Kultur statt Schokolade: Bonns (inter)kultureller Adventskalendar

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Aeham Ahmad wurde mit seinem Klavierspiel auf den Straßen von Damaskus in den Kriegswirren weltweit berühmt. (Illustration aus dem Comic "Bewegte Tasten" © Blickwinkel)

Der Advent ist eine schöne Zeit. Sie bringt Wärme und Licht in die kalte Jahreszeit und öffnet Türen und Herzen. Die Vorfreude auf Weihnachten, ein Fest der Liebe und des Friedens, ist auch ein schöner Anlass, um alte (teils noch aus vorchristlicher Zeit stammende) Winter-Bräuche zu feiern, Geschichten zu teilen und sich gemeinsam von Kunst und Musik beglücken zu lassen.

Unerwarteter Kultur-Adventskalender

Jeden Morgen springen Kinder nun fröhlich aus dem Bett, um nachzusehen, was hinter dem nächsten Türchen ihres Adventskalenders steckt. Statt süßer Leckereien können Neu- und Altbonner beim UNERWARTET Adventskalender zusammen Kultur entdecken. Bewohner der Nordstadt öffnen vom 1. bis zum 24. Dezember ihre Häuser, Wohnungen und Gärten für 24 verschiedene kulturelle Ereignisse.

In dem Kalender bzw. Flyer werden lediglich Tag, Ort und Zeit angegeben und Titel wie „zauberleichte Traumgesichte“ oder „Tuba Christmas“. Dahinter verbergen sich zum Beispiel ein Papiertheater, ein Tuba-Konzert, ein Lagerfeuer mit Stockbrot oder ein Krippenspiel in einer Bäckerei. Alle Veranstaltungen sind kostenlos. Organisiert wird jedes Ereignis von jeweils mindestens zwei Menschen aus dem Viertel, Privatpersonen oder Vertreter von lokalen Initiativen oder Einrichtungen. Die Ereignisse sind so unterschiedlich wie die Menschen, die sie organisieren.  

Einen Ausflug in die „Klangvielfalt im Süden“ bietet der kulturelle Adventskalender, der vom Katholischen Bildungswerk Bonn und der St. Petrus Gemeinde in der Altstadt initiiert ist, am 2. Dezember. Morgen lädt die Ermekeilinitiative zu einem besinnlich, beschwingten Abend in die Südstadt ein mit Funk, Reggae und Ska-Musik von der Kölner Band Einklang. (19.30 – 21 Uhr, Argelanderstr. 117)

Groovy KulturWelten in der Altstadt

Spartenübergreifende Kunst und Kultur für Jung und Alt gibt es in der Altstadt tags darauf ab 15 Uhr bei den 2. KulturWelten in der kunstBRENNEREI (freier Eintritt, Kölnstr. 139-141) mit einer Ausstellung von ein Duzend Künstlern, dem Hamburger Musiker Niklas Paschburg (Klavier, Electronics) und „Movement Butterfly“, ein musikalisches Crossover-Projekt mit dem Streichquartett des Beethoven Orchester Bonn und drei Jazzmusikern der Gruppe Four.

Space is only Noise – Junior Company Bonn

Vom 4. bis 6. Dezember ertanzen und erforschen die jungen Tänzerinnen und Tänzer der Junior Company Bonn – THEY MIGHT BE GIANTS im Theater im Ballsaal in Endenich (Frongasse 9) den urbanen Raum und ihre eigene Lebenswelt. Das neueste Stück des Jugendensembles von CocoonDance, „Space is only Noise“, ist eine dynamische Aneinanderreihung von Szenen (teils inspiriert von der West Side Story und dem experimentellen Dokufilm-Klassiker Berlin – die Sinfonie der Großstadt) vor dem Hintergrund der Geräusch-Kulisse und des Alltagslebens einer modernen Stadt.

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Weltmusik zu Gast bei der GIZ

Das lateinische „advenire“ heißt „ankommen“. Der syrisch-palästinensische Musiker Aeham Ahmad ist 2015 in Deutschland angekommen. Durch sein Klavierspiel in den Trümmern des Flüchtlingslagers Jarmuk in Damaskus wurde er berühmt und zum Facebook-Star. Als Jamuk zwischen die Fronten der Terrormiliz ISIS und der syrischen Armee geriet und die Bewohner im Viertel ohne Strom und Wasser waren, packte der zweifache Familienvater sein Klavier auf eine Karre und spielte auf der Straße. Damit wollte er insbesondere den Kindern etwas Lebensfreude schenken. Nachdem IS-Kämpfer sein Klavier verbrannt und ihn mit dem Tod bedroht hatten, entschied er sich zur Flucht. Seine Frau und zwei Söhne musste er in Syrien zurücklassen. Seine bewegende Geschichte wird in dem Comic „Bewegte Tasten“ erzählt, das die österreichische Initiative Mut zur Perspektive mittels crowdfunding herausgebracht hat.

