"Ansichten eines Clowns" – Heinrich Bölls Roman wird am Theater Bonn mit radikaler Sparsamkeit inszeniert

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Diese Premierenkritik erschien erstmals beim Online-Magazin Kultura Extra.

Bernd Braun in "Ansichten eines Clowns" © Thilo Beu
Bernd Braun in „Ansichten eines Clowns“ © Thilo Beu

Mit weißer Schminke im Gesicht und einer überdimensionierten Pappkrone auf dem Kopf tritt eine Figur unsicheren Schrittes auf die Bühne und blickt minutenlang ins Publikum. Der Bühnenraum ist eng begrenzt. Eine direkt hinter der Figur platzierte massive, dunkle Kulissenwand sorgt für eine bedrückende und düstere Atmosphäre. Die Hoffnung des Publikums, dass sich diese Theaterwand öffnen wird und den Blick auf Requisiten oder eine Kulisse freigeben könnte, wird enttäuscht. Die Theaterbesucher werden weiterhin zusammen mit der Figur angeleuchtet. Nach der einführenden, langen Pause deutet die Figur, von Bernd Braun nuanciert dargestellt, mit den Zeigefinger auf unbestimmte Personen im Publikum: „Sie haben mich schon oft gesehen. Sie glauben, Sie kennen mich. Doch Sie kennen mich nicht.“ Den Zuschauern wird versucht ein Spiegel vorzuhalten, in den die Bühnenfigur sich schon lange nicht mehr traut hineinzusehen. Der Abend verspricht ungemütlich zu werden.

Bonn sei doch die Stadt der Senioren und des Ablebens, erklärt die Figur zunächst noch im lakonischen Tonfall. Diffus und verbittert rechnet sie daraufhin mit dem eigenen Leben ab und zieht eine traurige Bilanz. Den eigenen Namen, Hans Schnier, verratend bezeichnet sie sich als alkoholabhängigen Clown. Daraufhin streckt der Clown routiniert die Zunge hinaus, formt sie und bewegt sie in alle Richtungen. Doch lachen können die Zuschauer darüber kaum, dafür gibt Hans auf zu provokante Weise ein einsames Bild ab. Desillusioniert betrachtet man eine bemitleidenswerte Figur des Komikerbetriebs, die wenig sympathisch ist. Denn das Erzählte wirkt oft arg selbstgefällig, unreflektiert oder pathetisch. Hans meint so über seine Eltern, dass diese angeblich sehr reich, aber ebenso sparsam seien. Auch heute würden sie dem Mitte 60-Jährigen nicht beistehen. Schon als Kinder hätten sie ihn und seine Geschwister zur Zeit des Zweiten Weltkriegs hungern lassen. Das problematische Verhältnis zu den Eltern, die von ihren Nazi-Ideologien auch in der Nachkriegszeit nicht ablassen konnten, wird nur angedeutet. Genauso unklar bleibt, warum sich Hans Freundin Marie, die ihm eine emotionale Sicherheit vermitteln konnte, schließlich von ihm trennte.

Dämmerzustand auf der Bühne

Ein paar Szenen lockern die angespannte Atmosphäre mit durchscheinender Poetik auf. Mit schwungvollen Armbewegungen versucht sich Hans etwa plötzlich freizuschwimmen, wenn er davon erzählt, dass ihm im Schlaf stets schon die Angst vor dem Aufwachen verfolgt. Wann kann er sich endlich von diesen Angstträumen frei machen? Von seinen Selbstmordgedanken löst er sich dann doch und die Inszenierung sorgt dabei für einige lichte und ein bisschen komische Momente. Denn Hans malt plötzlich eine Kreidezeichnung an die Bühnenwand mit einer Laterne und zwei Wahlplakaten. Lustvoll verkörpert er daraufhin selber einen streunenden Hund, der gegen das Wahlplakat der CDU pinkelt. Auf naive Art wird hier ausgedrückt, wie wenig Perspektiven die gegenwärtige Politik den Menschen in der unteren Schicht bietet. Irgendwann wird leise aus dem Off minutenlang eine Textzeile wiederholt: „Man kann es nicht verdrängen, was man immer schon vergisst.“ Die Figur, die glaubt die eigene Stimme zu hören, fragt das Publikum, ob es diese Stimme auch vernimmt. Das Licht verdunkelt sich immer mehr um die Bühnenfigur. Als das Licht dann irgendwann ganz ausgeht, öffnet sich die Bühnenwand plötzlich doch noch. Hans verschwindet hinter der Wand und ein leuchtender Scheinwerfer blendet das Publikum. Trotzdem lässt eine Erleuchtung im Sinne der Dramaturgie auf sich warten.

Mit ihrer sparsamen und provokanten Inszenierung eines gleichnamigen Romans vom Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll gibt Alice Buddeberg den Zuschauern einige Rätsel auf. Böll, der mit Ansichten eines Clowns 1963 schablonenhaft den anpassungsfähigen Konformismus der Nachkriegszeit kritisierte, erklärte später, ihm erscheine sein eigenes Werk sehr konstruiert. Auch heute fragt man sich, was einem der Stoff noch sagen kann. Während die Verfilmung des Romans von Vojtech Jazny aus dem Jahre 1978 immerhin viele Bilder aus dem damaligen Bonn zeigt, hinterlässt Buddebergs Inszenierung den Zuschauer desillusioniert und ratlos.

Foto: Thilo Beu

Wei­tere Spiel­ter­mine in den Bad Godesberger Kammerspielen am Mi., 29.01. und Sa., 15.02. jeweils um 19.30 Uhr, sowie Sonntag, 09.02. um 18 Uhr. Mehr Infos gibt es auf der Web­site des Bon­ner Theaters.

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