Stadtteilbibliotheken im Kulturausschuss: Verlängerung der Galgenfrist nach Festspielhaus-Aus?

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Gestern Abend (17.06.) fand um 18 Uhr die Sitzung des Kulturausschusses der Stadt Bonn statt. Dort wollte ich mir einmal anschauen, wie Politik in Bonn so funktioniert. Durch das Thema der Stadtteilbibliotheken bin ich aufmerksamer geworden und konnte die gefällten Entscheidungen nicht nachvollziehen: da soll ein Festspielhaus für mehrere Millionen gebaut und hier die Bibliotheken geschlossen werden? Wie kann das sein? Kurzum, es ist ganz einfach, indem man als Bürger an der öffentlichen Sitzung teilnimmt und sich alles anschaut. Mittlerweile habe ich einiges gelernt und mir auch einen kompletten Livestream aus der Ratssitzung angesehen. Das könnt ihr übrigens auch einmal machen, zum Beispiel heute ab 17 Uhr beginnt hier der Livestream aus dem Rat: http://video.bonn.de.

Gerade heute solltet Ihr Euch den Livestream anschauen oder vor Ort sein, denn es wird auch über eine Empfehlung des Kulturausschusses entschieden, die die Schließung der Bibliotheken auf Ende 2016 verzögern könnte, dank der Gelder, die durch das Festspielhaus-Aus frei wurden. Kann man kaum glauben, oder? Das ist bestimmt Satire, könnte man denken. Das Ergebnis wird ja morgen im Rat entschieden, vielleicht sagt ihr einem Ratsmitglied bis dahin noch mal persönlich Eure Meinung?

https://twitter.com/FelixBonn/status/611218484052262913

Im Livestream bekommt man leider nicht alles mit, der Kulturausschuss heute wurde gar nicht übertragen, darum wollte ich beim Kulturausschuss am Tag nach der Entscheidung über das Festspielhaus selbst dabei sein und habe ein Protokoll angefertigt, das hoffentlich aufschlussreich ist, auch wenn ich es nur kursorisch führen konnte. Ich kann natürlich nicht garantieren, dass alles wortgenau aufgezeichnet ist, habe mir aber bei den Notizen größte Mühe gegeben, die Aussagen richtig wiederzugeben. Korrekturen können ja gerne in den Kommentaren ergänzt werden.

Stadtteilbibliothek Dottendorf, Leerstehende Räume...
Stadtteilbibliothek Dottendorf, Leerstehende Räume…

Zur Ausgangslage: Die Deutsche Post ist aus dem Projekt Festspielhaus ausgestiegen und somit konnten die Idee und die Tagungspunkte zum Festspielhaus heute ad acta gelegt werden. Doch wie sieht es aus mit Beethoven 2020 und mir persönlich noch viel wichtiger: den Stadtteilbibliotheken? Als ich selbst noch vor wenigen Tagen in Dottendorf war, wurde es mir und den Mitgliedern des Förderverein zum ersten Mal verboten unangemeldet in den ungenutzten Teil der Bibliothek zu schauen, was vorher nie ein Problem war. Man solle sich bitte vorher anmelden. Sieht so also Zusammenarbeit mit den Fördervereinen aus? Das hat mich und den Förderverein schockiert, also wollte ich genauer wissen, was im Kulturausschuss über die Bibliotheken entschieden werden sollte. Wird nun ehrenamtliches Engagement gewünscht und gefördert oder ist das nur eine Ausweichstrategie um die Schließung durchzusetzen, ohne klar Farbe bekennen zu müssen.

