Frohe Ostern… Am Karsamstag bereiten wir die österliche Eiersuche gedanklich vor, und zwar in den Opern- und Schauspielproduktionen am Theater Bonn… Regelmäßig bietet das Theater Bonn auch illustre Gastspiele ohne Folgevorstellungen.

Ganz beseelt und beschwingt von dem Karfreitagskonzert in der Bonner Oper starten wir nun mit dem Freitagskonzert 7 vom Beethoven Orchester Bonn:

Johannespassion von Johann Sebastian Bach am Bonner Opernhaus

So viele Menschen standen selten auf der Bühne der Bonner Oper. Neben dem groß besetzten Philharmonischen Chor der Stadt Bonn war das imposante Beethoven Orchester mit zahlreichen Solisten im Bühnenzentrum zugegen. Hinzu kamen sechs international bekannte Solisten für die Gesangspartien, darunter gleich drei Tenöre.

Die vierzig Nummern und sechzehn Chöre der Johannespassion BWV 245 von Johann Sebastian Bach (1685-1750) wurden im lange im Vorfeld ausverkauften Opernhaus ausdrucksstark, packend und gut aufeinander abgestimmt dargeboten. Unter der musikalischen Leitung von Attilio Cremonesi wurden bekannte Choräle wie ältere Kirchenlieder, vierstimmige Chorsätze, Rezitative oder Sprechgesang unterschiedlich von Chor, Solisten und Orchester harmonisch kombiniert.

Bach war zur Entstehungszeit seines sakralen Werkes Thomaskantor in Leipzig und schrieb vier verschiedene Fassungen. Das Geschehen beginnt nach dem Eingangschor damit, dass der Wanderprediger Jesus von Nazareth durch seinen Jünger Judas verraten wird. Männer des Hohepriesters nehmen Jesus daraufhin gefangen. Er wird durch einen weiteren Jünger, Petrus, verleugnet. Der römische Statthalter Pilatus spricht mit der Menge und mit Jesus. Jesus wird zum Tode am Kreuze verurteilt. Auf die Kreuzigung folgt seine Grablegung.

Der Philharmonischer Chor gestaltete unter der Leitung von Paul Krämer verschiedene Rollen der Passionsgeschichte – das Volk, die Hohepriester, die Soldaten – voller Schattierungen. Singende Kollektive traten in das spannungsvolle und kontrastreiche Wechselspiel mit Individuen.

Die liebevoll gestaltete, farbige Palette an Klängen und Stimmungen während der dramatisch musikalische Passion berührte. Der Chor sorgte mit präzisen Ausrufen und kurzen Dissonanzen für Dynamik. Neben dem pulsierenden Spiel der Streicher setzten Instrumentalsolisten am Fagott, Cello oder Kontrabass leise Akzente.

Die Altstimme war mit dem polnischen Countertenor Rafał Tomkiewicz ungewöhnlich besetzt, er überzeugte jedoch durch wohltemperierte, nuancierte Gesangslinien. Neben den international ausgewählten Solisten stach insbesondere der Osnabrücker Bariton Konstantin Ingenpass als Pontius Pilatus hervor, der gegen Ende mit der Bass-Arie und dem sanften Choral „Mein teurer Heiland“ noch einmal imposant mit atemberaubend filigranen Momenten strahlte.

Der Philharmonische Chor der Stadt, bereits 1852 in Bonn als Städtischer Gesangsverein gegründet, klang differenziert, wohlbalanciert und ausgewogen. Das Beethoven Orchester, dessen Geschichte bis ins Jahr 1907 zurückreicht, gestaltete die Instrumentalpassagen locker, prägnant und ausdrucksstark.

Für diejenigen, die nicht im Programmheft mitlasen fehlten manchmal ein bisschen die Übertitel, da Textverständlichkeit nicht immer gegeben war.

Sibirien von Umberto Giordano am Theater Bonn, nächste Vorführungen am 20. April, 3. und 9. Juni im Bonner Opernhaus

Der 39jährige russische Regisseur Vasily Barkhatov zeigt die 1903 uraufgeführte, heute wenig bekannte Oper „Siberia“ als Co-Produktion mit den Bregenzer Festspielen in Bonn. Als ungewöhnliche Idee fängt eine Parallelebene mit Videoprojektionen die weite und karge sibirische Landschaften stimmungsvoll ein. Der weltweit wahrgenommene gegenwärtige Angriffskrieg Russlands deutet sich dabei durch die aktuelle, dazu gedachte Handlungsebene bedrohlich mit an.

Auf beweglichen Wänden in Christian Schmidts variablen Bühnenbild erscheinen effektvoll Tapetenmuster, dort wo gerade die Handlungsebene spielt. Mal bildet ein Salon mit Spieltisch das Handlungsgeschehen, dann ein großräumiges Archiv mit Akten-Regalen, später ein Lager mit Küchenarbeiterinnen und Bergarbeitern.

