Leichte Sprache oder Juristendeutsch?

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(jk) Ich hatte diesen Link erst in den Linktipps vom Samstag. Dann hab ich ihn wieder rausgeschmissen, denn als Tipp im positiven Sinne ist dies schwerlich zu bezeichnen. Als Kuriosität mit großer Nähe zum Befremdlichen, wollte ich diesen Link als Anti-Link-Tipp präsentieren und zusätzlich dem Verfasser ein paar Zeilen als Kommentar unter seinen Beitrag schreiben. Leider hat er die Kommentarfunktion deaktiviert, sodass ich das nun an dieser Stelle mache.

Worum geht es?

Der Bonner Strafrechtsanwalt Dr. Michael E. Kurth LL. M. hat die Website des Generalbundesanwalts besucht, auf die er in seinem Blogpost interessanterweise nicht verlinkt. (Das LL. M. steht übrigens für Master of Laws = Magister der Rechte).

Auf der Website des Generalbundesanwalts ist Dr. Michael E. Kurth LL. M. ein Link „am oberen Bildschirmrand“ aufgefallen. Dieser Link heißt „Leichte Sprache“. Hier wird in bewusst ganz einfachen Worten erklärt, welche Aufgaben der Generalbundesanwalt hat. Hierüber wundert sich Dr. Michael E. Kurth LL. M. und fragt, welcher Spezialist für Öffentlichkeitsarbeit auf die Idee gekommen sei, so etwas zu veröffentlichen. (In Ihrer Frage fehlt übrigens ein Komma, Herr Dr. Kurth, und im letzten Satz ist mindestens ein Rechtschreibfehler).

Barrierefreiheit?

Sehr geehrter Herr Dr. Kurth, haben Sie schon einmal etwas von Barrierefreiheit gehört? Diese ist in Deutschland im § 4 des Behindertengleichstellungsgesetzes geregelt. Ein Aspekt der Barrierefreiheit ist die sogenannte Leichte Sprache. Auf fast jeder Website des Bundes (siehe z. B. die Seite des BGH) gibt es mittlerweile einen Link zur Leichten Sprache, um das Thema Barrierefreiheit zu berücksichtigen. Kann es tatsächlich sein, dass Sie davon noch nie gehört haben?

Und kann es wirklich sein, dass ein Jurist mit seiner verquasten Fachsprache sich über „Leichte Sprache“ mokiert? Als Jurist sind Sie es gewöhnt, Abwägungen zu treffen. Lassen Sie uns das doch einfach mal machen: Juristendeutsch vs. Leichte Sprache

Der Duden (online) charakterisiert „Juristendeutsch“ wie folgt:

… komplizierte, pedantisch genaue und oft weitschweifige Formulierungen gekennzeichnete, schwer verständliche juristische Ausdrucksweise.

Dagegen ist heißt es über „Leichte Sprache“ bei Wikipedia:

„Leichte Sprache ist eine speziell geregelte sprachliche Ausdrucksweise des Deutschen, die auf besonders leichte Verständlichkeit abzielt. Die Leichte Sprache soll Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen über eine geringe Kompetenz in der deutschen Sprache verfügen, das Verstehen von Texten erleichtern.“

Mein Urteil fällt da sehr eindeutig aus.

PS: Wenn Ihnen dieser Einwurf zu banal ist, greifen Sie bitte mal zur Allgemeinen Staatslehre* des Staatsrechtslehrers Thomas Fleiner-Gerster, der in seinem Vorwort für eine verständliche und dem Bürger zugängliche Sprache plädiert:

„Der Fachjargon schützt sie vor und unberufenen Eindringlingen. Gerade dieser Entwicklung muss aber in den Geistes und Sozialwissenschaften begegnet werden. Die Geistes und Sozialwissenschaften – vor allem in demokratischen Staaten – dienen ja letztlich dem Bürger …“

„Sehr oft wird gegen die einfache Darstellung eingewendet, sie sei zu vereinfachend oder es sei gar nicht möglich, komplexe Fragen einfach darzustellen. Meine Erfahrung ist anders. Ich glaube nicht, dass es sozialwissenschaftliche Erkenntnisse gibt, die sich nicht allgemein verständlich darstellen lassen. Glaubt jemand, er könne seine Erkenntnisse nicht einfach und anschaulich darlegen, weil sie zu komplex seien, hat er seine Probleme meist nicht genügend durchdacht. Wer den Dingen auf den Grund geht, der findet den einfachen und klaren Zugang. Zugegeben, das ist oft nicht einfach. Es bedarf jahrelanger Bemühungen, um zu dieser Schlichtheit zu kommen.“

Gut zu wissen, dass es zumindest ein paar Juristen gibt, die offensichtlich anders denken. Aber man soll die Hoffnung ja nie aufgeben, daher empfehle ich zum Einstieg in die Thematik diesen einfach geschriebenen Beitrag über Leichte Sprache auf der Seite von Aktion Mensch. Ab und an soll es ja vorkommen, dass Menschen ihre Meinung ändern.

Fleiner-Gerster, Thomas, Allgemeine Staatslehre, 1. Auflage, Berlin – Heidelberg – New York 1980

Foto: Shutterstock

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