Beginn der Sitzung

  • Es gibt einige dringliche Anträge,darunter auch die zur Stadtteilbibliothek. [SF: Am Eingang lagen die Ausdrucke der Anträge zur Diskussion aus.]
  • Die Tagesordnung wird beschlossen. Festspielhaus ist als Thema gestrichen.
  • Erstes Thema: Haushalt des Theaters.
  • Zweites Thema: Antrag der SPD [?]: Hallenkonzept für Bonn: Seit 1997 wird von einem Hallenkonzept gesprochen, aber nichts wird gemacht. Alle Parteien fordern ein Konzept. Idee, das zu erreichen wäre ein gemeinsames Management aller Hallen, das dann ein Konzept erarbeitet. [SF: Beschluss verpasst.]
  • IMG_8999Nächster Punkt: Straßenumbenennung, Hindenburg-Straße, da sind noch einige Altlasten in deutschen Städten, andererseits reduziert sich die Anzahl der Hindenburgstrassen deutschlandweit [SF: Das wäre doch mal eine Idee die Häufigkeit dieser Straßen zu visualisieren.] Bürger wollen ihren Pass nicht ändern lassen, ältere Menschen waren scheinbar nicht bereit ihr Weltbild zu ändern. 36 Leute blieben bei einem Bürgerdialog vor Ort bis zum Ende, 20 davon haben gegen die Umbenennung gestimmt. Es wird gefragt, ob die Ergebnisse einer Historiker-Konferenz zu diesem Thema nicht frei verfügbar sind. Die Opposition diskutiert über das Geschichtsverständnis der Stadt: Straßennamen sind für die Opposition wichtig, um Vorbilder zu schaffen.

https://twitter.com/FelixBonn/status/611208958313930752

  • Nächster Punkt: Bewilligung von 21.000€ für die Stadtbibliothek für One-Time-Hüllen für DVDs und Bluerays. Frage: Warum muss das überhaupt beantragt werden? Begründung: Verschiebung von Mitteln aus dem konsumtiven Haushalt in den investiven Haushalt! Keiner stimmt dagegen, also bekommt die Stadtbibliothek mehr Geld. [SF: Wahrscheinlich hat keiner eine Ahnung, was den Unterscheid ausmacht, zumindest ich weiß es nicht und keiner fragt nach. Vielleicht sollte ich aber auch nicht von mir ausgehen.]

Das war quasi das Warm-Up für die wichtigen Themen.

Struktur der Stadtteilbibliotheken

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  • Nächstes Thema Bibliotheksstruktur: Antrag der BBB-Fraktion aufgrund des offenen Briefs von Kultimo, dem Förderverein der Stadtteilbibliothek Dottendorf mit vielen offenen Fragen, nach dem Beschluss des Bielefelder Modells, einem Modell basierend auf Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen in den Stadtteilen.
  • Aufgabe: Stadt sollte mit den Fördervereinen und den Ehrenamtlichen sprechen.
  • Gabriele Belloff, Leiterin der Stadtbibliothek: Verwaltungsbericht wird nur mündlich gegeben, da die Frist zu kurz war. Gespräche sollen vorbereitet werden. Bericht zum Sachstand in der Thematik:
    • Beutel Ost: wird zum 26.Juni 2015 geschlossen. Mitarbeiter kommen in die Zentrale bzw. in andere Stadtteile. Schule hat bereits gesagt, welche Bücherbestände dort verbleiben sollen. Bibliothek soll zu einer Schulbibliothek werden. Ein Jahr läuft der  Erprobungsbetrieb, vorher gibt es keinen Kooperationsvertrag.
    • Beuel Brückenforum: Situation zunächst unverändert, da Personal aus Beuel Ost kommt. 2016 wird der Leistungsumfang überprüft, da Personal abgebaut wird. Es wird beobachtet ob durch das Haus der Bildung sich die Besucherzahlen im Beueler Brückenforum verändern. [SF: Vermutlich wird geschlossen, sobald sich eine Verringerung ergibt].
    • Dottendorf und  Endenich: beide bleiben geöffnet. Gehen später [SF:?] in den Tandem-Betrieb über, Endenich am  [Montag und Dienstag?]; Donnerstag und Freitag wird Dottendorf geöffnet.
    • Rheindorf wird am 26. Juni geschlossen. Bis geklärt ist, ob woanders etwas gemacht werden kann, bleiben Material und Mobiliar vor Ort. Mitarbeiter kommen ins Haus der Bildung und nach Tannenbusch. Gegebenenfalls werden Räume in Auerberg angemietet. Ortstermin hat stattgefunden. Entscheidung eilt.
    • Ein Ehrenamtsmodell für Dottendorf, Endenich und Auerberg soll umgesetzt werden, das jedoch verwaltungsintern noch rechtlich abgeklärt und geprüft wird. Themen der Prüfung sind:
      • Versicherung
      • Kassen
      • Zugänglichkeit und Schlüsselgewalt
      • Datenschutz
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      Chansonkabarett in der Stadtteilbibliothek Dottendorf dank Kultimo.