Ahmad, der heute als Bürgerkriegsflüchtling in Hessen lebt und auf eine baldige Vereinigung mit seiner Familie hofft, wurde letztes Jahr für seine Freiheitslieder und sein Engagement mit dem ersten internationalen Menschenrechtspreis der Beethoven-Academy ausgezeichnet. Im Juni hat er auch bei Eröffnung des Deutsche Welle Global Media Forums in Bonn gespielt. (In diesem DW Video beantwortet der 28-jährige Pianist Fragen eines Journalisten mit Musik.)

Aeham Ahmad bei einem Auftritt in Bonn am 7.9.2016
Aeham Ahmad spielt Klavier für Hoffnung und Frieden. (Foto: Andreas Baaden/GIZ)

Am 7. Dezember wird Ahmad zusammen mit der 27-jährigen Bonner Pianistin Luise Imorde und dem „Punk-Pianisten“ Kai Schumacher im großen Saal im GIZ-Meanderhaus (Friedrich-Ebert-Allee 36) spielen. Zu dem kostenlosen Konzert- und Gesprächsabend laden die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die Beethoven Academy gemeinsam ein, weil die Musik Ludwig van Beethovens zeitlos und seine Werte („Frieden, Freiheit und Menschenrechte“) universell sind.

Der diesjährige Beethoven-Menschenrechtspreis wird am 17. Dezember dem türkischen Pianisten, Komponisten und Weltbürger Fazil Say verliehen. Das Festkonzert für Menschenrechte und Freiheit in der Türkei findet in der Kreuzkirche (Kaiserplatz 1) statt. Die Einnahmen aus dem Kartenverkauf werden Musikprojekten in Krisengebieten zufließen. Zu den auftretenden Künstlern gehören neben dem Vorjahrespreisträger Aeham Ahmad, das türkische Klavierduo Ferhan & Ferzan Önder, die griechische Pianistin Maria Notkou und der Chor Bonn Voice.  Die Laudatio wird Can Dündar, ehemaliger Chefredakteur der türkischen Zeitung Cumhuriyet, halten.

Literatur über Grenzen, das Ankommen und die Hoffnung 

Die Adventszeit in Bonn bietet auch Gelegenheit für literarische Besinnlichkeit mit einem vielfältigen Angebot an Lesungen. Vom 1. bis 10. Dezember werden während 9. Bonner Wochen der Kulturen jeden Tag grenzüberschreitende Autoren und internationale Schriftsteller im Haus der Geschichte und Migrapolis -Haus der Vielfalt (Brüdergasse 16-18) vorgestellt.  Alle Lesungen sind kostenfrei.

Die „Ankommen – Aufbrechen“ Lesung am 7. Dezember (17 – 19.30 Uhr) in der Friedrich-Ebert-Stiftung  (Godesberger Allee 149) setzt sich mit den Herausforderungen und Konflikten um Migration auseinander.  Im Anschluss an die Rezitation von Gedichten und Texten von Else Lasker-Schüler,  Mascha Kaleko, Carl Zuckmayer, Navid Kermani und anderer bekannter Autoren (gelesen von Ulrike Lösch-Will und Jörg Fabrizius), können sich Besucher bei einem Empfang gegenseitig kennen lernen und die „Ankommen in Deutschland“ Fotoausstellung anschauen.

Bei der  Literatour d’Europe Lesung am 8. Dezember im Haus der Bildung (Mühlheimer Platz 1) liest der slowakische Autor und Filmregisseur Peter Krištúfek  (in deutscher und slowakischer Sprache) aus seinem Werk. Die Lesung beginnt um 19.30 Uhr.  Die Literatour d’Europe ist eine Veranstaltungsreihe in Kooperation mit der Vertretung der Europäischen Kommission in Bonn, bei der Autorinnen und Autoren aus dem Land der jeweiligen Ratspräsidentschaft vorgestellt werden.

Wie klingt das Gefühl HOFFNUNG in verschiedenen Sprachen?  Das können Bonner beim POETRYpolis am 16. Dezember erleben. (Eintritt frei. 20 Uhr, Migrapolis, Brüdergasse 16-18). Bei dem multilingualen Poetry Slam werden Texte zu dem Thema jeweils in der Originalsprache und anschließend auf Deutsch vorgetragen. Am Ende Abends stimmt die Polis (das städtische Publikum) über den Gewinner ab.

 

 

 

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