Die Geschichte handelt von Stephana, einer russischen Edel-Kurtisane zur Zarenzeit. Sie folgt ihrem Geliebten Vassili freiwillig ins sibirische Arbeitslager und widmet sich dort einer gemeinsamen Neugeborenen. Nach Jahren im Elend begegnet sie im Lager ihrem einstigen Zuhälter und Kuppler Gleby, der sie zurückgewinnen möchte. Auf der Flucht mit ihrer jungen Familie wird Stephana dann erschossen und stirbt in Vassilis Armen.

Eine neu dazu erfundene Rahmenhandlung zeigt die zusätzliche Figur der Tochter von Stephana und Vassili, gespielt von Clarry Bartha. Sie steht von Beginn an als beobachtende Protagonistin auf der Bühne, wird jedoch auch auf Großbildleinwand in Schwarz-Weiß-Aufnahmen während der Ouvertüre, den Zwischenspielen oder Vorspiel zum zweiten Akt gezeigt. Die Tochter bricht 1992 als alte Frau nach Russland auf, um nach Spuren ihrer Familie zu fahnden. Während ihrer Reise von Rom über St. Petersburg nach Sibirien betrachtet sie die von Entbehrungen gezeichnete Liebesgeschichte ihrer Eltern. Im Gepäck befindet sich eine Urne mit der Asche ihres verstorbenen Bruders. Unter anderem besucht sie ein Gulag-Zentralarchiv, fährt mit der Eisenbahn nach Sibirien und mit dem Auto und Karten in die verschneite Steppe.

In chronologisch aufeinander aufbauenden Tableaus zeichnet Yannick-Muriel Noah Stephana als temperamentvolle Sankt Petersburger Kurtisane mit lyrisch-warmen, dramatischen Sopran. George Oniani mimt einen, sie liebenden Soldaten, der aus Liebe tötet, mit markantem Verve in der robusten Tenorstimme. Giorgios Kanaris gibt den skrupellosen und berechnenden Zuhälter Stephanas, Gleby mit sattem, stählernem Bariton.

Italienische Klangfarben vereinen sich eindrucksvoll mit farbigen Zitaten aus russischem Volksliedgut. Balaleika-Töne, das schwermütige Lied der Wolgaschlepper, der Zarenmarsch und stimmungsvolle Chöre mit russischer Melodie klingen an.

Das Beethovenorchester spielt kontrastreich mit aufrüttelnden Pauken oder schwelgerischen Violinen. Eine eindrückliche und lichte Tonsprache trifft auf opulente und schwermütige Bilder, die noch lange nachwirken.

Arabische Nachtmusik von Jürgen R. Weber am Theater Bonn, nächste Vorführungen am 18. Mai und 4. Juni im Bonner Opernhaus

Mit Zwergenmützen behutete, in Rottönen einander ähnlich gekleidete, käferähnliche Wesen bewegen sich unbeholfen und suchend. Sie frönen mit sonoren Stimmen und gleichförmigen Wortwiederholungen der Melancholie. Nachts hören sie fremdartige, melodisch erstarkende Rufe in einer unbekannten Sprache. Verlockt von den Klängen begeben sie sich auf eine traumartige Expedition.

Für die farbenreiche und experimentelle Inszenierung von Jürgen E. Weber, die auch syrische Sprache enthält, bearbeitete Ekaterina Klewitz Werke von Mozart, Wagner und Hussain Atfah für einen Kinderchor und ein Kammerorchester inklusive orientalischer Instrumente. Dabei verfremdete sie bekannte Vorlagen und arrangierte diese unter Einbezug orientalischer Instrumente neu, wie dem persischen Psalterium Santur, der mundstücklosen Endkantenflöten Ney, der hölzernen Bechertrommel Tombak und der Rahmentrommel Daf.

Das musikalische Traumspiel feiert zugleich das dreißigjährige Bestehen des Kinder- und Jugendchores am Theater Bonn. Zwei Kompositionen von Hussain Atfah werden von ihm während der Vorführung uraufgeführt. Seine Gesangseinlagen erinnern an Muezzin-Gebetsausrufe und entstanden unter dem Eindruck seiner Flucht aus Syrien.

Weiterhin im Programm:

Blut wir Fluss von Fritz Kater im Schauspielhaus Bad Godesberg, nächste Vorführungen am 14., 22., 26., 30. April, 4., 12. und 30. Mai

Die Akteure wechseln fliegend Rollen wie ihre Kostüme. Auch inhaltlich überlagern sich Farbtupfer und Transparenzen. Vergangenheit und Gegenwart werden analog zu entstandenen Bildwelten zusammengeführt. Weniger wäre hier mehr gewesen. Während der etwa zweieinhalbstündigen, pausenlosen Vorführungsdauer ist es mitunter herausfordernd, sich in regelmäßig wechselnde szenische Konstellationen und kopflastige Welten einzufühlen. Die schauspielerisch bemerkenswerte Leistung des sichtlich engagierten Ensembles entschädigt für mitunter etwas fade und flache Pointen.