      Aspekte der Bibliotheksschließung: Drei Standorte sollen Selbstverbuchungsbibliotheken werden und ohne Kassen funktionieren. Vereinen werden heute ein Schreiben bekommen. Die Aufgabenverteilung und der Zeitplan wird damit verteilt.

    • Es gab personelle Veränderungen und es wurde eine Mitarbeiterin dafür gewonnen, um mit den Ehrenamtlichen zu arbeiten. Diese steht als Ansprechpartnerin ab Mitte Juli zur Verfügung. Die Zusammenarbeit ist für beide Seiten Neuland. Verlässliche Organisationsformen und Zusammenarbeit sind wichtig. Wir [Belloff] haben den ersten Schritt getan und wir freuen uns auf die Schritte folgen werden. Belloff und Mitarbeiterin kommen gerne in die Vereine und stehen gerne in Kontakt. [Doch welche Aufgaben kommen auf die Ehrenamtlichen zu?]
  • Tim Achtermeyer (Grüne) ist stark irritiert. Seit sechs Wochen wurde mit den Vereinen keine Gespräche geführt. Schließungen wurden bereits beschlossen. Aber es ist so wenig passiert. Warum entsteht kein Runder Tisch mit den Ehrenamtlichen und den Vereinen?
  • Bärbel Richter (SPD): Ratsmehrheit hat beschlossen, dass geschlossen werden soll. Das läuft doch nicht so schnell. Zum Haus Müllestumpe sei noch kein Wort gefallen. Sie sind immer noch interessiert Arbeitsplätze für behinderte Menschen zu schaffen. Manche Bibliotheken sollen erhalten werden. Manche eher als andere. In Rheindorf werden schon neue Räume gesucht. Es lag auf dem Tisch, z.B. die Raumgrößen zu reduzieren.
  • Markus Schuck (CDU): Es gab früh genug Chancen Gespräche zu führen. Aber wir sind dran und wir werden die Gespräche führen, dafür waren Vorbereitungen notwendig, leere Hände bringen nichts, zuständige Vereine brauchen ideale Information, damit sie vorankommen.
  • Felix Kopinski (Piraten): Das wichtigste Gut sind die ehrenamtlich Aktiven. Sechs Wochen sind vergangen und keine Gespräche wurden geführt? Bibliotheken sollen so mit den Ehrenamtlern gerettet werden!
  • Herbert Kaupert (CDU, Bürgerverein Dottendorf): Die Verwaltung ist auf Neuland. Verhandlungen sind gerade erst angefangen worden.  Es sind nur noch sechs Monate Zeit. Die Frist muss daher verlängert werden! Das wertvollste sind die Bürger, die sich beteiligen wollen. Die Bürger müssen mitgenommen werden. Bitte gehen Sie auf die Vereine und Ehrenamtlichen zu! [Richtung Belloff]
  •  Tim Achtermeyer (Grüne): War in der neuen Auerberger Mitte, hat mit Leuten dort gesprochen: Ehemals gedacht waren 400qm, diese Räume waren aber zu groß. Neue interessante Immobilie hat 200qm in einem Gebäude, das sinnvoll aufzuteilen ist.
  • Martin Schuhmacher (Dezernent Kulturausschuss): Hintergrund: es geht nicht nur um die Bibliotheksmitarbeiter, die alles umbauen müssen, zeitgleich ist auch noch der Umzug in das Haus der Bildung, die Bauendphase ist auch im Gang. Die Mitarbeiter haben Kapazitätsgrenzen. Die dort Beschäftigten machen das Menschenmögliche. Es läuft dabei geordnet ab. Unser Modell ist: es sollen Trägervereine [sic!] entstehen, Ansprechpartner sind Trägervereine. Aber bisher sind nur Fördervereine da, die davon überfordert sind.
  • Felix Kopinski (Piraten): Im Herbst muss die Fristverlängerung beschlossen werden. Warum wird von Frau Belloff nur mündlich vorgetragen? Es sollte schriftlich passieren. Beantragt Fristverlängerung für die Entscheidung bis Ende 2016.
  • [Diskussion: Es muss aber erst ein Antrag gestellt werden. Änderungsantrag zum Antrag der BBB? Ja, soll Frist verlängern.]
  • Martin Schumacher: Aus welchen Mittel soll das bezahlt werden? [SF: Mikro war aus, aber nach Aussage von Ratsmitgliedern und Zuhörern wurden die Gelder vom Festspielhaus beiderseits lachend von Schumacher und Kulturausschuss vorgeschlagen. ]
  • Entscheidung des Kulturausschuss: Frist wird aus Mitteln, die für das Festspielhaus reserviert waren, bis Ende 2016 verlängert. Empfehlung des Kulturausschuss an den Rat, der morgen darüber entscheiden soll.

