, das sie sogar der Stadt gehören, bauen ein Fake-freies WLAN und legen ein Flickenteppich aus unbrauchbaren Zugängen in die Stadt.

    Wer braucht das? Laut der Stadt Köln die Touristen :D

  4. […] Wenn man twit­tern, lesen und Emails che­cken als Arbeit ansieht, dann sind Bus und Bahn mein Arbeits­platz am Mor­gen. Bei Dienst­rei­sen nach Ber­lin bevor­zuge ich eine län­gere Fahrt mit der Bahn, bei der ich eine Steck­dose, einen Hot­spot und einen gemüt­li­chen Sitz­platz habe, deut­lich zu einem Flug, der zwar etwas schnel­ler geht, aber von vie­len Pau­sen und Umstei­ge­si­tua­tio­nen geprägt ist: alles ver­lo­rene Kurz­zei­ten auf Gate­ways, in Sicher­heits­kon­trol­len und in Par­fum­ab­tei­lun­gen von DutyFree-Shops. Warum gibt es im öffent­li­chen Nah­ver­kehr kein WLAN in jedem Bus? Ein Blick durch Europa und man sieht, in wel­cher digi­ta­len Stein­zeit wir in Deutsch­land leben, statt­des­sen sor­gen wir mit der Stö­rer­haf­tung dafür, dass offene WLANs aus­ster­ben, schnel­ler als die Frei­fun­ker ihre Rou­ter auf­stel­len kön­nen (siehe auch den Arti­kel bei Bun­des­stadt vom 15.02.2015). […]

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