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Peer Gynt von Henrik Ibsen im Schauspielhaus Bad Godesberg, nächste Vorführungen am 6. Mai.

Regisseur Simon Solberg begreift das Drama am Theater Bonn als Geschichte von einem, der unbeholfen aus prekären und dörflichen Verhältnissen auszog, Anerkennung und Selbstachtung zu finden. Die dynamische Performance arbeitet mit wechselnden Schauplätzen. Neben Theaterrauch, verschütteten Wassereimern und hochgeworfenen Papieren kommt auch ein bewegliches und begehbares Metallstangengerüst zum Einsatz. Sechs Akteure verkörpern diverse Figuren; ältere Darsteller spielen in einer Szene unflexibel gewordene Anteile Peers.

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Ein Mas­ken­ball von Giu­sep­pe Ver­di am Theater Bonn, letzte Vorführung am 16. April im Bonner Opernhaus

Sir Da­vid Po­unt­ney In­sze­nie­rung ist ei­ne Ko­pro­duk­ti­on mit der Welsh Na­tio­nal Ope­ra in Cardiff. Auf dem ti­tel­ge­ben­den Mas­ken­ball tra­gen al­le Gäs­te als Kos­tü­me Ske­lett­ge­rip­pe. Der Held der Ge­schich­te, Graf Ric­car­do, er­fährt kurz zu­vor von der Wahr­sa­ge­rin Ul­ri­ca, dass er Op­fer ei­nes Mord­an­schlags wird. Zen­tra­le Mo­ti­ve va­ri­ie­ren span­nungs­voll durch me­lo­di­sche Stei­ge­run­gen, auch die an­spruchs­vol­le Ari­en und En­sem­bles blei­ben in Erinnerung.

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Agrip­pi­na von Ge­org Fried­rich Hän­del am Thea­ter Bonn, letzte Vorführung am 26. April im Bonner Opernhaus

Leo Mus­ca­to über­zeich­net die Fi­gu­ren an der Oper Bonn lie­be­voll. Die Cha­rak­te­re agie­ren auf der va­ria­bel aus­ge­stat­te­ten Dreh­büh­ne größ­ten­teils kunst­voll ver­frem­det in Fat­suits. Die Bri­tin Loui­se Ke­mé­ny mimt die Ti­tel­fi­gur ko­kett for­dernd und poin­tiert, mit be­weg­li­chem So­pran, der in den Spit­zen dra­ma­tisch leuch­tet.

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Hotel Godesberg von Rainald Grebe im Schauspielhaus Bad Godesberg, nächste Vorführungen am 29. April, 13. und 31. Mai

Auf der Bühne sieht man in einen Hotelinnenraum. Zu Stückbeginn treten im Schnelldurchlauf prominente Wiedergänger an der Hotelrezeption auf und wieder ab. Eine Windmaschine und ein Pappkarton als Stehpult kommen zum Einsatz, während Collagen und Bilder aneinandergereiht werden. Angedeutete Konflikte, Gags oder wechselnde Szenen wirken ein bisschen klischeebeladen, altbacken oder beliebig. Der krönende Gag der Absurdität ist gegen Ende Ulrike Morfopoulos, die im gedehnten Alt oder Mezzosopran in Dauerschleife die Frage ins Leere singt: „Warum ist es am Rhein so schön?“ Als Running Gag antwortet ihr jemand irgendwann: „Wenn du es immer noch nicht weißt, dann weiß ich auch nicht weiter.

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High­lights des in­ter­na­tio­na­len Tan­zes an der Oper Bonn. Nächs­te Vor­stel­lung von Consequence und Rossini Cards vom tschechischem Ballett Národní Divadlo Moravskoslezské, am 31. Mai und 1. Juni im Bon­ner Opernhaus.

Vertikal mit die französische Compagnie Käfig unter der Leitung von Mourad Merzouki und das chinesische Beijing Dance Theater mit Manolita Chen und Requiem unter der Leitung der Compagnie-Gründerin und Choreographin Yuanyuan Wang an der Oper Bonn.

Auch weiterhin dürfte die Sparte Tanz am Theater Bonn für ausverkaufte Vorstellungen sorgen. Neuer Kurator der Reihe der internationalen Tanzgastspiele wird ab der nächsten Spielzeit der Kulturmanager Patrick Marín Elbers, der dann auf Burkhard Nemitz folgt. Der heute 48-Jährige Elbers ist ehemaliger Tänzer und war zuvor im Ensemble am Nederlands Dans Theater unter der Leitung von Jiri Kylián.

Al­le Fo­tos vom je­wei­ligen Ab­schluss­ap­plaus | Fo­to (c) Ans­gar Skoda

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