Beethoven 2020

  • Nächstes Thema: Martin Schumacher spricht lange und ausführlich über Beethoven 2020.
    • Festspielhaus wird nicht realisiert. Stiftung wird also nicht gegründet. Alle Vorlagen werden zurückgezogen außer denen zum Grundstücksverkauf. Sanierung der Beethoven-Halle soll möglichst schnell realisiert werden. Sondersitzung des Bundes sollen beantragt werden. Öffentliches Engagement soll nicht verloren gehen. Für das Jubiläumsjahr soll was schönes entstehen. Mittel sollen für Beethovenpflege erhalten bleiben: zum Beispiel von Sparkasse Köln Bonn und dem Bund.
    • Schumachter reiste nach Wien um mit Amtskollegen zu sprechen, am 16. April. Wien hat noch keine konkreten Planungen. „Beethoven 2020“-Plan hat er dort vorgestellt. Dramaturgie für das Festjahr ist schon geplant. Alle Kultureinrichtungen sollen da ein offenes Ohr für die Zusammenarbeit haben. Gemeinsame Projekte für Wien und Bonn, gemeinsam planen. Austauschprojekte zwischen Wien, Bonn und anderen Orte in Deutschland.Projektbeschreibung ist abgeschlossen für Kunst und Kultur. Tourismus und Wirtschaftsförderung fehlen noch, Herr Birkner sucht noch fehlende Elemente. Nicht nur Kultur, sondern alle Politikfelder sollen berücksichtigt werden.
    • Die Dramaturgie hat vier Programmblöcke, Beginn Dezember 2019, vor Osterferien, vor Sommerferien, Beethovenfest und Finale im Dezember 2020. Am 16. September wird das im Kulturausschuss behandelt.
    • Verstärkt sollen die „freie Szene“ und wissenschaftliche Akteure, etc einbezogen werden und zwar am 30. September zu einem Treffen, bei der die Dachmarke vorgestellt werden soll.

Zuletzt wurde noch über den Musikgeneraldirektor, über das Beethovenorchester und das Pantheon gesprochen, aber da habe ich draußen schon diskutiert, wie jetzt weiter vorgegangen werden kann, um die Bibliotheken zu retten. Wenn wirklich Beteiligung gewünscht wird, dann sollte jetzt bald ein runder Tisch der Initiativen und Personen entstehen, die bereit sind sich zu engagieren.

Fazit zu den Bibliotheken

IMG_9015Ganz wichtig ist, dass man genau zwischen „Förderverein“ und „Trägerverein“ unterscheidet. Letzteres kann dazu führen, dass ehrenamtliches Engagement einfach keine Chance bekommt, weil die Hürden viel zu hoch gesetzt werden. Solche Wortspielereien führen bei mir nur dazu, zu glauben, dass da ein scheinheiliges Spiel aufgeführt wird. Leider kenne ich die Unterschiede nicht gut genug, um das alleine bewerten zu können. Vielleicht habt ihr ja Erfahrungen?

Mindestens zweimal, wenn nicht dreimal wurde über „Neuland“ gesprochen, wofür ich nur wenig Mitleid aufwenden konnte, denn genau dafür ist Politik doch da, oder? Interessant war auch der Anteil der Redebeiträge, je nach Interesse. Aber davon kann man sich ja jetzt auch mehr oder weniger ein Bild machen. Also, heute Abend in den Livestream schauen, wie die Entscheidung aussieht. Vorläufiges Ergebnis:

https://twitter.com/FelixBonn/status/611218484052262913

55 Kommentare

  1. Dank eines Hinweises habe ich noch weitere Informationen zu „konsumtiven“ (!) und „investiven“ Ausgaben erhalten:
    http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/oeffentliche-ausgaben.html
    http://de.statista.com/statistik/daten/studie/164668/umfrage/ausgaben-des-bundes-im-haushaltsjahr-nach-oekonomischen-arten/
    „Konsumtiv: Verbrauch und Kosten in aktueller Haushaltsperiode. Investiv: Verbrauch in nächster Periode, Kosten schon jetzt.“

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